: Die Bilderkriegerin - Leben für ein Foto
Drei Jahre in Sarajevo als Kriegsfotografin
Sendehinweis: "Die Bilderkriegerin - Anja Niedringhaus"
Zu sehen ist der Film am Dienstag, 25. Juli 2023, 22.15 Uhr im ZDF und bereits seit dem 23. Juli 2023, jeweils ab 22.00 Uhr, für 30 Tage in der ZDF-Mediathek.
Kriegsbilder für den Frieden
Über 1.600 tote Journalisten in den letzten 30 Jahren
Alles umsonst? Anja Niedringhaus und ihr Vermächtnis
Als wir uns für dieses Filmprojekt entschieden, entzog es sich jeglicher Vorstellungskraft, dass zum Sendezeitpunkt wieder ein verheerender Krieg in Europa toben würde. Dass bei der Berichterstattung vor Ort wieder Frauen und Männer ihr Leben riskieren müssen - auf ihrer schwierigen Suche nach der Wahrheit. Insofern gewinnt der Film über das Leben von Anja Niedringhaus traurige Aktualität.
Sie hat es stets abgelehnt, als Kriegsfotografin bezeichnet zu werden. Obwohl sie in dem Vierteljahrhundert ihres Schaffens immer wieder von militärischen Operationen und Schauplätzen verheerender Bürgerkriege berichtete, von dort aus ihre eindringlichsten Fotografien in die Welt schickte und dafür ihr Leben riskierte. Ihr größter Traum war, Menschen mit ihren Fotos derart aufzurütteln, dass die Bilder vielleicht sogar dazu beitragen können, Konflikte zu beenden. Am Ende wurde ihr die eigene Leidenschaft, direkt an den Brennpunkten, an vorderster Front zu berichten, zum Verhängnis. Sie wollte immer mehr als nur Ereignisse abbilden. Ihre Fotografien sind Appelle gegen Menschenverachtung und Unrecht, aber auch Ausdruck der Hoffnung auf Frieden.
Doch immer wieder plagten sie auch Zweifel, ob ihre Arbeit wirklich etwas bewirken könne, angesichts der andauernden und immer wieder aufflammenden Konflikte und Krisen. Afghanistan und seine Menschen, vor allem das wechselvolle Schicksal der Frauen, lagen ihr besonders am Herzen. Den hoffnungsvollen Aufbruch mutiger Kandidatinnen bei Parlamentswahlen begleitete sie mit ihrer Kamera, gab der Aussicht auf eine offenere Gesellschaft Namen und Gesichter.
Anja Niedringhaus wurde ermordet, als sie das Wahlgeschehen in der afghanischen Provinz 2014 fotografisch dokumentieren wollte. Tödliche Schüsse rissen sie jäh aus der Geschichte, die sie mit Leidenschaft begleitete. Und das Geschehen in dem Land nahm in den darauffolgenden Jahren einen Lauf, der all dem zuwiderlief, was die preisgekrönte Fotografin sich erhofft hatte.
Jene Bilder vom August 2021 sind unvergesslich, von Menschen, die sich am Flughafen von Kabul verzweifelt an Fahrwerke von Flugzeugen klammern, die sie außer Landes bringen sollen. Die Schritt für Schritt erkämpfte Öffnung der Gesellschaft, die mühsam erarbeitete Mitbestimmung der Frauen, ihr Chancen auf Bildung und freie Entfaltung wurden nach der Machtübernahme der Taliban wieder zunichte gemacht. Dabei hatte das Land nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs zur Ruhe kommen sollen, Wohlstand und Freiheit schienen erreichbar. Es ging darum, eine stabile demokratische Regierung, eine prosperierende Wirtschaft und vor allem Frieden zu sichern.
Zwei Jahre ist es her, dass die unfassbaren Bilder des Desasters um die Welt gingen, und was würde sich Anja Niedringhaus fragen, würde sie noch leben? War alles vergebens? Ist ihr Werk aus der Zeit gefallen?
Uns haben optimistische Antworten imponiert, die ehemalige Entwicklungshelferinnen in Afghanistan in einer ZDF-Dokumentation auf die Frage nach dem Sinn ihres Einsatzes gaben: "Unsere Arbeit ist in keinster Weise umsonst gewesen. Wir haben dort einer kompletten Generation die Möglichkeit gegeben, unsere Lebensweise, Freiheit und Toleranz kennen zu lernen, und zu erfahren, was machbar ist im Gegensatz zum Taliban-Regime". Diese Antwort hätte auch Anja Niedringhaus geben können. Ihre Fotografien vom Aufbruch in Afghanistan werden nach dem fundamentalistischen Rückfall in das Reich der Taliban noch bedeutender. Ihre Bilder zeugen davon, was in ferner Zukunft vielleicht doch noch einmal möglich sein wird. Insofern ist der Film auch Ausdruck einer Hoffnung, die nicht vergehen darf.
Peter Arens ist Leiter der ZDF-Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft. Stefan Brauburger ist Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte.