: Liegt Berlin bald nicht mehr an der Spree?

von Christhard Läpple
01.08.2023 | 10:39 Uhr
Berlin liegt an der Spree. Doch wie lange noch? Denn der Fluss trocknet aus. Was das Ende des Tagebaus in der Lausitz damit zu tun hat - und welche Lösungsansätze es gibt.
Die Oberbaumbrücke in Berlin liegt mitten in der Spree - noch. Schleusen halten den Pegel.Quelle: 314595158
In Berlin läuft vieles anders als im Rest Deutschlands - aktuell gilt das auch für die Spree. Mindestens drei Wochen im Jahr fließt der Hauptstadtfluss rückwärts - statistisch gesehen. Eine Folge der Trockenheit.
Das Problem: Es fällt zu wenig Regen. In Deutschland fehlt mittlerweile die Niederschlagsmenge eines ganzen Jahres. Laut Heiko Paeth, Klimaforscher an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, müsste es ein Jahr durchregnen, um alte Grund- und Oberflächenwasserpegel zu erreichen.
Wir brauchen nicht nur eine Energie-, wir brauchen eine Wasserwende.
Heiko Paeth, Klimaforscher

Wenn die Spree rückwärts fließt

Die jetzige Umkehr der Fließrichtung erklärt sich aus der Wasserregulierung der Hauptstadt. Zahlreiche Schleusen halten den Pegel trotz Nachschubmangels ungefähr konstant. Hinzu kommt der kräftige Zufluss gereinigter Abwässer aus den Klärwerken - das Trinkwasser stammt aus Tiefbrunnen, abgeleitet wird in die Spree.
Der Kohleausstieg sorgt für Wasserprobleme. Entweder der Wasserspiegel steigt oder er fällt viel zu tief:

Wo keine Braunkohle mehr gebaggert wird, verändert sich der Wasserhaushalt.

17.04.2021 | 04:04 min
Nach Zahlen der Berliner Senatsumweltverwaltung bewegte sich das Flusswasser im letzten Jahrzehnt an insgesamt 211 Tagen in die falsche Richtung. Das macht durchschnittlich 21 Mal im Jahr.

Bergbau führte der Spree mehr als die Wassermenge des Bodensees zu

Für das Austrocknen der Spree gibt es aber noch einen weiteren Grund - und der hängt mit dem Ende des Tagebaus in der Lausitz zusammen. Seit aus den Schächten des Lausitzer Braunkohlebergbaus immer weniger Wasser in den Oberlauf gepumpt wird, reduziert sich die Wassermenge des Flusses.
Eine neue Studie des Umweltbundesamtes sieht daher gewaltige Aufgaben für die Wasserversorgung, wenn mit Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz bis zu 75 Prozent weniger Wasser in trockenen Sommermonaten in die Spree gepumpt wird. Das hat Konsequenzen für den Spreewald sowie die gesamte Trinkwasserversorgung in der Hauptstadtregion.
In der Regel kommen mindestens 50 Prozent der Wasserzufuhr aus dem Tagebau in der Lausitz. Es handelt sich um das sogenannte Sümpfungswasser. Grundwasser, das abgepumpt wird, um Braunkohleabbau zu ermöglichen. Davon profitiert die Spree seit Jahrzehnten. Mehr als 58 Milliarden Kubikmeter Wasser wurden in den Fluss gelenkt, mehr als die Wassermenge des Bodensees, Deutschlands größtem Trinkwasserreservoir.
Auch im Spreewald macht sich die Trockenheit deutlich bemerkbar:

Nach Ausstieg aus Kohleabbau könnte die Spree austrocknen

Mit dem für 2038 geplanten Kohleausstieg wird es definitiv zu massiven Wasserreduzierungen kommen. Was tun? Berlin benötigt einen Masterplan, soll der Fluss nicht austrocknen. Zwei Möglichkeiten kommen infrage: Wasserüberleitungen aus anderen Flüssen wie Oder, Lausitzer Neiße oder Elbe. Es gibt sogar Vorschläge, Wasser vom Bodensee nach Brandenburg zu pumpen. Doch Fernwasserleitungen sind aufwändig, kompliziert und teuer.
Bleibt als realistische Alternative nur, weiter Wasser aus den ehemaligen Lausitzer Revieren abzupumpen. Das bringt neue ökologische Zielkonflikte, vor allem für die Lausitz.

Auch Tesla in Grünheide braucht Wasser

Der Kampf um das wertvolle Gut Wasser wird sich weiter verschärfen. Mitten im Einzugsgebiet der Spree vor den Toren der Hauptstadt liegt die neue Giga-Factory Tesla. Nun will Tesla in Grünheide in einem Wasserschutzgebiet seine Produktionszahlen auf eine Million Pkw pro Jahr verdoppeln.
Tesla will seine Fabrik in Grünheide erweitern. Sorgen macht der Wasserverbrauch des Autobauers.

19.07.2023 | 02:32 min
Das zusätzlich benötigte Wasser - im Schnitt 400.000 Liter pro Auto - soll durch Recycling und Brauchwassersysteme erzielt werden, so das US-Unternehmen. "Mir fehlt jede Vorstellungskraft, woher das Wasser kommen soll", erklärt Wasser-Experte und Journalist Uwe Ritzer.

Berlin soll Wasser sparen

Wie lange wird Berlin noch an der Spree liegen? Das wird die große Herausforderung der nächsten Jahre. Die Natur sendet Notsignale. Das Umweltbundesamt schlägt Alarm. Die Politik versucht zu beruhigen.
Zum Sparen ruft Berlins neue Umweltsenatorin Maja Schreiner (CDU) auf: "Berlin wird künftig deutlich weniger Wasser zur Verfügung stehen". Und Christoph Donner, Chef der Wasserbetriebe Berlin, appelliert: "Jeder Tropfen zählt."
Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig: Niemand möchte, dass die Berliner Spree weiter in die falsche Richtung fließt. Oder am Ende sogar ganz austrocknet.

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