: Weniger Meereis in der Arktis geschmolzen

von Katharina Weisgerber
29.09.2023 | 18:34 Uhr
Ein Team aus Forschenden auf dem Eisbrecher "Polarstern" hat Dicke und Eigenschaften des Meereises im Nordpolarmeer erforscht. Die bange Frage: Was macht die Eisschmelze?
Der deutsche Forschungseisbrecher "Polarstern" in der Arktis.Quelle: Esther Horvath/Alfred-Wegener-Institut
Die Expedition startet unter dramatischen Vorzeichen: Hitzewellen im Atlantik, der heißeste globale Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wie wird das Eis in der Arktis aussehen, droht ein neues Rekord-Minimum im September?
"Das Jahr ist geprägt von Extremwettern, als wir losfuhren, sah es so aus, dass wir auf erhebliche Veränderungen in der Arktis gefasst sein mussten", beschreibt Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, die Ausgangslage.

Situation im arktischen Meer hat sich verändert

Am 7. September erreicht die "Polarstern" mit den Forschern aus 15 Nationen den Nordpol. Aber ein ungewöhnliches Wetterphänomen schützt die Eisfläche in diesem Jahr: Eine Kette starker Tiefdruckgebiete verändert die Eisdrift, verknüpft mit einer Zufuhr sehr kalter Polarluft. So trieb weniger Schelfeis in westliche Richtung und damit in wärmeres Wasser.

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"Wir haben sehr viel Schnee angetroffen, viel mehr als man erwarten würde im Sommer. Das arktische Meereis zeichnet sich eigentlich dadurch aus, dass der Schnee im Sommer komplett abgeschmolzen ist und das Eis mit Schmelztümpeln überzogen ist", so Expeditionsleiterin Boetius.
Mehr als zehn Zentimeter war die Schneeschicht dick und die ganze Landschaft - auch das Leben unter dem Eis bis runter in die Tiefsee - hat sich, verglichen mit den Expeditionen 2012 und 2020, wieder verändert.
Antje Boetius, Expeditionsleiterin

Viel Schnee verheißt nicht nur Gutes

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Schneeschicht wie eine Isolierung das Eis vor dem Abschmelzen schützt. Nach dem Blick von oben betrachtet die Crew mit einem Tauchroboter auch das Meereis von unten. An nur an ganz wenigen der insgesamt neun Eisstationen sind Meereis-Algen zu sehen, zu wenig Licht dringt nach unten.
"Das Eis war leer, da war nichts mehr von diesem Leben vorhanden. Und das ist eine wirklich besondere Veränderung", berichtet Antje Boetius, die 2012 bereits in diesem Gebiet unterwegs war und damals Wälder an Algen gefunden hatte. "Man kann das zusammenfassen als eine Landschaftsveränderung, die nirgendwo so schnell und so riesig vonstattengeht."

Eine neue Arktis?

Für Antje Boetius haben Wetterphänomene wie in diesem Sommer, die nicht dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre entsprechen, weitreichende Folgen für die Polarregion. Die Wissenschaftlerin spricht sogar von einer "neuen Arktis", in der Veränderungen sehr schnell von der Eis-Oberfläche bis nach ganz unten zum Meeresboden in 4.000 Meter Tiefe durchschlagen.

Das Eis wird immer weniger, die Verschmutzung der Arktis immer mehr. Schadstoffe kommen über Luftströmungen hierher. Forschende aus den Niederlanden untersuchten im vergangenen Jahr die Veränderungen.

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Antje Boetius formuliert die Notwendigkeit, sich trotz Satellitenaufnahmen vor Ort auf Expedition zu begeben - im Team mit Biologen, Physikern, Geochemikern, Glaziologen und weiteren Spezialisten:
Wir sprechen oft über Veränderungen, beschreiben physikalische Veränderungen, wie weniger Meereis oder steigende Temperaturen, dahinterstecken aber Vernetzungen mit allem Leben. Wir sind hier immer noch als Entdecker unterwegs.
Antje Boetius, Expeditionsleiterin
An diesem Samstag kehrt die "Polarstern" in ihren Heimathafen nach Bremerhaven zurück. Nach einem Check-Up in der Werft sticht der deutsche Forschungseisbrecher wieder in See, diesmal geht's in die Antarktis. Auch dort wollen die Forscher Veränderungen dokumentieren, als Augenzeugen des Arktischen und Antarktischen Klimawandels.

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