: Produkte mit Folsäure: Öko-Test findet Mängel

von Florence-Anne Kälble
04.08.2023 | 06:52 Uhr
Schwangere Frauen brauchen Folsäure, so wird Fehlbildungen beim Kind vorgesorgt. Welche Dosis ist die richtige? Nur acht Produkte sind von Öko-Test mit "gut" bewertet worden.
Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere: Manch gestiegener Bedarf ist kaum über die Ernährung abdeckbar. Symbolbild.Quelle: Colourbox.de
Werdende Mütter wollen das Beste für ihr ungeborenes Kind. Hersteller suggerieren mit Beschreibungen wie "Für den besonderen Bedarf von Dir und Deinem Baby", was "das" Beste wäre und setzen dabei laut Öko-Test auf das schlechte Gewissen der Schwangeren.
22 Vitaminpräparate für werdende Mütter hat sich Öko-Test vorgenommen. Das Ergebnis überrascht: Zwölf Produkte erhalten ein "ungenügend". Nur acht wurden mit "gut" bewertet. "Sehr gut" ist keines.
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Höherer Bedarf an Folsäure und Jod nicht mit Ernährung zu decken

Getestet wurden ausschließlich Nahrungsergänzungsmittel, die Folsäure enthalten und für Schwangere geeignet sind. Bis auf zwei Präparate enthalten alle Jod. Eine sinnvolle Kombination: Sind doch Folsäure und Jod die einzigen beiden Nährstoffe, deren gestiegener Bedarf in der Schwangerschaft kaum über die Ernährung abdeckbar ist.
Ein niedriger Folatspiegel kann sich in den ersten Wochen gravierend auf das Ungeborene auswirken. So ist unter anderem das Risiko für eine Entwicklungsstörung des Rückenmarkkanals erhöht. Mediziner bezeichnen dies als Neuralrohrdefekt.

Folat

Folat kommt in der Natur vor. Das B-Vitamin findet sich in grünem Blattgemüse, Kohl, Tomaten, Vollkornprodukten und in Leber. Problematisch bei natürlichem Folat ist, dass es sehr licht- und hitzeempfindlich ist. Beim Kochen und Lagern kann deshalb ein Großteil davon verloren gehen.

Folsäure

Die synthetisch hergestellte Form des Folats konnte hier punkten - sie ist viel stabiler. Nachteil der Folsäure ist, dass der Organismus sie erst über verschiedene Stufen in Folat umwandeln muss. Nur so kann der Körper sie dann als Vitamin verwerten.

5-Methyletrahydrofolat

Einige Hersteller im Test bewerben unter Namen wie Metafolin und Quatrefolic die Folatform 5-Methyletrahydrofolat. Diese soll angeblich besser bioverfügbar sein. Hier wurde laut Öko-Test auf Frauen abgezielt, bei denen wegen bestimmter Gendefekte die Umwandlung nicht optimal funktioniert. Der pharmazeutische Chemiker und wissenschaftliche Berater von Öko-Test, Manfred Schubert Zsilavecz von der Uni Frankfurt, erklärte, dass ein möglicher Vorteil von 5-Methyltetrahydrofolat gegenüber Folsäure nicht zweifelsfrei gesichert sei. "Die Datenlage ist einfach zu dünn", fügte er hinzu.

Welche Menge Folsäure empfohlen wird

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel ausdrücklich zur Supplementierung von 400 Mikrogramm Folsäure täglich. Grundsätzlich sollte spätestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft mit der Einnahme von Folsäure begonnen werden. Denn das Neuralrohr verschließt sich bereits am Ende der vierten Schwangerschaftswoche. Dieses ist entscheidend für eine normale Entwicklung von Rückenmark und Gehirn.
Laut des Netzwerks Gesund ins Leben sollen Frauen, die nicht bereits vor der Schwangerschaft ihren Folatspiegel aufgebaut haben, während der ersten drei Monate 800 Mikrogramm supplementieren. Gesund ins Leben ist ein Netzwerk von Institutionen und Fachgesellschaften unter dem Dach des Bundeszentrums für Ernährung.

Wann wird es zu viel Folsäure?

Die Einnahme von Folsäure über einen längeren Zeitraum ist laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nur bis zu einer Obergrenze von 1.000 Mikrogramm am Tag unbedenklich. Bei einer höheren Aufnahme steigt das Risiko für unerwünschte gesundheitliche Nebenwirkungen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt unter bestimmten Bedingungen sogar vor einem erhöhten Krebsrisiko. Nimmt eine Schwangere dauerhaft 800 Mikrogramm täglich zu sich und isst folathaltige Lebensmittel, überschreitet sie diese Grenze.

Produkte mit unterschiedlichen Dosierungen

Die Tester haben Produkte mit einer Dosierung von 800 Mikrogramm für das erste Trimester nach eigener Aussage "durchgehen" lassen. Dosierungen von 500 oder 600 Mikrogramm hingegen passten zu keiner der offiziellen Empfehlungen.
Positiv fällt den Testern auf, dass die ausgewiesenen Mengen von Jod und Folsäure tatsächlich stimmen. Ebenfalls positiv: Lediglich bei drei Produkten lag die Jodmenge über der empfohlenen Dosierung von 100 bis 150 Mikrogramm.
Ist das Baby auf der Welt, haben Eltern nicht weniger Fragen: Ihnen hilft Baby-Lotsin Johanna Fischer:

Nährstoffe am besten durch ausgewogene Ernährung

Negativ ist laut Öko-Test, dass bis auf die als "gut" bewerteten günstigen "Sanct Bernhard Folsäure-Jodid-Tabletten" alle Präparate noch weitere Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente enthalten. Die mit "ungenügend" bewerteten "Orthomol Natal Tabletten + Kapseln" aus der Apotheke - das teuerste Produkt im Test - bringen es auf mehr als zwei Dutzend "wichtige Mikronährstoffe".
Die Öko-Tester betonten, dass keine noch so große Anzahl an isolierten Nährstoffen die Nährstoffvielfalt eines ausgewogenen Speiseplans ersetzen könne. Manche der unnötig beigemischten Vitamine produzierten laut den Testern nur "teuren Urin", da der Körper sie einfach wieder ausscheidet. Andere hingegen bergen durchaus auch Risiken. Die langfristige Aufnahme von zu viel Vitamin A beispielsweise kann die Knochendichte verringern.

Bedarf eines Erwachsenen

Jeder Erwachsene benötigt eine Vielzahl von Vitaminen nebst Spurenelementen und Mineralstoffen - nicht täglich, aber doch regelmäßig. Das sind aber alles Dinge, die aus der Nahrung kommen, sofern man sich ausgewogen ernährt. Vitamin A beispielsweise steckt in Fisch oder Eigelb, seine Vorstufe Provitamin A auch in pflanzlichen Lebensmitteln wie Paprika und Karotten; Vitamin C findet sich zum Beispiel in Zitrusfrüchten.

Neben den Vitaminen kommen aber auch ganz viele weitere gesunde Stoffe, die der Mensch benötigt, mit wie Ballaststoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln nicht enthalten sind. Über eine ausgewogene Ernährung kann man sehr viel mehr erreichen als mit ausgeschnittenen Vitaminen.

Wer ganze Bausteine in seiner Ernährung weglässt, beispielsweise keine tierischen Produkte isst, muss mit bestimmten Nährstoffen aufpassen. Beispielsweise bei Vitamin B12, das sich fast ausschließlich in tierischen Produkten findet. Bei einer konsequent pflanzlichen Ernährung muss dann in der Regel das fehlende Vitamin B12 supplementiert werden. Ebenso, wenn kein Fisch gegessen wird: Auch hier fehlt dem Körper eine Quelle für die Omega-3-Fettsäure DHA. Diese kann dann durch ein Nahrungsergänzungsmittel oder durch ein mit DHA angereichertes Pflanzenöl ersetzt werden.

Bedarf einer Schwangeren

Schwangere haben einen erhöhten Bedarf an vielen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Ihr Kalorienbedarf steigt allerdings nicht in diesem Maße wie der Bedarf an Vitaminen. Deshalb benötigen Schwangere eine Ernährung mit einer höheren Nährstoffdichte. Aber auch für eine Schwangere gilt: Wenn sie sich ausgewogen ernährt, kann sie fast alles, was ihr Körper braucht - und zwar am allerbesten - aus der Nahrung bekommen. Die Vorteile, die eine ausgewogene Ernährung bietet, kann durch Supplementierung nicht erreicht werden, sagen die Experten von Öko-Test. Fettlösliche Vitamine kann der Körper im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen speichern. Schwangere sollten Nährstoffe wie Eisen oder Vitamin A nur gezielt und in ärztlicher Absprache ersetzen.

In manchen Produkten empfohlene Höchstmenge überschritten

Zwölf Präparate enthalten Nährstoffe, die oberhalb der vom BfR empfohlenen Höchstmenge liegen. Bei Eisen beispielsweise gibt es Hinweise, dass eine zusätzliche Aufnahme bei schwangeren Frauen, die keinen Mangel aufweisen, das Risiko für Frühgeburten sowie ein niedriges Geburtsgewicht erhöhen können.
Das Netzwerk Gesund ins Leben warnt deshalb, dass eine "Supplementierung mit Eisen nur nach ärztlicher Diagnose bei einer Unterversorgung erfolgen" sollte. Bei etlichen Produkten fehlte den Testern dieser Hinweis.
Ursachen und Lösungen von Eisenmangel:

Verbotene Zusatzstoffe in Kapseln gefunden

In Kapseln und Tabletten haben die Tester beispielsweise Titandioxid gefunden. Als Lebensmittelzusatzstoff E171 ist es in Nahrungsmitteln seit August 2022 verboten, weil es möglicherweise genotoxisch wirkt.
Gefunden haben es die Tester in den mit "ungenügend" bewerteten "Abtei Vita Mama Tabletten". Formal ist es laut Öko-Test erlaubt, weil bis August 2022 ausgelieferte Nahrungsergänzungsmittel noch verkauft werden dürfen. Für die Tester ist es ein absolutes No-Go.

Wie der Test von Öko-Test ablief

Die Tester von Öko-Test haben 22 Nahrungsergänzungsmittel eingekauft, die für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und gegebenenfalls auch Stillende ausgelobt sind. Alle Produkte enthalten Folsäure und bis auf zwei auch Jod sowie in unterschiedlichem Umfang weitere Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.

Die Tester haben die Kosten pro empfohlene Tagesdosis berechnet. Diese liegt zwischen drei Cent und zwei Euro. Ein Labor wurde beauftragt, die deklarierten Gehalte an Folsäure und Jod nachzumessen. Die Tester beurteilten die jeweiligen Gehalte anhand der speziell für die Schwangerschaft erarbeiteten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie der Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Uni Frankfurt unterstützte Öko-Test mit einem wissenschaftlichen Gutachten.

Die deklarierten Gehalte der anderen deklarierten Nährstoffe haben die Tester mit den Höchstmengenempfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) abgeglichen. Weiterhin sind die Tabletten auf Arsen, Cadmium, Blei und Quecksilber untersucht worden, die Verpackungen auf chlorierte Verbindungen.

Per Deklaration erfassten die Tester den Farbstoff Titandioxid, Carboxymethylcellulose, die zu entzündlichen Veränderungen der Darmflora führen kann, sowie bestimmte Phosphate, die problematisch für Nierenkranke sind. Auch die aufgebrachten Hinweise zu einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen, die das BfR empfiehlt, wurden beachtet.

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17.03.2023 | 02:17 min

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