: Pflichtversicherung: Der Polit-Druck wächst

von Dorthe Ferber
03.06.2024 | 20:04 Uhr
Das Hochwasser befeuert die Debatte um eine Pflicht, sich gegen Elementarschäden zu versichern. Seit der Ahrflut sind die Länder dafür - aber es fehlt ein Entwurf der Regierung.

Vollgelaufene Keller und verschlammte Wohnungen: Starke Hochwasser sorgten zuletzt vermehrt für Schäden an Gebäuden. Sollte eine Versicherung für Elementarschäden Pflicht werden?

03.06.2024 | 02:45 min
Die aktuelle Flutkatastrophe lässt die Debatte um eine Pflichtversicherung gegen sogenannte Elementarschäden wieder aufleben. Schon nach der Ahrflut vor drei Jahren hatten die Länder sich für eine solche Versicherung stark gemacht, bislang fehlt aber ein Entwurf der Bundesregierung.
In Bayern und Baden-Württemberg ist gerade Land unter. Wenn das Wasser geht, wird der Schaden an den Gebäuden sichtbar - und die Kosten für die Länder. Die springen meist dann ein, wenn Betroffene keine anderen Leistungen erhalten.
Nur jeder zweite Hausbesitzer in Deutschland ist gegen Elementarschäden versichert. Manchen ist die Versicherung zu teuer, andere werden von den Versicherern nicht angenommen, weil sie in einer Hochrisiko-Zone wohnen. Und Klimaschäden durch Starkregen und Flut kommen in immer kürzeren Abständen vor.
Die Länder bleiben da immer häufiger auf hohen Kosten sitzen: Bis zu 75.000 Euro sagte die saarländische Landesregierung den besonders stark betroffenen Hausbesitzern nach der Flut an den Pfingsttagen zu.

Söder fordert Pflichtversicherung

Auf Dauer ist das nicht zu stemmen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert aktuell die nationale Pflichtversicherung:
Es wäre wichtig, wenn wir das haben, weil wir werden immer wieder mit solchen Ereignissen konfrontiert.
Markus Söder, Ministerpräsident Bayern
Das hatte auch seine saarländische Kollegin Anke Rehlinger (SPD) an Pfingsten unterstrichen. Die Länder sind sich einig: Mehr private Absicherung ist verpflichtend nötig, um den Steuerzahler zu entlasten.

In vielen bayerischen Orten könne "von Entwarnung noch keine Rede sein", sagt ZDF-Reporter Leifert. In Regensburg gebe es aktuell Evakuierungen, berichtet ZDF-Reporterin Sonnewald.

03.06.2024 | 03:29 min
Einige Hausbesitzer dürften zudem auf die private Versicherung verzichten, weil sie wissen, dass im Notfall der Staat einspringt.

Versicherer sind strikt gegen Versicherungspflicht

Eine Pflichtversicherung aber kostet, die privaten Hausbesitzer ebenso wie die Versicherer. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist strikt gegen die Pflicht und setzt auf mehr freiwillig Versicherte. Bei einer Quote von 54 Prozent sei noch Luft nach oben. Nur: Die Quote ist bislang nicht wesentlich gestiegen - im Gegensatz zu den Klimaschäden.

Was ist eine Elementarschadenversicherung?

Eine Elementarschadenversicherung ist ein möglicher Baustein innerhalb der Gebäude- und Hausratversicherung. In der können Hausbesitzer*innen sich gegen Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel und Elementarschäden absichern. Während die meisten Eigentümer*innen die ersten drei Bausteine versichern, liegt die Quote bei den Versicherungen gegen Elementarschäden wie eine Flutkatastrophe nur bei etwa 50 Prozent. Da bei großen Katastrophen wie 2021 im Ahrtal regelmäßig der Staat einspringen muss, um Schäden und Wiederaufbau zu finanzieren, halten viele Experten eine Pflichtversicherung für Elementarschäden für sinnvoll. Denn dann zahlen nicht alle Steuerzahlenden im Fall einer Katastrophe, sondern in erster Linie Eigentümer und Eigentümerinnen.
Der GDV sieht auch kein großes Problem: Nur sehr wenige Hausbesitzer bekämen wegen zu hohen Risikos keine Versicherung angeboten.
Philipp Wolf von der Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz sieht das anders. Er sagt:
Aktuell muss man sagen, dass tatsächlich 80 Prozent aller Gebäude durch Starkregen gefährdet sind und die wenigsten in hohen Gefahrenzonen liegen.
Philipp Wolf, Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz
Der Verbraucherschützer will die Pflichtversicherung, es gehe um einen Wechsel vom System der Risikozonen zu einem System der Solidarität. Je mehr Menschen versichert seien, desto günstiger werde es.

"Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.

03.06.2024 | 03:34 min
Die SPD spricht sich ebenfalls für eine solidarische Pflichtversicherung aus und verweist auf Frankeich, wo es diese Pflicht längst gibt.
Nur ist die im Bund mitregierende FDP dagegen. Das von den Liberalen geführte Bundesjustizministerium verweist auf hohe Kosten für Hausbesitzer. Die Versicherer rechneten mit einer Verdopplung der Versicherungsprämien in den kommenden zehn Jahren, die Folgen seien sozial und wirtschaftspolitisch nicht vertretbar. Und wenn die Einhaltung der Versicherungspflicht kontrolliert werden solle, führe das zu mehr Bürokratie.
Die Stimmen für die Pflichtversicherung aber sind lauter geworden. Mit den Fluten ist auch der politische Druck gestiegen. Am 20. Juni beraten die Länder über das Thema mit dem Bundeskanzler - Olaf Scholz hatte sich als Bundesfinanzminister einst dafür ausgesprochen.
Dorthe Ferber ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.
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Quelle: dpa, AFP, kbl

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