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: Darum geht es bei Stuttgart 21

von Anna Gürth
11.06.2024 | 02:59 Uhr
Die Bahn will Stuttgart 21 nun erst 2026 in Betrieb nehmen. Was hinter dem teuren Mega-Projekt steckt, warum es einfach nicht fertig wird und wer die Mehrkosten bezahlt.
In der Geschichte Baden-Württembergs gehört "Stuttgart 21" zu den größten Infrastrukturvorhaben überhaupt.Quelle: dpa
Der Stuttgarter Bahnhof ist Deutschlands wohl größte und umstrittenste Baustelle. Während sich Einheimische längst an lange Umwege zu den Gleisen gewöhnt haben, verzweifeln Reisende regelmäßig auf der Suche nach dem richtigen Weg.
Jetzt steht fest: Bis zur Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs mit allem was dazu gehört, wird es noch (mindestens) bis Ende 2026 dauern. Aber was steckt eigentlich hinter dem Megaprojekt?

Das Projekt "Stuttgart 21" kostet deutlich mehr Geld als gedacht. Die milliardenschweren Mehrkosten von derzeit mindestens 6,5 Milliarden Euro muss die Bahn einem Gerichtsurteil zufolge alleine tragen.

07.05.2024 | 01:02 min

Was steckt hinter Stuttgart 21?

Stuttgart 21 steht für den Umbau des Bahnknotens in Stuttgart: Kilometerweise Schienenwege, Bahnhöfe, Tunnel, Durchlässe und Brücken werden und wurden neu gebaut. Das Herzstück des Projekts ist der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof - der samt Schienen unter die Erde verlegt und an den Flughafen angebunden werden soll. Die Bauarbeiten hierzu dauern.

Zum Bahnprojekt gehört aber auch die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke von Wendlingen nach Ulm. Seit Dezember 2022 ist die Strecke in Betrieb. Etwa die Hälfte der 60 Kilometer verläuft in Tunneln, Reisende sparen 15 Minuten Fahrzeit.
In der Geschichte Baden-Württembergs gehört S21 zu den größten Infrastrukturvorhaben überhaupt. Die Projektpartner der Bahn sind der Bund, das Land Baden-Württemberg, Region und Stadt Stuttgart und der Stuttgarter Flughafen.

Ursprung des Namens "Stuttgart 21"

Die Bezeichnung "Stuttgart 21" erinnert daran, dass das Bauvorhaben seinerzeit parallel mit anderen Bahn-Projekten wie "München 21" und "Frankfurt 21" angestoßen wurde, die allerdings mittlerweile im Sande verlaufen sind. 21 soll auf die Zukunftsbedeutung des Vorhabens im 21. Jahrhundert hinweisen - und nicht wie viele glauben, darauf, dass die Fertigstellung für das Jahr 2021 geplant war.

Quelle: dpa, ZDF

Warum ist Stuttgart 21 so umstritten?

Seit Beginn der Planungen in den 90ern gibt es Proteste gegen Stuttgart 21. Die Gegner fordern einen Bürgerentscheid - dazu kommt es nicht. Stuttgart 21 wird im Jahr 2009 final beschlossen, ein Jahr später beginnt der Bau.
Regelmäßig finden sogenannte Montagsdemonstrationen statt. Immer mehr Menschen nehmen teil. Zehntausende kritisieren mangelnde Transparenz, fehlende Bürgerbeteiligung und hohe Kosten.

Seit Jahren ist klar: "Stuttgart 21" wird sehr viel teurer als geplant. Von ursprünglich 2,5 Milliarden auf mindestens elf Milliarden Euro.

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2010 eskalieren die Auseinandersetzungen, als die Polizei im Stuttgarter Schlossgarten Reizgas, Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen Demonstrierende einsetzt. Mehr als 180 Menschen werden verletzt, darunter Rentner und Jugendliche.
Es folgten ein vorübergehender Baustopp, öffentliche Schlichtungsrunden und eine Volksabstimmung, bei der die S21-Gegner eine knappe Niederlage erleiden. Bis heute kritisieren Gegner das Projekt als klimaschädlich, bemängeln Brandschutz und Leistungsfähigkeit.

Warum wird Stuttgart 21 einfach nicht fertig?

Geplant war eigentlich einmal Dezember 2019. Jetzt steht fest: Mittlerweile geht die Bahn von einer Inbetriebnahme des neuen Bahnknotens im Dezember 2026 aus. Ob dieser Termin zu halten ist, bleibt abzuwarten.
Gründe sind unter anderem Probleme beim Einbau der digitalen Infrastruktur im neuen Bahnknoten, Fehlplanungen der Bahn und Verzögerungen beim Innenausbau der Bahnhofshalle.

Wie teuer ist Stuttgart 21 wirklich?

Fest steht: Die Kosten sind explodiert. Ging die Bahn Anfang der 2000er von 2,6 Milliarden Euro aus, betragen die Kosten heute wohl mindestens 11 Milliarden. Kritiker des Projekts hatten schon vor über zehn Jahren Gutachten vorgelegt, die von 10 Milliarden Euro ausgingen.
Die vielen Projektbestandteile sind per se teuer. Neue technische Anforderungen verlangen in den letzten Jahren zudem immer wieder Nachbesserungen. Und: Die Architekten haben bei ihrer Planung spektakuläre Entwürfe vorgelegt - statt einfachen Säulen wurden futuristische Kelchstützen gebaut, Stahl-Glas-Lichtaugen sollen Tageslicht in die Bahnsteighallen bringen.

"Stuttgart 21" – Deutschlands größte Baustelle, technisch enorm anspruchsvoll und immer noch umstritten.

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Und wer soll das zahlen? 2009 hatte die Bahn mit ihren Projektpartnern vereinbart, dass gemeinsam Kosten von bis zu 4,5 Milliarden Euro übernommen werden. Über die Mehrkosten stritten Bahn und Land vor Gericht. Das urteilte im Mai: Die Mehrkosten von mindestens 6,5 Milliarden Euro muss die Deutsche Bahn tragen.

Stuttgart 21: Meisterwerk oder Millionengrab?

Einigkeit gibt es bei dieser Frage nicht. Die Bahn verspricht unter anderem einfacheres und schnelleres Umsteigen, einen besseren Regionalverkehr und deutlich kürzere Fahrzeiten. Vor allem aber stehe Stuttgart 21 für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart und sei damit "viel mehr als ein Bahnhof".
Die Gegner verweisen hingegen weiter auf verschlungene Millionen, Sicherheitsrisiken und Fehlplanungen. Der zentrale Kritikpunkt: Zu wenig Gleise. An eine Erhöhung der Leistung sei so "überhaupt nicht zu denken". Bis heute demonstrieren sie regelmäßig gegen Stuttgart 21.
Anna Gürth ist Reporterin im ZDF-Studio Baden-Württemberg.

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