: EZB erhöht Leitzins auf 3,75 Prozent

04.05.2023 | 12:59 Uhr
Der Leitzins im Euroraum steigt auf 3,75 Prozent. Der Rat der Europäischen Zentralbank beschloss eine Anhebung um 0,25 Prozentpunkte, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
Das Gebäude der EZB in Frankfurt.Quelle: dpa
Die Euro-Währungshüter drosseln bei ihrer siebten Zinserhöhung in Folge etwas das Tempo. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschloss eine Anhebung der Leitzinsen um Euroraum um 0,25 Prozentpunkte. Zuvor hatte es drei Anhebungen um 0,50 Punkte gegeben.
Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt nun auf 3,75 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür künftig 3,25 Prozent Zinsen, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
Mit den im vergangenen Juli begonnenen Zinserhöhungen versuchen die Währungshüter, die hohe Inflation einzudämmen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an.

EZB-Chefvolkswirt: "Noch nicht der richtige Zeitpunkt aufzuhören"

"Die Inflation liegt seit Mitte 2021 über unserem Ziel, ist also seit fast zwei Jahren zu hoch", hatte EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane kürzlich in einem Interview gesagt und eine weitere Zinserhöhung für die Mai-Sitzung in Aussicht gestellt.
Dies ist immer noch nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören.
Philip R. Lane, EZB-Chefvolkswirt
Im April hat sich die Inflation im Euroraum wieder etwas verstärkt. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 7,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im März war die jährliche Teuerungsrate im Euroraum noch deutlich von 8,5 Prozent auf 6,9 Prozent gesunken.
Das sagen Ökonomen zur aktuellen EZB-Zinsanhebung:

Michael Heise, Chefökonom HQ Trust

"Die EZB zeigt weiter Entschlossenheit in der Bekämpfung der Inflation. Unbeschadet einer praktisch stagnierenden Wirtschaft im Winterhalbjahr hat sie eine siebte, wenngleich kleinere Zinserhöhung um 25 Basispunkte beschlossen. Anders als bei der Schwesternotenbank in den USA gibt es bei ihr aber kein time-out für weitere Zinserhöhungen. Schon im Juni ist ein weiterer Zinserhöhungsschritt wahrscheinlich, da bei gestiegenem Lohnkostendruck und den gegebenen Preiserhöhungsspielräumen der Unternehmen weiterhin deutliche Preissteigerungen, vor allem im Dienstleistungsbereich, zu erwarten sind."

Bastian Hepperle, Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank

"Die EZB kämpft mit dem kleinen Zinsschritt nur halbherzig gegen die hohe Inflation an. Die Chancen sind zwar gut, dass die Gesamtinflationsrate über den Sommer unter 6,0 Prozent fällt. Von Preisstabilität wird sie aber noch immer weit entfernt sein. Bei der Kernrate zeichnet sich ein nennenswerter Rückgang ebenfalls nicht ab. Von daher gibt es noch einiges zu tun. Doch im EZB-Rat scheint die Unterstützung hinsichtlich Anzahl und Umfang weiterer Leitzinserhöhungen zu bröckeln. Das stützt unsere Zweifel, dass es die EZB mit ihrem Inflationskampf wirklich ernst meint."

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank

"Wie die amerikanische Notenbank nähert sich auch die EZB dem Ende der Zinstreppe. Im Euroraum gibt es noch einen oder zwei weitere Schritte, dann ist erstmal Pause. Ob dies nur ein vorübergehender Absatz ist, von dem aus es mit den Zinsen weiter nach oben geht, wird sich erst gegen Jahresende zeigen. Dann ist es besser einschätzbar, ob das Zinsmedikament gegen die hohe Inflation anschlägt."

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt

"Auch nach sieben Zinserhöhungen in Folge liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor der EZB. Die Inflation neigt nämlich dazu, sich auf hohen Niveaus festzusetzen. Diese selbst stabilisierende Tendenz der Inflation zu überwinden, erfordert ein entschiedenes Gegensteuern. Ein EZB-Einlagensatz von jetzt 3,25 Prozent reicht sicherlich nicht aus. Die EZB muss mehr als einmal nachlegen, um die Inflation dauerhaft zurück auf zwei Prozent zu bringen." (Quelle: Reuters)

Lane warnt vor Vertrauensverlust

"Je länger die Inflation zu hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass sich die Wahrnehmung der Menschen ändert, dass sie das Vertrauen in unsere Fähigkeit verlieren, zu unserem Zwei-Prozent-Ziel zurückzukehren", hatte EZB-Chefvolkswirt Lane gewarnt.
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Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für einen Euro weniger leisten. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum ein wichtige Stütze ist.
Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur.

Die Preise für Lebensmittel wie Obst und Gemüse sind deutlich gestiegen. ZDF-Reporter Sven Rieken war auf dem Hamburger Großmarkt unterwegs und hat darüber mit Händlern gesprochen.

20.03.2023 | 13:53 min

EZB: Kauf frischer Papiere bereits eingestellt

Zugleich will die Notenbank von Juli an die Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des allgemeinen Kaufprogramms APP nicht mehr in den Erwerb neuer Anleihen stecken. Den Kauf frischer Wertpapiere im Rahmen des Programms hatte die EZB bereits zum 1. Juli 2022 eingestellt.
Die rasante Zinswende, die die Zentralbanken in den USA und Großbritannien nach Jahren des extrem billigen Geldes noch vor der EZB einleiteten, ist auch für Banken nicht nur positiv.
Das zeigte sich zuletzt in den USA, wo bereits drei Institute nach enormen Mittelabzügen aufgrund von Liquiditätssorgen kollabierten. Die US-Notenbank Fed hob am Mittwoch zum zehnten Mal in Folge ihren Leitzins an: Nach einem Sprung um 0,25 Prozentpunkte liegt der Leitzins in den USA nun in einer Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent.

Inflation und Zinserhöhungen:

Die Inflation im Euroraum verharrt bislang hartnäckig auf hohem Niveau. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat daher die Leitzinsen erneut angehoben. Welche Folgen hat das für Sparer und Kreditnehmer? Wichtige Fragen und Antworten:

Warum ist eine hohe Inflation gefährlich?

Je höher die Inflation ist, desto stärker wird das Geld entwertet. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für einen Euro immer weniger leisten. Im April lagen die Verbraucherpreise im Euroraum einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 7,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats und damit deutlich über dem EZB-Ziel einer jährlichen Teuerungsrate von mittelfristig zwei Prozent.

Wie groß ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale?

Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark, kann das die Preise weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene Löhne als Rechtfertigung für weitere Preiserhöhungen heranziehen. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch. Steigende Löhne sind nach Einschätzung von EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane bislang keine wichtige Quelle für die hohe Inflation.

Zwar erwartet die Notenbank nach seinen Angaben, dass die Löhne nun schneller steigen werden, da Gewerkschaften auf die hohe Inflation reagierten. "Die Lohnerhöhungen sind zwar höher als normal, aber im Großen und Ganzen erscheinen sie recht fair. Aber wir müssen das im Auge behalten", sagte Lane unlängst der "Zeit".

Was unternimmt die EZB?

Die Euro-Währungshüter stemmen sich mit einer Serie von Zinserhöhungen gegen die hartnäckig hohe Inflation. Erhöhungen der Leitzinsen verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft, die Inflationsrate zu senken. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Zinserhöhungen wirkten in der Regel mit einer Verzögerung von eineinhalb bis zwei Jahren, erläuterte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel unlängst.

Welche Folgen haben die gestiegenen Zinsen für Sparer?

Nach jahrelanger Flaute profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tagesgeld und Co. Im Schnitt gibt es nach Daten des Vergleichsportals Verivox bei bundesweiten Tagesgeldangeboten 0,97 Prozent Zinsen und damit mehr als doppelt soviel wie zu Jahresbeginn. In der Spitze locken Institute mit 3 Prozent und mehr. Wer sein Geld für zwei Jahre fest anlegt, erhält bei bundesweit aktiven Instituten im Schnitt 2,58 Prozent.

In beiden Fällen sind die Zinsen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken Verivox zufolge im Schnitt niedriger. Knapp ein Drittel von insgesamt 688 ausgewerteten Instituten zahlt nach wie vor nichts aufs Tagesgeld. "Viele regionale Geldhäuser lassen sich Zeit damit, die steigenden Zinsen an ihre Kunden weiterzugeben", sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Zudem nagt die hohe Inflation am Ersparten, es verliert an Wert.

Der durchschnittliche Realzins beispielsweise bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote liegt demnach aktuell bei minus 6,22 Prozent. Der Realzins ist der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate.

Was bedeutet der Zinsanstieg für Kreditnehmer?

Für Kreditnehmer ist es teurer geworden. Ratenkredite kosteten im März nach Daten des Vergleichsportals Check24 im Schnitt 7,05 Prozent Zinsen und sind im Vergleich zum März 2022 damit fast doppelt so teuer. Im April habe sich dieser Trend auf Basis vorläufiger Daten fortgesetzt. Zugleich zehrt die Inflation aber auch Schulden auf.

Wie stark sind Bauherren betroffen?

Sie bekommen die gestiegenen Bauzinsen, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, deutlich zu spüren. Zuletzt gab es zwar einen leichten Rückgang. Nach Einschätzung von Check24 wird der Zinssatz für zehnjährige Baufinanzierungen in den kommenden Monaten aber wieder Richtung vier Prozent oder darüber hinaus gehen.

Das würde Tausende Euro Mehrkosten bedeuten: Bei einer Baufinanzierung von 400.000 Euro und einem Durchschnittszinssatz von 3,31 Prozent jährlich (Stichtag 1. Mai) entstehen Zinskosten von 117.982 Euro bis zum Ende der zehnjährigen Bindung, rechnet das Vergleichsportal vor. Die monatliche Rate liegt bei 1.770 Euro. Sollte der Zins auf 4,50 Prozent steigen, würde das zusätzliche Mehrkosten von 41.593 Euro und eine um 397 Euro höhere Monatsrate bedeuten.

Höhere Zinsen treffen diejenigen, die ein neues Darlehen brauchen oder eine Anschlussfinanzierung für einen Immobilienkredit. Bei laufenden Hypothekenkrediten ändert sich in der Regel nichts.

Was bedeuten höhere Zinsen für den Staat?

Jahrelang kam der Staat vergleichsweise günstig an frisches Geld. Das hat sich im vergangenen Jahr deutlich geändert. Der Staat muss für seine Kredite in Form von Anleihen deutlich mehr Geld zahlen. Nach Angaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich die Ausgaben allein des Bundes für Kreditzinsen innerhalb von zwei Jahren verzehnfacht: von rund 4 Milliarden Euro 2021 auf etwa 40 Milliarden Euro im laufenden Jahr. (Quelle: dpa)
Quelle: dpa

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