: Warum der Bahn-Konflikt feststeckt

von Hansjürgen Piel, Berlin
24.01.2024 | 20:52 Uhr
Die GDL streikt länger und häufiger als früher. Verhandelt wurde dagegen bisher fast gar nicht. Der Konflikt steckt fest. Das hat auch mit einer "unsichtbaren Dritten" zu tun.
In Deutschland stehen viele Züge wieder still. (Archivbild)Quelle: Lennart Preiss/dpa
Der Ton ist so rau wie lange nicht mehr in Tarifrunden bei der Deutschen Bahn. Als "Trickser und Täuscher" beschimpft GDL-Chef Claus Weselsky DB-Personal-Vorstand Martin Seiler. Der unterstellt dem Gewerkschafts-Vorsitzenden, allein auf Eskalation aus zu sein. Unklar, wie sich die Verhandlungsführer bei künftigen Gesprächen noch in die Augen sehen sollen.

Der Tarifkonflikt zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn ist festgefahren.

24.01.2024 | 01:50 min

Bahnstreik: Zerklüftete Fronten

Wolfgang Schroeder vom Wissenschaftszentrum Berlin sieht im verbalen Schlagabtausch bereits einen "Gestus des Umgangs miteinander, wie er eigentlich für eine Sozialpartnerschaft sehr fremd ist. Selbst in Konflikten, die sehr zugespitzt sind und in denen es um sehr viel geht".
Aber der Tarifstreit lässt sich nicht allein auf "Lokführergewerkschaft gegen Bahnvorstand" reduzieren. Die Fronten sind zerklüfteter, die Ausgangslage komplizierter. Auch, weil es immer einen unsichtbaren Dritten gibt: die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.

Die Bahnhofshändler trifft der Streik der GDL hart. Die Umsätze brechen massiv weg. Denn wenn keine Züge fahren, sind die Bahnhöfe leer und die Läden haben keine Kundschaft.

25.01.2024 | 01:51 min

EVG macht Verhandlungen kompliziert

Vom "toxischem Trio", einer unheilvollen Dreiecksbeziehung, war schon zu lesen. Denn auch die weit größere und bisher eher moderate EVG tritt mittlerweile aggressiver auf. Im letzten Jahr hat sie gleich mehrfach gestreikt. So ringen beide Bahn-Gewerkschaften nicht nur mit dem Arbeitgeber, sondern auch erbittert miteinander um neue Mitglieder.
Alles, was die eine Gewerkschaft tarifvertraglich erzielt, hat Einfluss auf die Tarifrunde der anderen. In den Tarifverträgen bei der Bahn gibt es daher meist "Nachverhandlungsklauseln". Sollte die GDL etwa ein besseres Ergebnis erreichen als die EVG im letzten Jahr, kann diese verlangen, dass über ihren Abschluss neu verhandelt wird.

Lokführer tragen Verantwortung für Fahrgäste, ihre Arbeit ist oft anstrengend. Die GDL kämpft deshalb für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. Ein Überblick.

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Was für den Arbeitgeber bedeutet, dass jeder Punkt in den Verhandlungen auch vor diesem Hintergrund bewertet werden muss.
Denn der Elefant im Raum heißt "Tarifeinheitsgesetz" (TEG), demzufolge in einem Betrieb jeweils nur der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft gelten soll.

Wie viele Mitarbeiter sind gewerkschaftlich organisiert?

Wäre eigentlich leicht umzusetzen, wenn offen läge, wie viele Mitglieder die eine oder andere Gewerkschaft in einem Unternehmen hat. Doch wer in welcher Gewerkschaft Mitglied ist, darf der Arbeitgeber nicht erfragen. Die Bahn schätzt die Zahlen daher anhand von Betriebsrats-Wahlergebnissen, die Lokführergewerkschaft geht dagegen juristisch vor.

Was macht eigentlich ein Fahrdienstleiter?

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Es muss der GDL also an Wachstum und neuen Mitgliedern gelegen sein, wenn sie ihren Einfluss erweitern will. Vor diesem Hintergrund ist das erklärte Ziel zu verstehen, in dieser Tarifrunde auch für Beschäftigte der Infrastruktur Tarifverträge auszuhandeln. Konkret geht es um Fahrdienstleiter in Leitstellen und Stellwerken, die überwiegend bei der EVG organisiert sind.

Weselsky pocht auf Organisationsfreiheit

Die Bahn lehnt Gespräche über Tarifverträge für diese Berufsgruppen mit dem Argument ab, dass die GDL hier zu wenig Mitglieder habe - ein Tarifvertrag also laut TEG nicht zur Anwendung kommen würde.
ZDFheute Infografik
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GDL-Chef Weselsky pocht dagegen auf Organisationsfreiheit und wirft der Bahn "Ausgrenzung dessen, was wir grundgesetzlich verbrieft haben" vor.
Den Tarifvertrag für Fahrdienstleiter werden wir abschließen - klare Kante.
Claus Weselsky, GDL-Chef

"Was die Bahn hier macht, ist nichts anderes als die Ablehnung aller Forderungen", so Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer.

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Experte: Tarifeinheitsgesetz fördert Gewerkschaftswachstum

Gewerkschaftsexperte Wolfgang Schroeder hält das ebenfalls für "vollkommen legitim". Das Tarifeinheitsgesetz wirke dabei wie eine Aufforderung:
Werde stärkste Gewerkschaft auch in Bereichen, wo du es jetzt noch nicht bist. Und was kann man dafür besser nutzen als eine Tarifrunde, die eigentlich einen ganz anderen Gegenstand hat.
Prof. Wolfgang Schroeder, Wissenschaftszentrum Berlin
Fahrdienstleiter wären auch bei Streiks wertvoll. Denn während ein Lokführer nur einzelne Züge stillstehen lassen kann, können streikende Fahrdienstleiter das gesamte Netz - inklusive Privatbahnen lahmlegen.

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