: Eindeutige Siegel statt Greenwashing

von Christian Scharun
19.11.2023 | 08:00 Uhr
Beim Einkaufen trifft man auf Siegel und Nachhaltigkeitsversprechen. Reines Greenwashing? Was muss passieren, damit Verbraucher eine nachhaltige Kaufentscheidung treffen können?

Eine Studie der Universität Göttingen hat gezeigt, dass wir Verpackungen mit Nachhaltigkeitssiegeln und grünen Marketingclaims grundsätzlich positiver bewerten als vergleichbare Produkte ohne sie. Gleichzeitig gelten jedoch mehr als die Hälfte aller Nachhaltigkeitsversprechen auf Produkten in der EU als irreführend, vage oder gänzlich unfundiert. Auch wenn diese Versprechen sehr positiv klingen, oft bekommen wir über sie keinerlei Informationen, die bei einer nachhaltigen Kaufentscheidung helfen könnten.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Bei der Studie wussten sogar nur acht Prozent der Befragten, dass der Begriff “klimaneutral” nicht bedeutet, dass bei der Produktion keine Treibhausgase entstanden sind. Im schlimmsten Fall werden wir also von den irreführenden Begrifflichkeiten oder grün-grau-braunen Verpackungen, die uns alleine durch ihre Farbe und Form den Eindruck von ökologischer Nachhaltigkeit vermitteln sollen, getäuscht.

Das grüne Image von Firmen ist oft nicht echt – und doch bedienen selbst falsche Versprechungen das Belohnungssystem unseres Gehirns.

24.09.2020 | 04:36 min

Die Bundesregierung hilft - aber nur halbherzig

Die Initiative “Siegelklarheit” des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) will dabei Licht ins Dunkel bringen. Ziel ist es, Verbraucher*innen mit Hintergrundinformationen beim Verständnis der Umweltsiegel und einer nachhaltigeren Kaufentscheidungen zu unterstützen.
Dass es alleine auf dem EU-Markt 230 verschiedene Umweltzeichen gibt, klingt erstmal gut. Viele dieser Abzeichen werden durch die Initiative zwar aufgelistet, enthalten aber keine Hintergrundinfos und können nicht mit anderen Siegeln verglichen werden. Die Auflistung und Bewertung erfolgt freiwillig. Die Herausgeber eines Siegels können dabei selbst entscheiden, wie transparent sie mit ihren Zertifizierungen umgehen.
Viele Umweltabzeichen geben also keine Auskunft über ihre Qualität. Der Versuch der Bundesregierung, Klarheit in das Wirrwarr aus Siegeln und Nachhaltigkeitsversprechen zu bringen, ist definitiv nobel - ohne strikte Regelungen und Verpflichtungen wirkt er jedoch nur halbherzig.

Greenwashing schadet Verbrauchern und Unternehmen

Es scheint heutzutage ein fast unausweichlicher Trend zu sein, dass Unternehmen sich und ihren Produkten Umweltfreundlichkeit attestieren, ob gerechtfertigt oder nicht. Das sorgt dafür, dass diejenigen Unternehmen, die wirklich lobenswerte Bemühungen in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit anstreben, für den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung nicht erkennbar sind.

Mit diesen Tricks simuliert McDonald’s Nachhaltigkeit.

24.07.2023 | 16:30 min

Ein Kochbox-Hersteller als Beispiel

Der Kochbox-Hersteller HelloFresh darf nun nach einem Urteil nicht mehr mit seiner angeblichen Klimaneutralität werben. Denn das Unternehmen kompensiert seine Treibhausgasemissionen unter anderem mit Zertifikaten des Marktführers Verra, dessen Qualitätsstandards bei der Zertifizierung von Kompensationsprojekten bereits mehrfach stark in der Kritik standen. Obgleich die Produkte und Rezepte des Kochbox-Herstellers zu einem gesünderen Lebensstil inspirieren können, gibt es insbesondere aufgrund der großen Mengen Verpackungsmüll, die beim Endverbraucher entstehen, immer wieder heftige Kritik.

Immer mehr Unternehmen werben mit "klimaneutralen" Produkten. Doch viele Angebote entpuppen sich als Mogelpackungen ohne Umweltnutzen. Klimaschutz per Etikett - was ist dran?

26.05.2023 | 17:00 min

Eine transparente Lösung

Um fundierte und transparente Aussagen über die Umweltfreundlichkeit von Produkten treffen zu können, braucht es die Betrachtung des gesamten Lebenszyklusses eines Produkts - von der Produktion über Verpackung, Transport bis hin zur Entsorgung. Es bräuchte einen EU-weiten Klimascore, der transparent erkennbar macht, ob ein Produkt mehr oder weniger umweltfreundlich ist als vergleichbare Ware. In Kombination mit strikten Gesetzen, die Greenwashing und irreführende Werbung eindämmen, könnte das den Urwald aus Siegeln und Werbeversprechen lichten.
Die EU ist mit der Vorlage eines Anti-Greenwashing Gesetzes in diesem Jahr bereits einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen und auch in Frankreich ist Greenwashing in Form von Aussagen wie “klimaneutral” oder “CO2-frei” bereits seit dem 1. Januar 2023 gesetzlich verboten.
Klar ist in jedem Fall: Die momentane Situation mit Mogelpackungen und Greenwashing auf Kosten der Verbraucher und unserer Umwelt, kann niemand ernsthaft für gut befinden.

Wasser in recyclebaren Plastikflaschen und fröhlich Benzin tanken – alles "klimaneutral". Klingt nach Bullshit? Ist es auch – es ist Greenwashing.

08.10.2023 | 32:34 min

Dr. Christian Scharun ...

... ist wissenschaftlicher Autor in der Redaktion von MAITHINK X. Wissenschaftliche Inhalte kommuniziert er auf unterhaltsame Art und Weise auch bei Science Slams sowie auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken. 2022 konnte er mit "FameLab Germany" einen der größten Wettbewerbe für Wissenschaftskommunikation gewinnen. Neben seiner Passion zur Wissenschaft selbst war Christian Scharun als Klimaforscher aktiv. Dabei beschäftigte er sich mit den Emissionen von Treibhausgasen und simulierte mit Klimamodellen ihren Beitrag zur globalen Erwärmung.

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