: HVO100: Alles über den neuen Kraftstoff

von Lothar Becker
26.04.2024 | 05:05 Uhr
Bald beginnt der freie Verkauf des klimaneutralen Kraftstoffs für Dieselfahrzeuge an deutschen Tankstellen. Doch HVO100 dürfte zehn bis Cent pro Liter teurer sein als Diesel.

Hydrotreated vegetable oil (HVO) produziert 90 Prozent weniger CO2 als herkömmliche Kraftstoffe. Welche Vorteile hat der neue Kraftstoff noch?

22.04.2024 | 03:54 min
Er stinkt nicht, rußt nicht und lässt Dieselmotoren weniger laut "nageln": Diese positiven Eigenschaften des neu zugelassenen synthetischen Diesels sind schnell zu erkennen. Aber auch im Motor bewirke HVO100 einige willkommene Veränderungen, sagt Entwicklungsingenieur Andreas Plumpe vom Motorenhersteller Deutz.
Wir sehen im Motor und Abgasstrang weniger Ablagerungen. Das ist für die Lebensdauer ein positiver Effekt. Und wir sehen, dass in der Verbrennung des Kraftstoffs deutlich weniger Schadstoffe entstehen.
Andreas Plumpe, Deutz Motorenwerk Köln

Deutliche Reduzierung der Emissionen

Je nach Verfügbarkeit der Rohstoffe und der Zertifizierung können über 90 Prozent CO2-Emissionen gegenüber fossilem Diesel erreicht werden. Tests haben gezeigt, dass auch die emittierten Stickoxide (NOx) um neun Prozent niedriger sind. Ebenso soll auch der Ausstoß von Feinstaub um 35 Prozent reduziert werden.

Warum HVO100 teurer ist

Die relativ aufwendige Herstellung mit zertifizierten Rohstofflieferanten macht den synthetischen Diesel vergleichsweise teuer. Hinzukommt, dass er derzeit gerade einmal im einstelligen Prozentbereich der vorhandenen Dieselmenge auf dem Markt verfügbar ist. Allein aufgrund dieser relativen "Knappheit" gehen Insider davon aus, dass HVO100 an der Zapfsäule immer etwas teurer sein wird als Diesel.

Diesel aus recyceltem Pflanzenöl wird auch an Deutschlands Zapfsäulen verfügbar sein. Was es für Diesel-Fahrer zu beachten gibt, erklärt ZDF-Redakteur Lothar Becker im Gespräch.

22.04.2024 | 07:02 min
Der finnische Mineralölkonzern Neste hat einen Herstellungsprozess des Kraftstoffs patentieren lassen. Die Finnen wollen ihre Kapazität von derzeit 3,3 Millionen Tonnen HVO100 pro Jahr auf 6,8 Millionen Tonnen in 2026 mehr als verdoppeln. Trotz des Mehrpreises von zehn bis 30 Cent pro Liter kann sich der Einsatz des synthetischen Diesels lohnen. Eine CO2-reduzierte Lieferkette wird in vielen Branchen immer wichtiger, da können höhere Kosten weitergegeben werden.
Aber auch Besitzer von Wohnmobilen, Booten und Oldtimern kann eine Eigenschaft des Kraftstoffs den Mehrpreis wert sein. Im Gegenzug zu Diesel wird HVO100 auch bei längerer Lagerung nicht schlecht. Es bilden sich in sauberen Tanks und Leitungen auch bei längeren Standzeiten keine Ablagerungen oder die sogenannte Dieselpest.

Mögliche Nachteile von HVO100

Die hohe chemische Reinheit des Kraftstoffs ist gleichzeitig auch ein Nachteil bei manchen Motorenherstellern. Der vergleichsweise schmutzige Dieselkraftstoff beinhaltet auch Schwebstoffe, die in Dichtungen eine gewollte zusätzliche Dichtwirkung haben. Synthetischer Diesel reinigt auch diese Stellen, wodurch Dichtungen lecken können, die mit Diesel dicht geblieben wären.

Diese Dichtungen können aber ersetzt werden oder wurden in aktuellen Motorvarianten bereits ersetzt.

HVO-Tauglichkeit des eigenen Autos prüfen

Steht im Tankdeckel "XTL" hat ein Motor ganz sicher eine Freigabe für HVO100. Für alle anderen Modelle lohnt es sich, im Internet nachzuschauen, ob das eigene Dieselmodell HVO-tauglich ist.
Nicht selten sind die Motoren für den Verkauf im Ausland ohnehin HVO tauglich, auch wenn das Modell für den deutschen Markt diese Freigabe nicht explizit hat. Dies liegt wohl auch daran, dass der Verkauf des Kraftstoffs in Deutschland bis April 2024 untersagt war.

HVO100 und die Besteuerung

Wie schnell die Produktion des synthetischen Kraftstoffs gesteigert wird, hängt aber auch von der steuerlichen Einordnung ab. Derzeit erhebt die Bundesrepublik mit 47 Cent pro Liter die gleiche Energiesteuer wie beim Diesel.
Bei potenziellen Massenverbrauchern wie der Binnenschifffahrt oder der Luftfahrt sind die fossilen Kraftstoffe steuerlich de facto unschlagbar günstig: Kerosin ist bei internationalen Flügen komplett steuerfrei, Diesel in der Binnenschifffahrt ist vergleichbar mit dem Agrardiesel steuerreduziert. Hier ist der saubere Dieselersatz HVO von einer Wirtschaftlichkeit aufgrund der Steuerpolitik weit entfernt.
Er ist aber ein Anfang, um mit dem eigenen Diesel ab sofort deutlich klimaschonender unterwegs zu sein.
Lothar Becker ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.

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