: Wie man eine Selbsthilfegruppe gründet

von Julia Tschakert
04.11.2023 | 06:00 Uhr
Wer eine schlimme Diagnose bekommt, einer Sucht verfallen ist oder den Job verliert, steckt oft in einer tiefen Krise. Selbsthilfegruppen können helfen - auch eine eigene.

Anja Hoppermann von der Selbsthilfe-Kontaktstelle Duisburg im Gespräch über die Aspekte, die man beim Gründen einer Selbsthilfegruppe beachten muss.

25.09.2023 | 04:35 min
In Deutschland sind Schätzungen zufolge 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen aktiv. Etwa zwei Drittel haben einen gesundheitsbezogenen Schwerpunkt. Menschen mit schweren Erkrankungen oder Behinderungen können sich hier mit anderen Betroffenen und oft auch Angehörigen regelmäßig austauschen, gegenseitig stärken und gemeinsam aktiv werden.
Darüber hinaus gibt es auch Selbsthilfegruppen zu psychosozialen Themen wie familiären Problemen oder zu sozialen Themen wie Armut und Migration. Nicht immer findet sich eine passende Gruppe in der Nähe oder im Netz. Manch einer überlegt dann, selbst eine zu gründen.

Was beim Gründen einer Selbsthilfegruppe zu beachten ist:

  • vom Gruppenthema betroffen sein (selbst oder als Angehörige*r) 
  • über Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Strukturiertheit verfügen 
  • verschwiegen sein 
  • regelmäßig Zeit haben, an den Treffen teilzunehmen 
  • Grenzen setzen können 
  • in der Lage sein, Aufgaben abgeben zu können 
  • wissen, dass es um einen Austausch von Erfahrungswissen auf Augenhöhe geht

Quelle: Selbsthilfe-Kontaktstelle Duisburg

Wie kann ich eine Selbsthilfegruppe gründen?

Die gute Nachricht: Man bekommt Unterstützung. In Deutschland gibt es ein dichtes Netz von Selbsthilfekontaktstellen. Das sind Einrichtungen, die Selbsthilfegruppen unterstützen. In der Regel arbeiten Selbsthilfegruppen dann aber selbstbestimmt, eigenverantwortlich und ohne professionelle Leitung.

Selbsthilfekontaktstellen

Selbsthilfekontaktstellen sind öffentlich geförderte Einrichtungen. Ihre Hilfe ist kostenlos. Sie vermitteln Kontakt zu existierenden Selbsthilfegruppen, unterstützen bestehende Gruppen und helfen bei der Gründung neuer Gruppen. Dazu zählt die Unterstützung in organisatorischen und finanziellen Fragen, bei der Raumsuche und der Öffentlichkeitsarbeit.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben auch Auskunft, ob es Gleichgesinnte für den Aufbau einer neue Gruppe gibt, und sind bei den ersten Gruppentreffen auf Wunsch dabei.

Adressen von Selbsthilfekontaktstellen in der Nähe findet man über:

Nationale Kontakt- und Informationsquelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS)

Eigene Selbsthilfegruppe: Was sind die persönlichen Erwartungen?

Vor der Gründung einer eigenen Selbsthilfegruppe sollte man überlegen, welche Ziele man verfolgen will. Geht es um Erfahrungsaustausch? Möchte man gemeinsam aktiv werden? Oder will man ein anderes konkretes Ziel erreichen?
Dann heißt es, selbst aktiv werden: Werbung machen für die neue Gruppe, zum Beispiel im Internet, über soziale Medien, durch Flyer oder über lokale Zeitungen. Wer als Gründer seinen Namen nicht öffentlich machen möchte, kann beispielsweise auch die örtliche Selbsthilfekontaktstelle als Kontakt nennen. Hier bekommt man auch Unterstützung beim Formulieren von Texten.

Wie finde ich einen geeigneten Raum?

Wichtig: Es sollte ein Raum sein, der die jeweiligen Bedürfnisse der Mitglieder berücksichtigt, wie zum Beispiel behindertengerechte Beschaffenheiten. Manche Selbsthilfekontaktstellen bieten kostenfrei oder zumindest günstig Räume an. Auch in Kirchengemeinden oder Volkshochschulen kann man unter Umständen erschwingliche Räume finden.

Einblicke in eine Selbsthilfegruppe und Erfahrungsberichte von Betroffenen dazu, wie ihnen die Gespräche in der Gruppe helfen.

25.09.2023 | 04:18 min

Finanzielle Unterstützung und Fördergelder - woher?

Gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen können bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Pauschalförderung beantragen, beispielsweise für die Mietkosten des Gruppenraums. Es gibt auch die Möglichkeit, eine so genannte Projektförderung bei der Krankenkasse zu beantragen, zum Beispiel für besondere Aktivitäten mit eindeutigem Gesundheitsbezug. 
Außer den gesetzlichen Krankenkassen gibt es noch weitere Anlaufstellen, um Fördermittel zu beantragen:
  • Pflegekassen (für Pflegeselbsthilfegruppen)
  • Rentenversicherungsträger (z.B. für die Suchtselbsthilfe)
  • Öffentliche Verwaltungen wie Sozial- oder Gesundheitsämter
  • Stiftungen, Spender und Sponsoren
Die Rahmenbedingungen für die Selbsthilfeförderung können je nach Bundesland und Kommune unterschiedlich sein. Selbsthilfegruppen, die ohne finanzielle Förderung arbeiten, finden nicht-monetäre Unterstützung auch bei Wohlfahrtsverbänden und Kirchengemeinden.

Welche rechtliche Einordnung hat eine Selbsthilfegruppe?

Ist die Selbsthilfegruppe ein Zusammenschluss von einzelnen Privatpersonen und nicht als Verein organisiert, so bildet sie im juristischen Sinne eine "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" (GbR). Einige Selbsthilfegruppen entscheiden sich auch, einen Verein zu gründen.
"Für die Basisarbeit einer Selbsthilfegruppe, nämlich den Erfahrungsaustausch von Betroffenen, reicht es, sich als loser Zusammenschluss zu treffen", sagt Anja Hoppermann, die als Diplom-Pädagogin Fachberatungen bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle in Duisburg macht.
Wenn die Gruppe aber ihr Thema darüber hinaus nach außen vertreten möchte, könne es hingegen Sinn machen, einen Verein zu gründen, über den es dann auch möglich sei, andere Fördermittel zu beantragen, so Hoppermann.
Julia Tschakert ist Redakteurin der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".

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