FAQ

: Warum sind die Ozeane aktuell so warm?

von Jan Schneider
19.06.2023 | 13:22 Uhr
Der pazifische und der atlantische Ozean sind aktuell ungewöhnlich warm. So warm, dass viele Forscher besorgt sind. Was ist für den Temperaturanstieg verantwortlich?
Die Ozeane weisen derzeit ungewöhnlich hohe Temperaturen an der Wasseroberfläche auf.Quelle: imago
Das Oberflächenwasser in den Ozeanen ist seit Mitte März im weltweiten Mittel so warm wie noch nie. Die im Nordatlantik gemessenen Temperaturen sind die höchsten, die um diese Jahreszeit seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen vor 40 Jahren gemessen wurden.
Klimaforscher*innen äußerten sich mit Blick auf die Messwerte erstaunt und beunruhigt. Denn sowohl die Intensität der Erwärmung als auch die räumliche Ausdehnung in den Ozeanen ist außergewöhnlich. Doch woran liegt das? Was lässt die Temperaturen so schnell ansteigen?

Wie kommt es zu dem Temperaturanstieg in den Meeren?

Es handelt sich bei den extremen Meerestemperaturen höchstwahrscheinlich um ein "Zusammentreffen mehrerer Faktoren", meint der Klimawissenschaftler Stefan Rahmsdorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Hauptgründe für den Anstieg sieht Rahmsdorf klar in der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung durch die Treibhausgasemissionen. Dadurch würden "die Meerestemperaturen immer weiter aus dem natürlichen Schwankungsbereich hinaus" geraten.
Hinzu kommt das Wetterphänomen El Niño, welches laut US-Wetterbehörde Anfang Juni begonnen hat. El Niño tritt alle zwei bis sieben Jahre auf und kann die globalen Temperaturen zusätzlich erhöhen. Das Wetterphänomen führt meist zu starker Trockenheit in Australien, Indonesien und Teilen Südasiens, während es in einigen Regionen Afrikas und Südamerikas, im Süden der USA und in Zentralasien für stärkere Niederschläge sorgt. Unklar ist allerdings aktuell, wie groß der Einfluss des Wetterphänomens auf den Temperaturanstieg ist.

Während des Wetter-Phänomens El Niño kommt es zu Wetterextremen im Pazifikraum. Das hat verheerende Folgen.

31.05.2023 | 01:32 min
Dietmar Dommenget von der School of Earth, Atmosphere and Environment im australischen Melbourne sagt allerdings:
Man kann ausschließen, dass die relativ warmen globalen Oberflächentemperaturen des Wassers oder auch im Nordatlantik allein durch natürliche Schwankungen entstanden sind. Die Wahrscheinlichkeit ist praktisch null.
Dietmar Dommenget, School of Earth, Atmosphere and Environment in Melbourne

Welchen Einfluss haben Passatwinde und Strömungen?

Es gibt noch weitere Faktoren, die laut Rahmsdorf und anderen Forschenden für die höheren Temperaturen in den Ozeanen verantwortlich sein könnten.
  • Zum einen gelangt aktuell durch den eher schwachen Passatwind ungewöhnlich wenig Saharastaub in der Luft über den östlichen Atlantik. Dadurch ist die Luft über dem Meer sauberer und lässt mehr Sonnenstrahlen auf die Wasseroberfläche treffen.
  • Einen vergleichbaren Effekt haben die geringeren Abgasemissionen von Schiffen: Seit einigen Jahren nutzen viele Schiffe im transatlantischen Verkehr fossile Brennstoffe, die weniger Schwefel in den Abgasen enthalten. Damit sind weniger Aerosole in der unteren Atmosphäre, sodass wie beim Staub aus der Wüste ein kühlender Effekt wegfällt. Allerdings wurden diese Emissionen über Jahre nach und nach reduziert, was daher nicht unbedingt die plötzliche extreme Erwärmung erklärt.
  • Ebenfalls eine Rolle könnte die abgeschwächte Strömung in den Ozeanen spielen, zum Beispiel im atlantischen Subtropenwirbel. Der Effekt dieser Abschwächung muss aber noch weiter untersucht werden.
Wie relevant und stark der jeweilige Beitrag dieser Phänomene ist, ist derzeit noch nicht quantifiziert.
Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

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Welche Folgen kann die Ozean-Erwärmung haben?

Ganz kurz gesagt: Es wird heißer. "Es wird wahrscheinlich eines der global wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessung werden", meint Dietmar Dommenget von der Universität in Melbourne: Die warmen Oberflächentemperaturen der Meere werden zu noch stärkeren Erwärmungen der kontinentalen Oberflächentemperaturen führen, da das kontinentale Klima sehr sensibel auf die Oberflächentemperaturen der Meere reagiert.
Diese Ansicht teilt auch die Leiterin der Klimamodellierung am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, Johanna Baehr. Unabhängig von der Ursache der jeweiligen regionalen Ozeanerwärmungen würden diese das jeweilige Wetter in den angrenzenden Ländern beeinflussen.
Auch wenn eine konkrete Vorhersage mit Unsicherheiten behaftet ist, wissen wir, dass Temperaturschwankungen im Ozean das Auftreten von Hitzewellen, Dürren und Starkniederschlägen – je nach Region – begünstigen können.
Johanna Baehr, Universität Hamburg
Auf lange Sicht wird sich die aktuelle Erwärmung weiter fortsetzen. 2024 wird voraussichtlich auch eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessung und höchstwahrscheinlich weitere Temperaturrekorde einstellen. Dieser Prozess, so Klimaforscher Rahmsdorf, wird sich so lange fortsetzen, bis die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen auf Netto-Null reduziert hat und das Klima sich stabilisieren kann.

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