: Urteil zu Klima-Labels auf Produkten

von Jan Henrich
29.07.2023 | 07:13 Uhr
Aufdrucke wie "klimaneutral" auf Produkten versprechen oft mehr, als sie einlösen können. Ein Gericht hat nun in einem Fall der Drogeriemarktkette dm die Werbung damit untersagt.
"Klimaneutral" - macht sich gut in der Werbung, ist aber manchmal irreführend.Quelle: ZDF
Egal ob bei Hygieneartikeln, Lebensmitteln oder sogar Heizöl - immer mehr Unternehmen werben damit, dass ihre Produkte vermeintlich klimaneutral sind. Doch hinter der Behauptung kann sich vieles verbergen. Immer öfter landet die grüne Werbung daher vor Gericht.
Nun hat das Landgericht Karlsruhe in einem Verfahren gegen die Drogeriemarktkette dm entschieden, dass der Begriff "klimaneutral" und ein entsprechendes Logo nicht mehr auf Artikeln wie Flüssigseife, Sonnenmilch oder Cremedusche des Unternehmens stehen darf. Und auch die Bezeichnung "umweltneutrales Produkt" kann irreführend sein, so das Urteil.

Immer mehr Unternehmen werben mit "klimaneutralen" Produkten. Doch viele Angebote entpuppen sich als Mogelpackungen ohne Umweltnutzen. Klimaschutz per Etikett - was ist dran?

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Ausgleichszahlungen an Waldschutzprojekte sind nicht ausreichend

Um die Aufschrift "klimaneutral" tragen zu können, hatte sich die Drogeriemarktkette bei dem Unternehmen ClimatePartner zertifizieren lassen. Treibhausgase, die bei der Herstellung der Produkte entstehen, sollten durch Zahlungen an bestimmte Projektpartner kompensiert werden, unter anderem für ein Waldschutzprojekt in Peru.
Für das Landgericht reicht das nicht aus. Auch wenn der Schutz des Waldes durch solche Vorhaben wichtig sei, dauerhaft ließen sich CO2-Emmissionen damit nicht ausgleichen.
Der Verbraucher erwartet, dass eine Kompensation von Emissionen, die im Ergebnis zur Klimaneutralität des Produkts führen soll, diese auch tatsächlich bewirkt.
Mitteilung des Landgerichts Karlsruhe
Denn meist sind die Projekte zeitlich begrenzt. Danach ist offen, was mit den geschützten Waldgebieten geschieht. Die CO2-Emmissionen verbleiben aber länger in der Atmosphäre.

Die fragwürdigen Versprechen des Discounters

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Gericht: Bezeichnung "umweltneutrales Produkt" irreführend

Auch die Verwendung der Bezeichnung "umweltneutrales Produkt" sei irreführend, so das Gericht, da nicht alle Umweltauswirkungen in die Bilanz mit einbezogen werden. Daran ändere auch eine Erklärung im Kleingedruckten nichts.
Für Rechtsanwalt Remo Klinger ist das Urteil wegweisend. Er vertritt die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die gegen dm geklagt hatte. Die übertriebenen Behauptungen seien problematisch, sagt er dem ZDF. Denn es entstehe der Eindruck, dass sich Umweltnachteile in Geld umrechnen und dann einfach mit Renaturierungsprojekten ausgleichen lassen. Ein echter Ausgleich sei das allerdings nicht. Zudem gebe es auch dort Unstimmigkeiten.
Viele der Projekte sind nicht in der Lage das zu halten, was versprochen wird.
Rechtsanwalt Remo Klinger
Es ist nicht das einzige Verfahren, dass Klinger und die DUH derzeit mit dem Vorwurf "Greenwashing" führen.

Drogeriemarktkette dm erwägt Rechtsmittel gegen Urteil

Die Drogeriemarktkette erwägt nach Auskunft von Chef Christoph Werner, Rechtsmittel einzulegen. "Das Urteil werden wir uns genau anschauen. Dann prüfen wir, ob das sinnvoll ist", sagte der Vorsitzende der dm-Geschäftsführung der Deutschen Presse-Agentur. Werner verwies auf ein Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) 20 Tage zuvor, das dem Fruchtgummihersteller Katjes erlaubt hatte, seine Produkte mit dem Label "klimaneutral" zu bewerben. "Die Rechtsauffassung, was deklariert werden kann und wie es deklariert werden kann, bildet sich noch", sagte der Manager.

Wenn Unternehmen Geld für Ausgleichsmaßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz ausgeben, wirke sich das auf den Preis der Produkte aus, sagte Werner. "Dann muss man das aber auch sagen dürfen." Es gehe nicht darum, Kunden und Kundinnen in die Irre zuführen. "Das war auch nie unsere Absicht", betonte er. Aber wenn zwei ähnliche Artikel unterschiedlich viel kosten, weil in einem Fall etwas für die Umwelt getan werde, seien sie eben nicht das Gleiche. "Wenn die Rechtssprechung dazu führt, dass Unternehmen nichts mehr in diese Richtung machen, haben wir als Gesellschaft nichts gewonnen." Werner bekräftigte, dm wolle weiter etwas fürs Klima tun und in diesem Bereich innovativ sein. "Da kann es passieren, dass man auch mal von der Umwelthilfe angeschossen wird."

Quelle: dpa

Mehrere Gerichtsverfahren rund um "Greenwashing"

Seit einigen Jahren schauen Umwelt- und Verbraucherschutzverbände bei den Klima-Versprechen der Unternehmen genauer hin. Auch die Wettbewerbszentrale zog schon mehrmals gegen Werbung mit der Bezeichnung "klimaneutral" vor Gericht. Der Verband fordert vor allem Transparenz. Verbraucher sollten einen besseren Überblick bekommen, wie genau Emissionen ausgeglichen oder reduziert werden.
Die Deutsche Umwelthilfe geht mit ihren Verfahren noch einen Schritt weiter. Dort sieht man grundsätzliche Probleme bei dem System der CO2-Kompensation durch Ausgleichszahlungen. Denn dadurch würden Anreize verloren gehen, um Produkte tatsächlich umweltfreundlicher herzustellen oder auf klimafreundliche Rohstoffe umzustellen.

Kann Heizöl klimaneutral werden?

Welche Auswüchse solche Kompensationssysteme annehmen können, wird an einem Verfahren deutlich, dass die DUH gegen TotalEnergies geführt hat. Das Energieunternehmen hatte "klimaneutrales" Heizöl beworben. Kunden hätten die Möglichkeit, "gegen einen Aufpreis von nur 1 Cent pro Liter ihren kompletten Heizölbedarf klimaneutral zu stellen".
Das Landgericht Düsseldorf untersagte Anfang des Jahres die entsprechende Werbung. Das Unternehmen habe nicht ausreichend darstellen können, inwieweit die Förderung von Klimaschutzprojekten konkreten Einsparungen von Treibhausgasen gleichkommt.
Jan Henrich ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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