: Frankreich: Partei von Le Pen deutlich vorn

30.06.2024 | 22:30 Uhr
Die extreme Rechte könnte künftig stärkste Kraft in der Nationalversammlung werden. Hochrechnungen sehen sie bei rund einem Drittel der Stimmen - deutlich vor Macrons Lager.

Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen liegen die Rechtspopulisten der Rassemblement National vorne. Für Präsident Macron hingegen schwindet die Unterstützung.

30.06.2024 | 02:45 min
In der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich liegt der extrem rechte Rassemblement National (RN) vorne. Nach vorläufigem Endergebnis erzielte er 33,15 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium mitteilte. Das Linksbündnis lag demnach bei 27,99 Prozent, während das Lager von Präsident Emmanuel Macron auf 20,04 Prozent kam. Die bürgerliche Rechte landete bei 10,23 Prozent.

Entscheidung am 7. Juli

Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird aber erst in Stichwahlen am 7. Juli entschieden. Macron rief die Wähler nach Schließung der Wahllokale auf, in der zweiten Wahlrunde einen Sieg des rechten Lagers zu verhindern. Er forderte ein "breites, demokratisches und republikanisches Bündnis".
Premierminister Gabriel Attal kündigte den Rückzug von etwa 60 Kandidaten in der zweiten Runde an, um den Sieg rechtspopulistischer Kandidaten zu verhindern.
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Le Pen: Lager Macrons "praktisch ausgelöscht"

Die frühere Chefin des RN, Marine Le Pen, sieht den Block von Macron "praktisch ausgelöscht". Die Franzosen hätten "ihren Willen gezeigt, die Seite von sieben Jahren verachtender und zersetzender Macht" Macrons umzuschlagen, sagte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis im Norden bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde.
Sie rief die Franzosen außerdem dazu auf, dem RN im zweiten Wahlgang "die absolute Mehrheit" zu geben.

Herbe Niederlage für Macron

Für Macron ist das Ergebnis eine herbe Niederlage. Er hatte darauf gesetzt, mit der vorgezogenen Neuwahl die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Das scheint nun äußerst unwahrscheinlich. Sollte keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Verhandlungen über eine Koalition.
Macron habe vor einem "Bürgerkrieg" gewarnt, falls die extreme Rechte oder Linke in Frankreich an die Macht käme, berichtet ZDF-Korrespondent Thomas Walde aus Paris.
Das habe die Wähler aber nicht davon abgehalten Macrons Parteienbündnis deutlich auf Platz drei zu setzen.
Es zeigt sich mit brutaler Offenheit, was sich schon bei den Gelbwesten-Protesten gezeigt hat. Dass Macron für seine Politik bei weitem keine Mehrheit mehr in seinem Land findet.
Thomas Walde, ZDF-Korrespondent

Welche Bedeutung die erste Runde der Parlamentswahl in Frankreich für das Land und für Europa hat, ordnen ZDF-Korrespondenten Thomas Walde in Paris und Ulf Röller in Brüssel ein.

30.06.2024 | 03:37 min

ZDF-Korrespondent: EU-Parteien der Mitte sehr besorgt

Ein Sieg des RN hätte auch Auswirkungen auf die EU. ZDF-Korrespondent Ulf Röller sagt:
Die pro-europäischen Kräfte, die Parteien der Mitte sind sehr besorgt. Man kann eigentlich sagen, dass sie fast mit Panik darauf schauen.
Ulf Röller, ZDF-Korrespondent
Die Lage Europas sei momentan sehr schwierig. Es gebe den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und da bräuchte man den französischen Präsidenten in Höchstform. "Nun droht Macron ein politischer Eunuch zu werden, der vielleicht sogar handlungsunfähig wird", so Röller.
Dadurch würden laut ZDF-Korrespondent Röller "Riesenprobleme" entstehen, unter anderem:
  • Ist die Finanzierung der Ukraine überhaupt noch gesichert, wenn die Rechten das Sagen bekommen?
  • Der Rechtsruck in Europa könnte zu einer Polarisierung oder sogar Spaltung in der EU führen.

RN könnte absolute Mehrheit knapp verfehlen

Erste Prognosen gehen davon aus, dass Marine Le Pens Rechtspopulisten und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen könnten sie aber vorbeischrammen.
Auch die Linken könnten zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. Genaue Aussagen zur Sitzverteilung sind bisher aber schwierig. Vor der zweiten Wahlrunde können die Parteien noch lokale Bündnisse schmieden, die den Wahlausgang beeinflussen.
Ein Zusammenkommen der grundverschiedenen politischen Akteure für ein Regierungsbündnis nach der Wahl ist derzeit nicht absehbar. Ohne klare Mehrheit in der Nationalversammlung würde Frankreich Stillstand drohen.
Da die Nationalversammlung die Regierung stürzen kann, braucht diese für ihre Arbeit eine Mehrheit in der Parlamentskammer.

Parlamentswahl in Frankreich: Hohe Wahlbeteiligung

Viele Franzosen hatten beim ersten Durchgang ihr Wahlrecht genutzt: Bis 17.00 Uhr gaben 59,39 Prozent der eingeschriebenen Wählerinnen und Wähler ihre Stimme ab, wie das Pariser Innenministerium mitteilte. Das sind knapp 20 Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt bei der vorangegangenen Parlamentswahl vor zwei Jahren. Bereits der Zwischenwert liegt über der Gesamtwahlbeteiligung 2022 von 47,51 Prozent.
Macron hatte die Nationalversammlung nach der klaren Schlappe seiner Liberalen bei der Europawahl und dem haushohen Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National aufgelöst und Neuwahlen der französischen Parlamentskammer in zwei Durchgängen angekündigt. Um Macrons Präsidentenamt geht es bei dem Votum nicht.

Es zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen in Frankreich ab. Wem die hohe Wahlbeteiligung nützen könnte, erklärt ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris.

30.06.2024 | 01:10 min

Sieg der Rechten hätte auch international Konsequenzen

Ein Wahlerfolg der Rechten hätte schwerwiegende Folgen. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.
Sollte ein anderer Block als Macrons Mitte-Lager die absolute Mehrheit erlangen, wäre Macron de facto gezwungen, einen Premier aus dessen Reihen zu ernennen. Es gäbe dann eine sogenannte Kohabitation.
Macrons Macht würde deutlich schrumpfen, der Premier würde wichtiger.
Die Rechtsnationalen setzen explizit darauf, die Wahl zu gewinnen und Regierungsverantwortung zu übernehmen. RN-Parteichef Jordan Bardella soll Premierminister werden. In einem solchen Szenario hätte Macron Schwierigkeiten, seine Linien international durchzusetzen.
Auch in Brüssel und Berlin wird die Wahl daher mit Spannung verfolgt.
Aktuelle Nachrichten und Reaktionen auf den ersten Durchgang der Parlamentswahlen in Frankreich im Liveblog:
Quelle: dpa, AFP, AP, ZDF

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