: Der DFB begehrt auf - ein bisschen

05.10.2023 | 18:59 Uhr
DFB-Chef Neuendorf hat in den sauren Apfel gebissen und für die WM 2030 in sechs Ländern gestimmt. Der sportpolitische Winkelzug könnte mit der Frauen-WM 2027 zusammenhängen.

DFB-Chef Neuendorf hat die Vergabe der Fußball-WM 2030 an sechs Nationen als "ungewöhnliche Konstellation" kritisiert. Das verwundert. Denn auch er hatte für diese WM gestimmt.

05.10.2023 | 00:34 min
Als Gewinn für die ganze Welt verkauft Gianni Infantino die Vergabe der Fußball-WM 2030 an sechs Länder. Der deutsche Fußball und speziell DFB-Chef Bernd Neuendorf steuern derweil durch die selbst mitgetragene Handstreich-Entscheidung für die WM 2030 und den sich anbahnenden Zuschlag für Saudi-Arabien als Gastgeber 2034 schon wieder auf ein sportpolitisches Dilemma zu.

Leise Kritik von DFB-Chef-Neuendorf

Den Zuschlag für Spanien, Portugal und Marokko für die WM in sieben Jahren und Uruguay, Argentinien und Paraguay als Ausrichter von drei Auftaktpartien bezeichnet Neuendorf auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur als "ungewöhnliche Konstellation".
Er selbst hatte aber am Vortag bei der historischen Video-Sitzung der FIFA-Granden um Infantino mit "Ja" gestimmt - aus sportpolitischer Räson und um eine mögliche Frauen-WM 2027 in Deutschland nicht zu gefährden.
Überzeugt ist Neuendorf im Gegensatz zum frohlockenden FIFA-Boss von dem Fußball-Gigantismus nicht, das klang aus seinen Worten heraus, als er gerade mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit sagte:
Wir müssen jetzt genau hinschauen, welche konkreten Vorschläge die potenziellen Ausrichter im Bewerbungsverfahren entwickeln, um diesem wichtigen Anliegen und dieser Herausforderung gerecht zu werden.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Infantino: "Jeder gewinnt"

Zufrieden lächelnd und mit pastoraler Stimme hatte FIFA-Präsident Infantino die "historische Einigung" für die WM 2030 verkündet.
"Dialog und gegenseitiges Verständnis" hätten zu dieser Vereinbarung geführt, bei der "eigentlich jeder gewinnt - besonders die Fans, Spieler und alle Regionen der Welt", behauptete der Schweizer in einer Videoansprache.

Harsche Kritik von Fan-Gruppierung

Doch genau das sehen viele nach dem erneuten Alleingang des Councils anders. "Die FIFA setzt ihren Teufelskreis der Zerstörung gegen das größte Turnier der Welt fort", schreibt die Fan-Organisation Football Supporters Europe (FSE) beim Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter).
Und RB Leipzigs Trainer Marco Rose kritisiert: "Wir schrauben und schrauben und schrauben und lassen uns noch mal was einfallen."
Irgendwann spielen wir auf dem Mount Everest, weil wir da einen Fußballplatz hingezaubert kriegen und man das vermarkten kann.
RB-Leipzig-Trainer Marco Rose

WM 2034: Vorteil für Saudi-Arabien

Als großer Gewinner darf sich Saudi-Arabien fühlen. Da die WM 2026 in den USA, in Mexiko und Kanada ausgespielt wird, kommen gemäß dem Rotationsprinzip für die Austragung des Mega-Events 2034 nur Vertreter aus Asien und Ozeanien infrage.
Das steigert die Chancen der Monarchie am Persischen Golf enorm, auch wenn Australien eine mögliche Bewerbung für die WM 2034 ebenfalls prüft. Neuendorf wies ausdrücklich darauf hin, dass der Auswahlprozess noch läuft. Saudi-Arabien erwähnte er nicht.

Saudi-Arabien mit besten Mitteln

Doch das Königreich will zwölf Jahre nach der WM im politisch verfeindeten Katar selbst das Prestigeprojekt mit aller Macht austragen. An Geld, Kontakten und guten Versprechungen mangelt es nicht. Saudi-Arabien steht jedoch noch mehr als Katar wegen Verstößen gegen die Menschenrechte stark in der Kritik.

Cristiano Ronaldo, Neymar und Karim Benzema – sie und viele andere sind in diesem Sommer nach Saudi-Arabien gewechselt. Doch was steckt dahinter?

28.09.2023 | 15:50 min
Dem Land wird zudem vorgeworfen, mit den milliardenschweren Investitionen in den Sport sein Image aufpolieren zu wollen. Die Transfers von Superstars wie Cristiano Ronaldo, Neymar und Karim Benzema in die saudi-arabische Fußball-Liga sind ein Beispiel dafür.

DFB fürchtet um Frauen-WM 2027

Wo der DFB steht, ist klar. Wieder zwischen den Fronten. Zu sehr aufbegehren darf der DFB im internen Zirkel nicht, will er seine Chancen für die Frauen-WM 2027 aufrechterhalten. Sie wird im kommenden Mai beim Kongress in Bangkok vergeben.
Da auch die UEFA bei den Europameisterschaften 2028 (Vereinigtes Königreich und Irland) und 2032 (Türkei und Italien) abseits der Gremien praktisch sichere Deals eingetütet hat, stehen die Gastgeber der nächsten sechs Fußball-Großereignisse alle so gut wie fest. Transparenz spielte bei den Verfahren eine untergeordnete Rolle.

WM 2030 wohl nachhaltiger als 2026

Genau wie das Thema Nachhaltigkeit. Infantino verspricht einen "einzigartigen globalen Fußball-Fußabdruck" - aber was ist mit dem CO2-Fußabdruck?
Der dürfte zwar aufgrund der nur drei Spiele auf südamerikanischem Boden sogar besser aussehen als jener der WM zuvor in den USA, Kanada und Mexiko. Dennoch sei der Beschluss ein Symbol für ausufernden Gigantismus und damit ein weiterer Beweis, "dass Klimaschutz für die FIFA eine untergeordnete Rolle spielt", kritisiert Stefan Wagner von der Organisation "Sports For Future".
Quelle: dpa

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