: Wie geht es weiter in der Tourismusbranche?

von Anne Stadtfeld
01.01.2024 | 16:21 Uhr
Gestiegene Energiepreise und Arbeitskräftemangel setzen der Tourismusbranche zu. Das Konzept "Workation" verbindet Arbeit und Urlaub. Könnte das die Umsätze wieder ankurbeln?

Die Übernachtungszahlen sind so hoch wie auf Vor-Corona-Niveau. Viele Hoteliers klagen trotzdem: Sie fahren Verluste ein. Auf Rügen startet jetzt ein neues Tourismus-Projekt: Homeoffice im Hotel.

27.12.2023 | 02:34 min
Raus aus dem Homeoffice - rein ins Gemeinschaftsbüro mit Hotel von Hannes Trettin, an der Boddenseite Rügens in Lietzow. Die Mischung aus Arbeit und Urlaub nennt der Start-up-Gründer "Workation".
Lassen sich durch Konzepte wie dieses die mauen Corona-Jahre in der Tourismus- und Gastronomie-Branche wieder wettmachen?

Mit "Workation" Umsätze steigern

Für Trettin ist "Workation" das Tourismus-Konzept der Zukunft. Denn: Sein Geschäft ist dadurch unabhängig von der Urlaubssaison, das steigert die Umsätze ganzjährig.
Was dabei hilft, dass Mitarbeiter das ganze Jahr da bleiben können und nicht nur für die drei Monate im Sommer herkommen.
Start-up-Gründer Hannes Trettin
2022 haben etwa 25 Prozent aller Arbeitnehmenden in Deutschland zum Teil im Homeoffice gearbeitet. Eine Chance? Trettins Haus auf Rügen ist fast dauerhaft ausgebucht: "Wir sind 2020 mal mit zwölf Zimmern gestartet, da hatten wir 36 Schlafplätze." Im vergangenen Jahr sind noch 13 weitere Apartments gebaut worden. Außerdem betreibt er zusätzlich Co-Working-Spaces, also Gemeinschaftsbüros, integriert in 25 Hotels deutschlandweit.

Gäste kommen aus der ganzen Welt

Genutzt wird Trettins "Workation"-Alternative von Menschen aus der ganzen Welt. Unter den Gästen sind aber auch Einheimische, die ihr Homeoffice tageweise verlagern, wie Tobias Kind: "Es gibt häufig neuen Input, weil man neue Leute kennenlernt aus Vietnam, aus England."
Für Anja Müller ist das mobile Arbeiten zum Lebensstil geworden, sie arbeitet freiberuflich als Übersetzerin:
Ich bin immer auf der Suche nach Plätzen, wo ich das verbinden kann: Reisen und Arbeiten.
Freiberuflerin Anja Müller
Besonders die ergonomischen Arbeitsplätze im Co-Working-Space sind für Müller wichtig.

Homeoffice ist mittlerweile Normalität, allerdings mit Konsequenzen für so manchen Büroturm: Verwaiste Arbeitsplätze waren ein Thema bei der Immobilienmesse in Hannover im Mai.

25.05.2023 | 01:28 min

Start-ups auf Rügen gegründet

Die Gäste beleben die gesamte Region. "Geschäfte drumherum können nicht nur in der Saison offen haben", sagt Hannes Trettin. Außerdem erzeugt das Netzwerk Geschäftsideen:
27 Start-ups haben sich in den vergangenen Jahren auf Rügen gegründet.
Start-up Gründer Hannes Trettin

Verluste in der Tourismusbranche

Klar ist aber auch: Nach den Krisenjahren wegen der Corona-Pandemie fährt die Tourismusbranche das vierte Jahr in Folge Verluste ein. Auch der Arbeitskräftemangel setzt den Betrieben zu.
Guido Zöllik, Bundespräsident der Dehoga, fordert vom Bund "schnellere und einfachere Zuwanderung von Mitarbeitern nach Deutschland."

Der Tourismus in Südeuropa boomt, doch die Urlaubs-Regionen suchen dringend Personal.

14.07.2023 | 02:15 min

Branchen-Dilemma: Gesunkene Erträge trotz gestiegener Preise

Obwohl die Preise in der Tourismusbranche im Schnitt um zehn Prozent gestiegen sind, kämpfen die Betriebe mit gesunkenen Erträgen. Der Grund: erhöhte Energie- und Lebensmittelpreise sowie Personalkosten, sagt Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Landestourismusverbandes MV:
Das heißt in einer Branche, die ohnehin nicht so ganz in der Gewinnzone fährt, tut es weh, wenn die Erträge sinken.
Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Landestourismusverbandes MV
In Mecklenburg-Vorpommern sind die Übernachtungszahlen mit knapp 27 Millionen bis Ende September dafür fast wieder auf Vor-Corona-Niveau.
Die Rückerhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent auf Speisen im Restaurant bedeute, "dass noch mehr abgeschafft wird an Leistungen, was man anzubieten hat und letztendlich wird es erhebliche Preissteigerungen geben müssen", sagt Dehoga-Chef Zöllik. Er befürchtet die Schließung von 12.000 Betrieben bundesweit.

Corona, Inflation, Personalmangel: Deutschlands Kneipen und Restaurants sind seit Jahren in der Krise. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten berät über Auswege.

13.11.2023 | 01:29 min

"Panikmache" vermeiden

"Falsch und übertrieben" nennt Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung diese Befürchtung. Für ihn gebe es keinen Grund, die Subventionierung einer einzelnen Branche aufrechtzuerhalten. "Die Corona-Pandemie ist vorbei", sagt er.
Die Probleme, die wir häufig in der Gastronomie sehen, haben wenig mit der Mehrwertsteuer zu tun. Vielmehr mit dem veränderten Verhalten, gerade im Reiseverhalten der Menschen.
Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
Warum sollte die "Gastronomie jetzt besser gestellt werden, als andere Branchen", wie zum Beispiel der Einzelhandel, fragt Fratzscher. Denn durch die Senkung der Mehrwertsteuer hatte der Staat auf etwa drei Milliarden Euro verzichtet.
Kreative Wege aus der Krise sind also im Tourismus gefragt - Hannes Trettins "Workation"-Konzept könnte helfen, die Branche wieder anzukurbeln. Arbeiten mit Boddenblick, wie in seinem Co-Working Space auf Rügen.

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