: Höhere Reallöhne, weniger Konsum, mehr Risiko

von Sina Mainitz
29.08.2024 | 15:32 Uhr
Das fünfte Quartal in Folge steigen die Löhne in Deutschland schneller als die Inflation. Dennoch wächst die Sorge vor Armut.

Die Inflation liegt im August wohl erstmals seit langem unter zwei Prozent. Das liegt unter anderem am niedrigen Rohölpreis. Gleichzeitig sind die Reallöhne gestiegen.

29.08.2024 | 01:23 min
Die Inflation in Deutschland sinkt, die Menschen bekommen wieder mehr fürs Geld. Die Kaufkraft in Deutschland entwickelt sich gut, aber so richtig will die Konjunktur nicht anspringen. Der private Konsum ist nach wie vor im Dornröschenschlaf und läuft schleppend.
"Die Konsumenten werden vorsichtiger", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Bank ING. "Ich bezeichne es als Angstsparen."
Wenn ich auf dem Sparkonto wieder etwas höhere Zinsen bekomme, fließt das Geld dorthin und nicht in den Konsum, typisch deutsch.
Carsten Brzeski, ING
Laut Statistischem Bundesamt sind die Nominallöhne im Frühjahrsquartal um 5,4 Prozent gestiegen, die Verbraucherpreise hingegen nur noch um 2,3 Prozent. Es wäre also etwas Geld übrig - rein rechnerisch betrachtet zumindest.

Der Reallohn

Der Reallohn ist der Verdienst, über den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich verfügen können, nachdem die Inflation berücksichtigt wurde. Im Gegensatz zum Nominallohn berücksichtigt der Reallohn die tatsächliche Kaufkraft des Verdienstes. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Am Rande der Rezession

Die Wahrheit sieht anders aus. Die strauchelnde Konjunktur in Deutschland ist mit ein Grund dafür, dass sich Europas größte Volkswirtschaft am Rande einer Rezession bewegt. Das für September berechnete Konsumklima hat sich eingetrübt.

Die sinkende Inflation weckt die Hoffnung, dass die EZB den Leitzins weiter senkt. Der Dax erreicht ein Allzeithoch und nähert sich den 19.000 Punkten. Valerie Haller an der Börse.

29.08.2024 | 00:55 min
Das fanden das Marktforschungsinstitut GfK und das Nürnberger Institut für Marktentscheidungen bei einer Befragung von 2.000 Verbrauchern heraus. Noch ist das Licht am Ende des Tunnels nicht erkennbar.
"Es gehen viele Firmen bankrott", sagt Volkswirtschaftsexperte Brzeski. "Wir haben sehr viele Insolvenzen in Deutschland. Momentan sind wir auf dem Niveau von 2014 und es ist noch kein Ende in Sicht."
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Banken reagieren auf schlechte wirtschaftliche Lage

Die Banken handeln entsprechend - so hat Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus, die DZ Bank, weniger Gewinn gemacht und die Risikovorsorge im ersten Halbjahr deutlich aufgestockt. Sie hat sich im ersten Halbjahr fast vervierfacht auf 206 Millionen Euro. Grund: Die DZ-Tochter Teambank wappnet sich wegen der schwachen Konjunktur für Kreditausfälle. Die Teambank vergibt Ratenkredite an Privatkund*innen, beispielsweise für Autos oder Elektrogeräte.

Die Dauerflaute der deutschen Wirtschaft stellt viele Firmen vor existenzbedrohende Herausforderungen. Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist deutlich gestiegen.

19.08.2024 | 01:32 min

"Die Menschen werden ärmer"

Die erhöhte Risikovorsorge deutet darauf hin, dass wegen der mauen Wirtschaftsentwicklung auch vermehrt Privatkunden in Bedrängnis geraten. "Die Menschen werden ärmer, die verfügbaren Einkommen gehen zurück", sagte DZ-Bank-Vorstandschef Cornelius Riese.
Zuletzt hatte bereits die Direktbank DKB ihre Risikovorsorge aufgestockt und dies unter anderem mit ausfallgefährdeten Konsumentenkrediten und Baufinanzierungen begründet. Auch andere Banken hatten wegen der schwachen Konjunktur in Deutschland zuletzt mehr Rückstellungen gebildet.

Die Erwartungen von Börsenprofis für die deutsche Konjunktur sind laut neuster Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im August so stark eingebrochen wie seit zwei Jahren nicht mehr.

13.08.2024 | 01:36 min
Zur DZ-Bank-Gruppe gehören neben der Verbund- und Geschäftsbank auch große Töchter wie der Versicherer R+V und die Fondsgesellschaft Union Investment. "Die breite Aufstellung kommt uns gerade in Zeiten zugute, in denen es konjunkturellen Gegenwind gibt", betont Riese.

Gegenwind, aber auch ein Hoffnungsschimmer

Gegenwind gibt es derzeit genug, auch geopolitisch. Die Wirtschaft in den USA kühlt sich ab, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten belasten.

Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Das belegen aktuelle Zahlen zur Konjunktur-Entwicklung. Viele Mittelständler leiden unter Fachkräftemangel, bürokratischem Aufwand und der Zurückhaltung bei Investitionen.

13.08.2024 | 01:34 min
Ein Fünkchen Hoffnung bleibt: Carsten Brzeski geht davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte die Konjunktur wieder anzieht. Mit einer Zurückhaltung im Weihnachtsgeschäft sei zwar zu rechnen aber spätestens nächstes Jahr sehe man das lang ersehnte Licht am Horizont.

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Quelle: ZDF
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