Update

: Historischer Regierungswechsel in Berlin?

von Wulf Schmiese
27.04.2023 | 04:22 Uhr
Klappt es mit der Wahl im Abgeordnetenhaus, wäre Kai Wegner der erste Berliner Regierungschef der CDU seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Guten Morgen,

wir sind heute Abend im "heute journal" mit einem echten Berliner zum Gespräch verabredet. Aus Spandau stammt er, ist 50 Jahre alt, gelernter Versicherungskaufmann, evangelisch, geschieden, Vater dreier Kinder. Noch führt er die Opposition im Abgeordnetenhaus an, doch heute Mittag will er Regierender Bürgermeister von Berlin werden: der erste von der CDU seit Eberhard Diepgen nach fast 22 Jahren SPD-Regentschaft.
Das ist Kai Wegner, "der lange Unterschätzte". So bezeichnet ihn Stephan Merseburger, Leiter unseres Landesstudios in Berlin, der Wegners lange CDU-Karriere kennt. Obwohl 16 Jahre im Bundestag, war Wegner nicht einmal in Berlin weithin bekannt, schon gar nicht als jemand, dem man zugetraut hätte, die SPD abzulösen. 2021 hatte er als CDU-Spitzenkandidat nur Platz drei geschafft - mit unterirdischen 18 Prozent. Bei der Wahlwiederholung in diesem Jahr reichte es dann für 28,2 Prozent, was nicht nur der Spitzenplatz ist, sondern auch das beste Berliner CDU-Wahlergebnis seit der Jahrtausendwende.
Dabei galt Wegner vielen als West-Berliner Beton. So wird über jene Konservativen gelästert, denen unterstellt wird, die Diepgen-Jahre fortsetzen zu wollen: Provinz- anstatt Hauptstadt-Politik, wenig weltoffen, auf "Multikulti" schimpfende Laubenpieperei. "Wegner will zurück ins Lummer-Land", sagte mir mal eine empörte Grüne. Sie meinte damit nicht die Augsburger Puppenkiste, sondern spielte auf Heinrich Lummer an, der in den achtziger Jahren als Innensenator vor "Überfremdung" warnte und leutselig stramm rechts auftrat.
Wegner war damals noch nicht einmal in der Schüler-Union. Aber noch vor zwei Jahren hatte ihm sein Berliner Partei-"Freund" Mario Czaja einen "riskanten Rechtskurs" vorgeworfen und ihn ideologisch nah bei Hans-Georg Maaßen verortet. Das ist deshalb pikant, weil Czaja heute Generalsekretär der Bundes-CDU ist und nun öffentlich anders über Wegner urteilt.
Wegner habe tatsächlich "überrascht mit einer Senatsriege, die so weiblich und divers ist wie noch nie", sagte mir Stephan Merseburger vor wenigen Stunden im heute journal update. Nun sei die große Frage, ob es in dieser vorgestellten Großen Koalition wirklich "zu einer neuen Kultur der Zusammenarbeit in Berlin kommen kann".
Voraussetzung dafür ist, dass Wegner auch die nötigen Stimmen bekommt heute um 12 Uhr. 86 Abgeordnete haben CDU und SPD, 80 Stimmen braucht es für die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Im dritten Wahlgang reichte auch die relative Mehrheit. Sollte es klappen, wäre ein historischer Regierungswechsel vollzogen. Denn dann wäre Berlins bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zwar abgewählt, machte aber als künftige Wirtschaftssenatorin weiter - und als Stellvertreterin des neuen Regierenden Kai Wegner. So hätten beide einstigen Gegner einander ins neue Amt verholfen.
Wie immer es ausgeht - wir werden berichten.
Einen guten Tag wünscht
Wulf Schmiese, Leiter heute journal

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Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

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Quelle: ZDF
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