: Warum China der Schweiz abgesagt hat

von Luisa Houben, Peking
15.06.2024 | 13:42 Uhr
Fast 100 Länder treffen sich in der Schweiz zu einem Friedensgipfel für die Ukraine. Nicht dabei sind Vertreter aus China. Denn Peking verfolgt eine ganz eigene Strategie.

Schwierige Mission - in der neutralen Schweiz suchen über 90 Länder nach einer Friedenslösung für die Ukraine. Russland ist nicht eingeladen, nimmt aber Einfluss auf das Treffen.

15.06.2024 | 02:34 min
Wer beim chinesischen Außenministerium nach der Ukraine fragt, bekommt diese eine Antwort: In der Ukraine-Krise - von Krieg ist hier nicht die Rede - setze sich Peking für Friedensgespräche ein.
Wir pflegen eine enge Kommunikation mit den relevanten Parteien in der internationalen Gemeinschaft und wollen weiterhin eine konstruktive Rolle spielen.
Sprecher des chinesischen Außenministeriums
Doch beim Friedensgipfel in der Schweiz wird China nicht vertreten sein. Peking argumentiert: Ohne Russland mache das Treffen keinen Sinn.
Für den Gipfel war die Absage schon im Vorhinein ein erster Misserfolg: Die Schweiz, die Ukraine und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten Präsident Xi Jinping eingeladen und sich von dessen Teilnahme viel versprochen.
Schließlich steht Peking wie kein anderes Land eng an Moskaus Seite. Doch China verfolgt seine eigene Strategie.

In Bari endet der G7-Gipfel: Bundeskanzler Olaf Scholz spricht im Interview über das Hilfspaket für die Ukraine sowie den Umgang mit Russland.

15.06.2024 | 09:36 min

Warum hat China der Schweiz abgesagt?

Zum einen, weil Russland nicht eingeladen ist. Und zum anderen, weil der Friedensplan, der besprochen werden soll, von der Ukraine stammt und von den USA unterstützt wird.
Peking sehe darin keinen Nutzen für sich, sagt Alexander Gabuev, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center.
Der Krieg ist für China ein Problem, aber kein großes Problem. Sie können mit diesem Krieg leben. Das größere Problem wäre, wenn Putin diesen Krieg verliert.
Alexander Gabuev, Carnegie Russia Eurasia Center
Denn sollte dann eine pro-westliche Regierung in Moskau übernehmen, würde Peking ein wichtiger Partner im UN-Sicherheitsrat fehlen. Neben einer langen Grenze und engen Handelsbeziehungen verbindet die beiden Staaten ein gemeinsames Feindbild: die USA.

"Für Putin, für Russland geht es um Vernichtung der Ukraine", sagt der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev. Daher sei die Teilnahme vieler Länder am Friedensgipfel wichtig.

14.06.2024 | 05:32 min

Wen hat China dabei noch auf seiner Seite?

Statt sich am Wochenende in der Schweiz mit den USA, Deutschland oder Frankreich zu zeigen, versucht China, die Verbündeten des globalen Südens hinter sich zu versammeln.
Erst diese Woche traf sich der chinesische Außenminister Wang Yi mit seinen Amtskollegen der Brics-Staaten. Die rief er dazu auf, "mehr Verantwortung und Engagement" in der Weltpolitik zu übernehmen, und warnte vor einem "neuen Kalten Krieg".

Zu den Brics-Staaten zählen neben China und Russland, Brasilien, Indien und Südafrika, sowie Ägypten, die Arabischen Emirate, Iran und Äthiopien. Sie sehen sich als die Vertreter des globalen Südens, als Gegenpol zum Westen - allen voran den USA.
"Die Brics sind für China im Ukraine-Konflikt sehr nützlich", sagt China-Experte Gabuev. Viele seien weder enge Verbündete der Ukraine noch Russlands und offen für eine andere Lösung als die des Westens. Bei ihnen wirbt Peking zusammen mit Brasilien für einen anderen, ganz eigenen Friedensplan.

China soll Weltmacht werden, das ist der Plan von Xi Jinping. ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer erzählt von geleakten Dokumenten, Überwachung und einer verfolgten Journalistin.

04.10.2023 | 14:02 min

Welchen Friedensplan verfolgt China?

Ein entsprechendes Papier unterzeichneten Vertreter Chinas und Brasilien Ende Mai. Darin setzen sie sich für Verhandlungen ein. Als Grundlage schlagen sie folgende sechs Punkte vor:
  • keine Ausweitung des Schlachtfelds
  • keine Provokationen
  • kein Einsatz von Massenvernichtungswaffen
  • kein Angriff auf Nuklearanlagen
  • keine Teilung der Welt in Gruppen
  • mehr humanitäre Hilfe
Kritik an Russland äußern sie nicht.
"Das würde eine Pause, ein Einfrieren des Konflikts bedeuten", sagt Alexander Gabuev. Denn der Plan lasse offen, wo die Grenzen der Ukraine verlaufen würden und welche Sicherheitsgarantien es für sie gäbe.
Für die Ukraine sei das jedoch kein akzeptabler Vorschlag. "Denn es besteht das Risiko, dass Russland in drei oder vier Jahren stärker wird und zurückkommt, um die Ukraine zu erobern."

Während des G7-Gipfels macht Putin der Ukraine ein vermeintliches Friedensangebot. Weshalb Selenskyj den Vorschlag nicht akzeptieren wird, berichtet ZDF-Korrespondent Coerper.

14.06.2024 | 01:36 min

Wird China eine eigene Friedenskonferenz abhalten?

Nach der Absage Chinas an die Schweiz schlug Russlands Außenminister Sergej Lawrow vor, Peking könne doch auch eine Friedenskonferenz abhalten. Für Moskau wäre das vielversprechend.
Doch Peking windet sich und will nicht selbst aktiv werden, höchstens Russland an den Verhandlungstisch bringen. "China würde die Verantwortung für ein ergebnisloses Treffen nicht übernehmen wollen", sagt Gabuev. "Das könnte Xi Jinpings Image zu sehr schaden."
Alternativ käme Saudi-Arabien als Gastgeber in Frage. Doch es ist unwahrscheinlich, dass es vor den US-Wahlen im November überhaupt zu einem Treffen kommt.
Russland wird nicht bereit sein, Gespräche zu führen, bevor nicht klar ist, wer der nächste US-Präsident wird.
Alexander Gabuev, Carnegie Russia Eurasia Center
Und das nützt China: Solange kann es sich als Vermittler mit Alternativplan inszenieren. Auch wenn es sich selbst immer wieder lediglich als "Unterstützer" von Friedensverhandlungen bezeichnet. "China imitiert Diplomatie und das funktioniert gut", sagt Gabuev.
Luisa Houben berichtet aus dem ZDF-Studio Peking.

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