: Die Crux des klimaneutralen Fliegens bis 2050

21.11.2023 | 11:44 Uhr
Die Luftfahrtindustrie möchte bis 2050 Wachstum und Klimaschutz vereinen. Dabei werden nachhaltige Kraftstoffe und Emissionshandel alleine jedoch nicht ausreichen.
Die Luftfahrtindustrie will Fliegen und Nachhaltigkeit verbinden.Quelle: dpa
Die Ziele der Luftfahrtindustrie für mehr Klimaschutz sind hochgesteckt: Bis zum Jahr 2050 will die Branche sowohl doppelt so viel fliegen wie heute als auch kohlendioxidneutral sein. Ist das realistisch?
Caroline Drischel, die Verantwortliche für Nachhaltigkeit bei der Lufthansa, ist da zuversichtlich.
Wir glauben an Technologie - dass technologische Fortschritte kommen werden, sei es in der Triebwerkherstellung, sei es in der Flugzeugherstellung, sei es im Bereich Wasserstoff.
Caroline Drischel, Head of Corporate Responsibility, Lufthansa

Nachhaltigkeit wird ausgelagert

Doch was sagen die aktuellen Zahlen? Tatsächlich sind die jährlichen Emissionen von Lufthansa derzeit noch so hoch wie der CO2-Ausstoß von einem Fünftel des deutschen Autoverkehrs. Bis 2030 will die Airline auf die Hälfte der Emissionen von 2019 kommen und trotzdem weiter wachsen.
Durch Technologie kann Lufthansa zudem nur 15 Prozent der Emissionen reduzieren. Der Großteil soll kompensiert werden. Durch EU-Emissionshandel oder Kompensationsprojekte wird das Mindern der Treibhausgase an andere Unternehmen ausgelagert.

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Bis 2030 erwartet die Lufthansa außerdem höhere Effizienz. So soll der Kraftstoffverbrauch durch neue Flugzeuge sinken oder durch Optimierung der Triebwerke. Auch nachhaltige Kraftstoffe, sogenannte SAF (Sustainable Aviation Fuel), sollen helfen.

Problem vor allem hoher Flugverkehr

Doch die bisherigen Effizienzsteigerungen wurden vom wirtschaftlichen Wachstum aufgezehrt. Jakob Graichen, Luftfahrtexperte am Berliner Öko-Institut, sieht die Lösung allein in der Reduzierung des Flugverkehrs.
Wenn wir das mit dem Klimaschutz ernst nehmen, dann dürfen wir nicht mehr so viel fliegen, wie heute geflogen wird.
Jakob Graichen, Luftfahrtexperte, Öko-Institut Berlin
Weltweit steigt die Anzahl der Flüge. Die Internationale Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen verlangt von den Airlines jedoch keine CO2-Reduktion. Sie sollen nur einen sehr kleinen Teil ihrer Emissionen kompensieren. Und zwar die über dem Niveau von 2019.
Ein weiteres Problem stellen die sogenannten Nicht-CO2-Emissionen dar. Dazu gehören Kondensstreifen, Stickoxide und Ruß - diese Stoffe machen zwei Drittel der klimaschädlichen Flugabgase aus, werden bisher aber nicht reduziert. Erst ab 2028 will die EU die Nicht-CO2-Emissionen in den Emissionshandel aufnehmen.

Alternative Kraftstoffe der Zukunft

Die Entwicklung alternativer Kraftstoffe dauert zudem weiterhin an. Emissionsfreie Wasserstoffmaschinen klingen noch immer nach ferner Zukunft. Kleine Elektroflugzeuge gibt es zwar schon, doch die Umsetzung für große Maschinen für längere Strecken scheitern bisher am Gewicht der Batterien.

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Eine weitere Möglichkeit ist Frittierfett. Daraus wird nachhaltiges Kerosin hergestellt. Die EU hat dafür bereits Pläne. Ab 2025 sollen zwei Prozent zum Benzin beigemischt werden. Bis 2050 sollen es siebzig Prozent sein. Biokerosin gilt als nachhaltig, weil es aus tierischen Fettresten, wie Schlachtabfällen oder Frittierfett hergestellt wird oder aus CO2-absorbierenden Pflanzen.

Kerosin bringt weitere Schwierigkeiten

Doch auch für Tierfutter, Kosmetik und Biodiesel werden Altfette bereits zu hundert Prozent genutzt, so eine Studie der NGO "Transport and Environment". Würden diese Industrien auf Palmöl ausweichen, weil die Luftfahrt die Altfette braucht, droht die Vernichtung von mehr Regenwald und mehr CO2 würde emittiert werden als mit fossilem Kerosin.
Auch die Emissionen durch mehr Landverbrauch für die Ölpflanzen sind hoch. Für die Hälfte des EU-Bedarfs an nachhaltigem Kerosin wäre 2050 eine Fläche so groß wie Deutschland nötig.
Eine weitere Idee ist E-Kerosin, also nachhaltiges Flugbenzin hergestellt mithilfe erneuerbarer Energie. Noch aber gibt es so gut wie kein E-Kerosin. Um den globalen Flugverkehr heute damit zu versorgen, bräuchte es den gesamten grünen Strom weltweit.
Wir schaffen die Klimaneutralität tatsächlich nur in der Kombination aus deutlicher Nachfragereduktion und deutlich mehr Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen.
Jakob Graichen, Luftfahrtexperte, Öko-Institut Berlin

Nicht-CO2-Emissionen werden erst spät reduziert

Forschende rechneten im Fachjournal "Nature" vor: Wenn der Luftverkehr weiter wächst, wie die Industrie es vorhat, dann werden auch mit allen technisch möglichen Klimaschutzmaßnahmen die Flugemissionen 2050 noch genauso hoch sein wie 2021.

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