: Artenvielfalt durch weniger Almkühe bedroht?
von Hannes Köhle
19.03.2023 | 20:13 UhrMehrere hundert Menschen stehen am Fuße der Talstation der Grenzwiesbahn in Bad Hindelang und haben Kuhschellen dabei. Manche so groß wie ein Kürbis, einige so klein wie ein Apfel. Eines haben alle Schellen gemeinsam: Sie machen mächtig Lärm. Es sind exakt 2.357 Kuhschellen - so viele, wie noch nie. Damit haben die Allgäuer einen neuen Weltrekord aufgestellt.
Einen Rekord mit Intention: Die Gemeinde Bad Hindelang will auf die zurückgehende traditionelle Almwirtschaft aufmerksam machen - und zeigen, wie das mit Artenschutz zusammenhängt.
Almwirtschaft fördert Artenvielfalt
Alexander Wechs schickt seine 25 Kühe jeden Sommer in die Alpen. Dort fressen sie Gras und geben Milch, die direkt am Berg in den Sennereien zu Käse verarbeitet wird. Die Tiere produzieren nicht nur regionale Lebensmittel, sondern tragen gleichzeitig zur Erhaltung der Kulturlandschaft bei, wie sie im Allgäu ihre Wiesen und Berge nennen.
Kampf gegen den Massentourismus in den Alpen. Der Berg ruft! Eine Familie startet in ein neues Leben. Und: Warum man sich beim Wandern nicht nur auf eine App verlassen sollte.
04.02.2024 | 29:10 minSeine Kühe tragen zur Artenvielfalt bei. Denn es gibt Pflanzen- und Tierarten, die nur überleben, wenn Rinder das Gras kurzhalten. Ohne sie würden die Flächen zuwachsen. Schon nach zehn Jahren würden erste Arten von anderen Pflanzen verdrängt werden.
Der Klimawandel beschleunigt das noch, weil die Pflanzen immer früher im Jahr wachsen, also länger. Doch die Landwirtschaft ist seit einigen Jahren im Wandel, immer weniger Kühe werden in die Alpen geschickt. In Zukunft hätte das Folgen:
Die Konsequenz wäre, dass ein großer Teil unserer Artenvielfalt, der auf diesen Wiesen und Weideflächen vorkommt, ausstirbt.
Die Erderwärmung wirkt sich auch auf Tiere und Pflanzen aus. Können sie sich nicht anpassen, werden sie weniger oder verschwinden ganz.
09.03.2023 | 00:53 minBald weniger Tiere auf den Almen?
Laut Landesamt für Statistik in Bayern ging die Zahl der Betriebe mit Milchkühen zwischen 2010 und 2020 um rund 15.000 zurück. Die Zahl der gehaltenen Milchkühe blieb dagegen fast gleich. Es gibt inzwischen immer weniger, dafür größere Betriebe. Das könnte auch Auswirkungen auf die Almwirtschaft haben.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Zahl der Tiere, die auf die Almen gebracht werden, geringer wird.
In den letzten Jahren war die Zahl der Tiere auf den Almen immer konstant. Viele kleinere Betriebe haben ihre Tiere traditionell in der sogenannten Kombinationshaltung gehalten: Im Winter sind die Tiere im Stall angebunden, im Sommer laufen sie frei auf der Alm.
In großen Milchbetrieben werden die Rinder hingegen häufig das ganze Jahr in einem Laufstall gehalten - diese Tiere fehlen langfristig auf der Alm. Und das hat Konsequenzen, sagt Biologin Leonie Schaefer: "Wir müssten dann Prioritäten setzen und bestimmte Bereiche in den Alpen aufgeben". Wo Rinder nicht mehr grasen, holt sich der Bergwald die Wiesen zurück.
Seit 30 Jahren erfolgreiche Almwirtschaft
Im Allgäu macht man sich um die Zukunft der Almwirtschaft noch wenig Sorgen, hier gibt es laut Alpwirtschaftlichem Verein noch eine gesunde, lebendige Almwirtschaft.
Im Vergleich zum bayerischen Durchschnitt haben in der Gemeinde Bad Hindelang viel weniger traditionelle Betriebe in den letzten Jahren aufgegeben. Das liegt unter anderem am "Ökomodell Bad Hindelang", das es inzwischen seit mehr als 30 Jahren gibt. Traditionelle Landwirte arbeiten hier mit Naturschützern und der Gemeinde eng zusammen, damit die Kulturlandschaft und ihre Artenvielfalt in den Alpen erhalten bleibt. Wolfgang Huber vom Verein Hindelang Natur und Kultur sagt:
Ein wichtiger Faktor ist, dass die Arbeit der Landwirte entsprechend wertgeschätzt wird.
Viele Landwirte würden die Almwirtschaft hauptsächlich noch aus Idealismus machen. Durch ihre Zusammenarbeit haben sie es bisher geschafft, dass noch immer genug Tiere auf den Almen grasen können.