: Auftakt für fünf Jahre Europapolitik

von Isabelle Schaefers, Straßburg
16.07.2024 | 10:28 Uhr
Heute kommen zum ersten Mal die 720 neu gewählten Abgeordneten in Straßburg zusammen. Wie sieht das neue Europaparlament aus und vor welchen Herausforderungen steht es?

Heute findet in Straßburg die konstituierende Sitzung des im Juni gewählten Europaparlaments statt und markiert dessen Arbeits-Start.

16.07.2024 | 03:50 min
Zum Wochenstart sieht man auf den Fluren des Europaparlaments in Straßburg oft einen Gesichtsausdruck: einen fragenden. 389 der 720 Abgeordneten sind neu im Europaparlament. Für sie geht es erst in dieser Woche so richtig los - Mitarbeiter einarbeiten, Büros beziehen, Stimmkarten abholen.
Die Abgeordneten kommen aus 27 Ländern und rund 200 verschiedenen Parteien. Die 96 deutschen Abgeordneten bilden die größte nationale Gruppe. Das Parlament muss seine Themen für die nächsten fünf Jahre finden - und einen Umgang mit den erstarkten Fraktionen rechtsaußen.

Bei der Europawahl hat die Partei Volt in Deutschland überraschend gut abgeschnitten. Rund fünf Wochen später nimmt das neu gewählte Parlament nun in Straßburg seine Arbeit auf.

16.07.2024 | 04:17 min

Europaparlament: Mehr Abgeordnete rechts der Mitte

Vor den Europawahlen war die Sorge in ganz Europa groß vor einem massiven Rechtsruck. Es wurde nicht ganz so massiv, wie viele erwartet hatten - die Mitte hat weiterhin eine stabile Mehrheit. Doch die Fraktionen rechtsaußen haben dennoch deutlich zugelegt. Im neuen Parlament sind zwei der drei Rechtsaußen-Fraktionen sogar größer als die Fraktion der Liberalen.
Da ist die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), in der unter anderen die Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sitzt, die Fratelli d’Italia. Diese Fraktion ist am nächsten an der Mitte und es gibt zumindest immer wieder Gespräche mit anderen Fraktionen und ihren Abgeordneten - schon weil Meloni im Europäischen Rat eine wichtige Stimme ist. Die EKR wird auch bei der Vergabe von Posten berücksichtigt, etwa Vizepräsidenten und Ausschussvorsitzende.

In vielen Hauptstädten Europas ist man über den ausgebliebenen Rechtsruck in Frankreich erleichtert. Im EU-Parlament machen die Rechten heute klar: Mit ihnen wird zu rechnen sein.

08.07.2024 | 02:50 min
Anders sieht es bei den beiden neuen Fraktionen weiter rechts aus: Die Fraktion Patrioten für Europa hatte sich gerade durch Initiative von Viktor Orbans Fidesz-Partei gegründet - und wurde durch den Beitritt der Abgeordneten des französischen Rassemblement National aus Frankreich drittgrößte Fraktion. In der Fraktion sind etwa auch die österreichische FPÖ und die niederländische PVV von Geert Wilders vertreten.

Mit der AfD will in Europa keiner zusammenarbeiten

Die deutsche AfD war kurz vor der Europawahl aus der damaligen ID-Fraktion herausgeflogen - zu extrem, hieß es aus der Fraktion. Die Hoffnung der AfD war, dass sie nach der Europawahl wieder aufgenommen würden. Als das nicht passierte, kratzte die Partei gerade genug Abgeordnete zusammen, um selbst eine Fraktion zu bilden: die ESN (Europe of Sovereign Nations) - zusammen mit einzelnen Abgeordneten aus verschiedenen Ländern, mit denen sonst niemand zusammenarbeiten will, wie mit der AfD.

Roberta Metsola bleibt wohl EU-Parlamentspräsidentin

Roberta Metsola aus Malta ist seit 2022 Präsidentin des Europäischen Parlaments und hat die besten Chancen, es auch zu bleiben. Nachdem die EVP bei der Europawahl stärkste Kraft wurde, hat sie Metsola erneut als Kandidatin aufgestellt. Ihre Wahl heute gilt als Formsache.
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Unklar ist allerdings, ob eine bisher geltende ungeschriebene Regel wieder greifen wird: Die Parlamentspräsidentin wird für zweieinhalb Jahre gewählt. Traditionell haben die Fraktionen EVP und S&D dann den Posten untereinander rotiert. Ob das in dieser Legislaturperiode wieder so sein wird, ist noch nicht klar.

Bei der konstituierenden Sitzung des neugewählten EU-Parlaments wurde Roberta Metsola als Parlamentspräsidentin bestätigt. Für die Christdemokratin ist es die zweite Amtszeit.

16.07.2024 | 00:16 min

Verteidigung statt Klimaschutz, weniger EU

Schon im Wahlkampf war klar: Das Top-Thema der letzten Legislatur hat an Fahrt verloren. Der Klimaschutz ist für die meisten Parteien weiter wichtig, aber für viele lange nicht mehr auf Platz eins. Weiter vorne stehen nun die Themen Migration, Wettbewerbsfähigkeit und vor allen anderen das Thema Sicherheit.
Da hatte das Europaparlament bisher nur wenig zu sagen. Verteidigung ist vor allem Sache der Mitgliedsstaaten. Lange war zu hören, dass das Europaparlament - angestoßen durch den Krieg in der Ukraine - einen vollwertigen Verteidigungsausschuss bilden wolle. Aber dazu wird es wohl vorerst nicht kommen. Es bleibt demnach beim bisherigen Unterausschuss.
Die große Herausforderung für das neue Europaparlament wird also sein, einen Platz zu finden in einer EU, in der es thematisch viel um nationalstaatlich gesteuerte Themen geht, wie eben die Verteidigung - und in der es auch in den eigenen Reihen mehr Stimmen gibt, die der EU skeptisch bis feindlich gegenüber stehen.

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