: Warum es einen Regenbogen Wasserstoff braucht

von Colin Devey
18.06.2023 | 07:00 Uhr
Klimaneutralen Wasserstoff herzustellen, vor allem in großer Menge, ist schwierig. Ein natürlicher, geologischer Prozess in der Erdkruste birgt da ein gigantisches Potential.

Um den Klimawandel zu verlangsamen und aufzuhalten, muss die Gesellschaft sich von der Benutzung fossiler Energieträger verabschieden. Strom aus Windkraft, aus Wasser- und Solarkraftwerken werden sicherlich ein Teil der Lösung sein. Aber dieser Strom lässt sich nur schwer speichern und in Bereichen wie Luft- oder Seefahrt ist er kaum nutzbar.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Daher werden Wasserstoff oder seine Erzeugnisse wie Ammoniak oder Methanol, als neue transportierbare, speicherbare Energieträger hoch gehandelt. Allerdings kommt Wasserstoff nicht wie Erdgas oder Kohle als Lagerstätte vor - es ist viel zu reaktiv, um lange "in freier Wildbahn" zu existieren und muss erst aus einer wasserstoffhaltigen Quelle chemisch "befreit" werden.

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Herkunft des Wasserstoffs wird in Farben klassifiziert

Diese "Befreiung" braucht Energie, die dann teilweise im erzeugten Wasserstoff selbst gespeichert ist. Klassisch (und immer noch zu 90 Prozent) wird Wasserstoff aus einer Reaktion zwischen Wasserdampf und einem fossilen Brennstoff, meist Erdgas, gewonnen. Dabei werden die Kohlenstoffatome im Brennstoff mit Sauerstoffatomen aus dem Wasser zu Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid kombiniert, es bleibt Wasserstoff über.
Der entstehende Wasserstoff wird "schwarz", "braun" oder "grau" genannt, je nachdem ob Kohle (schwarz, braun) oder Erdgas (grau) benutzt wird. Wenn das bei der Reaktion entstehende CO2 eingefangen und langfristig unterirdisch gespeichert wird, bekommt der Wasserstoff sogar die freundlicher klingende Farbe "blau" zugewiesen. Wird bei Temperaturen über 1.000 Grad Celsius Erdgas ohne Wasserdampf nur zu Wasserstoff und Kohlenstoff gespalten, heißt er "violetter Wasserstoff". Allerdings sind alle diese Arten von Wasserstoff aus fossilen Quellen keine Lösung für das Klimaproblem.

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Klimaneutraler Wasserstoff reicht nicht aus

Abhilfe kann das Spalten von Wasser mit erneuerbarem Strom ("Elektrolyse") bringen: Dabei werden die Wassermoleküle in ihre Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Wegen der erneuerbaren Energiequelle wird der Wasserstoff dann als "grün" bezeichnet. Er kann einen wichtigen Beitrag zum Energiemix der Zukunft leisten, aber momentan und in absehbarer Zeit sind die verfügbaren Mengen an erneuerbarem Strom nicht ausreichend, um alle Industrie- und Transportzweige damit zu versorgen.
Die Internationale Energiebehörde schätzt, dass im Jahre 2050 ca. 400 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr notwendig sein werden, um nicht-elektrifizierbare Prozesse zu betreiben. Mit den heutigen Elektrolyseverfahren würde das ca. 60 Prozent der gesamten momentanen Stromproduktion des Planeten konsumieren, eine Menge an Energie, die das Doppelte der heutigen Regenerativen weltweit darstellt.

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Was Rost am Fahrrad mit Wasserstoff zu tun hat

Kann die Erde uns vielleicht hier helfen, wie sie es in so vielen anderen Bereichen unseres Lebens tut? Eine Gruppe von Geolog*innen hat dazu einige interessante Rechnungen aufgestellt. Deren Kernidee ist es, dass auch Gesteine Wasserstoff aus zirkulierendem Wasser chemisch "befreien" können.
Der Schlüssel dazu ist Eisen, das sich - wie jede(r) Fahrrad- oder Autobesitzer*in weiß - mit Wasser nur allzu gerne verbindet, um Rost zu verursachen. Dabei wird aber nicht nur das Eisen angegriffen: Wasser wird in seine Einzelteile zerlegt und Wasserstoff freigesetzt.
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"Orangener Wasserstoff" im Meer

Unser Planet enthält viel Eisen. Der Erdkern mit ca. 6.000 Kilometern Durchmesser besteht hauptsächlich daraus. Auch die Gesteine, die näher an der Oberfläche liegen, enthalten mehrere Prozent des reaktiven Metalls.
In Kontakt mit Wasser und bei Temperaturen um die 200 Grad Celsius, die in nur einigen Kilometer Tiefe herrschen, reagiert dieses Eisen und setzt Wasserstoff aus dem Wasser frei. Das kennen wir Meeresforscher schon aus heißen Quellen am Meeresboden - deren Wasser enthält immer einen gewissen Anteil an Wasserstoff. Besonders dort, wo Tiefengestein nah am Meeresboden liegt. Weil bei der Reaktion Rost entsteht, wird er "orangener Wasserstoff" genannt.

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Gigantisches Wasserstoffpotential in der Erdkruste

Und wie immer bei Prozessen, die mit der Erde zu tun haben, entscheidet die Menge. Die gesamten oberen sieben Kilometer unseres Erdballs hätten das Potential, die ab dem Jahr 2050 notwendigen 400 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr für ganze 250.000 Jahre zu produzieren. Gigantische Mengen und ein gigantisches Potential.
Diese Rechnung ist allerdings hypothetisch und bedeutet nicht, dass auf der gesamten Welt mit einem schnellen Erdbohrloch nachhaltiger Wasserstoff gezapft werden kann. Aber sie zeigt, wie wichtig ein Verständnis der Erde ist.

Die Zukunft der Energie ist bunt

Dass wir uns aus dem dunklen Ecken des schwarzen, braunen und grauen Wasserstoffes heraus bewegen müssen, ist längst klar. Blauer und violetter Wasserstoff können nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zu Klimaneutralität werden. Ob am Ende orangener zusammen mit grünem Wasserstoff unser Energiehunger stillen kann, wird sich zeigen. Aber eins ist sicher - die Welt des Wasserstoffs ist bunt und vielfältig!

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Prof. Colin Devey ...

... ist Geologe, Professor für Ozeanvulkanismus am GEOMAR und Terra-X-Moderator. Er suchte schon als Vierjähriger nach Mineralien auf den Halden der Blei- und Zinkminen in seiner Heimat Nordengland. Sein beruflicher Werdegang war damit festgeschrieben – und hat ihn nach seinem Geologie-Studium über Stationen in Oxford und Nancy nach Kiel geführt. Inzwischen blickt er auf 30 Jahre Forschungsaktivität und mehr als 20 Forschungsfahrten in den verschiedenen Weltmeeren zurück. Seine Leidenschaft für Steine und das Meer ist geblieben. Fast genauso leidenschaftlich spricht Devey aber auch von seinem Stubentiger und seinen Bienen.

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