: HRW: Explosion war wohl fehlgeleitete Rakete

von Nils Metzger
26.11.2023 | 15:15 Uhr
Bei der Explosion am Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza starben im Oktober viele Zivilisten. Eine Untersuchung durch Human Rights Watch verweist nun auf eine palästinensische Rakete.
Zerstörung am Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza im Oktober: Laut Human Rights Watch ist eine fehlgeleitete palästinensische Rakete die wahrscheinlichste Ursache der Explosion.Quelle: epa
Über einen Monat nach der tödlichen Explosion auf einem Parkplatz vor dem Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen mit Dutzenden Toten hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Sonntag einen vorläufigen Untersuchungsbericht veröffentlicht.
Demnach soll eine palästinensische Rakete die wahrscheinlichste Ursache für die Explosion sein, die weltweit Schlagzeilen machte - und für die Behörden in Gaza wie auch viele arabische Regierungen bis heute Israel verantwortlich machen.
Die Explosion am 17. Oktober 2023, die zahlreiche Zivilisten am al-Ahli-Krankenhaus in Gaza getötet und verletzt hat, resultierte offenbar aus einem raketengetriebenen Geschoss, wie es bewaffnete palästinensische Gruppen häufig nutzen.
Human Rights Watch
Die Untersuchungsergebnisse von Human Rights Watch decken sich mit den Analysen anderer Beobachter und Medien. Auch ZDFheute kam in seiner Analyse von Mitte Oktober zu dem Schluss, dass die Hinweise eher auf eine abgestürzte palästinensische Rakete hindeuten.

Die islamistische Hamas hat 17 weitere Geiseln freigelassen. Die Übergabe hatte sich verzögert, weil die Hamas Israel vorgeworfen hatte, Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben.

26.11.2023 | 00:27 min

Welche Hinweise hat die Untersuchung ergeben?

Nach eigenen Angaben hat HRW Videos und Fotos vom Explosionsort ausgewertet und mit fünf Augenzeugen gesprochen. Den Ort der Explosion habe man nicht selbst besichtigen können. Insbesondere das Fehlen von Raketen-Überresten verhindere bislang eine zweifelsfreie Identifizierung des Geschosses - und damit auch der Fraktion, die es abgefeuert hat.
"Behörden in Gaza sind offenbar im Besitz von Überresten, die helfen würden, ein abschließendes Ergebnis zu finden", schreibt Human Rights Watch. Ein Foto vom Abend der Explosion soll Mitarbeiter einer Spezialeinheit der Polizei von Gaza am Explosionskrater zeigen.
Ein Augenzeuge, der am Abend am Krankenhaus war, teilte Human Rights Watch mit, dass Mitarbeiter des Innenministeriums alles Schrapnell vom Explosionsort mitnahmen.
Human Rights Watch
"Das Geräusch vor der Explosion, der Feuerball, die Größe des Kraters, Art und Muster von um den Krater sichtbarem Splittern passen alle zum Einschlag einer Rakete", sind sich die Experten sicher. Dass sich alle Überreste der mutmaßlichen Rakete vollständig aufgelöst haben, wie von Hamas-Vertretern im Anschluss behauptet, schätzt HRW als unglaubwürdig ein.
Videoaufnahmen hätten gezeigt, dass weniger als eine Minute vor der Explosion zahlreiche palästinensische Raketen von einem Ort rund fünf Kilometer vom Krankenhaus entfernt abgefeuert wurden. Im gleichen Zeitraum habe auch Israel umliegende Gebiete beschossen. Eine große, aus der Luft abgeworfene Bombe, wie Israel sie vielfach einsetzt, sei mit Blick auf die Schäden am Boden sehr unwahrscheinlich.
ZDFheute Infografik
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Wie viele Opfer hat die Explosion gefordert?

Die genaue Opferzahl ist bis heute nicht geklärt. Das Hamas-geführte Gesundheitsministerium in Gaza sprach von 471 Toten. "Human Rights Watch war nicht in der Lage, diese Zahlen zu bestätigen, die deutlich höher als andere Schützungen sind (…) und nicht zum Ausmaß der sichtbaren Schäden vor Ort passen", schreibt die Menschenrechtsorganisation.
Sie forderte Israel und die Behörden in Gaza auf, alle verfügbaren Informationen öffentlich zugänglich zu machen, darunter auch medizinische Berichte zu den Verletzungen der Opfer. Die Organisation betont, dass Israel während des aktuellen Konflikts wiederholt medizinische Einrichtungen angegriffen habe.
Die palästinensischen Angriffe mit extrem ungenauen Raketen auf israelische Wohngebiete seien durchweg Kriegsverbrechen, so Human Rights Watch. Man habe in der Vergangenheit getötete Zivilisten in Gaza als Konsequenz von fehlgeleiteten Raketen dokumentiert, laut israelischen Erhebungen würden 10 bis 20 Prozent aller aus Gaza gestarteten Raketen abstürzen. "Das Dokumentieren der Schäden von fehlgeleiteten Raketen ist schwierig, da die Behörden in Gaza die Untersuchung solcher Vorfälle behindern", schreibt HRW.

Die Gefechte um ein Hospital in Nord-Gaza haben sich intensiviert. Israels Bodentruppen vermuten unter dem Krankenhaus ein Kommandozentrum der Hamas. Betroffene sollen nun evakuiert werden.

13.11.2023 | 02:38 min

Was sagt die Hamas zu den Vorwürfen?

In einer Stellungnahme gegenüber HRW teilte ein Hamas-Vertreter mit, dass die eigene Untersuchung zu dem Vorfall angeblich weiter andauere und man "so schnell wie möglich" alle Beweismittel vorlegen werde. Spezifische Fragen zu Raketentrümmern oder von palästinensischen Organisationen abgefeuerten Raketen am fraglichen Abend habe die Hamas Human Rights Watch nicht beantwortet.
Die Opfer und Familien der Getöteten und Verletzten (…) verdienen eine vollständige Untersuchung.
HRW-Krisendirektorin Ida Sawyer

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