FAQ

: Was die Neuwahlen für Macron bedeuten können

von Gabriele Blaschko
27.06.2024 | 15:38 Uhr
Frankreichs Präsident Macron muss bei den anstehenden Parlamentswahlen um eine Mehrheit in der Regierung bangen. Der Worst Case: Kohabitation mit dem Rassemblement National.

Bei der anstehenden Neuwahl in Frankreich könnte der rechtspopulistische Rassemblement National erstmals in Regierungsverantwortung kommen. Das Lager von Präsident Macron liegt abgeschlagen bei 21 Prozent.

28.06.2024 | 02:43 min
Gerade mal 15 Prozent konnte das Lager um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Europawahl Anfang Juni erzielen. Viele seiner bisherigen Wähler wanderten zur rechtspopulistischen Konkurrenz ab. Der "Rassemblement National (RN)" - mit Marine Le Pen als prominenter Abgeordneter - kam bei der Wahl auf über 30 Prozent. Macrons Rückhalt in der Gesellschaft scheint stark geschwächt. Für den Präsidenten lautet die Antwort darauf: Neuwahlen. Ein Risiko.
In zwei Wahlgängen am 30. Juni und 7. Juli dieses Jahr können die Franzosen zur Urne und über ihr neues Parlament bestimmen. Doch was und wie wird eigentlich gewählt? Ein Blick auf Frankreichs Wahlsystem und die wichtigsten Fragen.

Sollte das Rassemblement National im Parlament tatsächlich eine absolute Mehrheit gewinnen, stünden der EU „stürmische Zeiten“ bevor, sagt Frankreich-Experte Jacob Ross.

27.06.2024 | 04:34 min

Was gewählt wird

Bei der kommenden Wahl werden die Abgeordneten der Nationalversammlung, dem Unterhaus, neu gewählt, Präsident Macron selbst steht nicht zur Wahl. Aber: Sein Einfluss und seine Handlungsfähigkeit.
Die Nationalversammlung bildet zusammen mit dem Senat, dem Oberhaus, das französische Parlament. Der Senat wird nicht vom Volk gewählt, sondern von einer Wahlversammlung, die sich aus Delegierten verschiedener politischer Gremien zusammensetzt. Am Senat wird sich somit vorerst nichts ändern.

Die vorgezogenen Parlamentswahlen belasten die Finanzmärkte in Frankreich. Links- und Rechtsaußen versprechen milliardenschwere Sozialprogramme.

25.06.2024 | 02:10 min

Warum hat Macron die Neuwahlen ausgerufen?

Nicht wenig steht damit also auf dem Spiel. Warum Emmanuel Macron trotzdem Neuwahlen veranlasste? "Er fand die Idee überzeugend, um nochmal für die drei verbleibenden Jahre seiner Amtszeit eine parlamentarische Mehrheit zu gewinnen oder jedenfalls die relative Mehrheit, die er bisher hatte, auszubauen", sagt Jacob Ross, Experte für französische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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In der Welt gibt’s nur noch Krisen? Nicht unbedingt. Das beleuchtet der neue ZDF auslandsjournal Podcast von und mit der Internationalen Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf und Publizistin und Journalistin Jagoda Marinić. Zum Beispiel, was uns nach dem Rechtsruck bei der Europawahl Hoffnung geben kann.

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Hintergrund seien zum einen die schlechten Ergebnisse bei der Europawahl, zum anderen die schwierige Situation in der Nationalversammlung. Seit Macrons Bündnis 2022 die absolute Mehrheit verloren hatte, wurden immer wieder Misstrauensanträge von der Opposition vorgebracht. Sie stand einmal kurz davor, ihn zu stürzen, so Ross.
"Macron ist der Politiker, der gerne selber das Heft des Handelns in der Hand behält. Der Plan war, wirklich die politischen Gegner zu überraschen und sich als die einzige Alternative zum Chaos zu präsentieren", so der Frankreich-Experte.
Es sieht so aus, als ginge sein sehr riskantes Kalkül im Moment nicht auf.
Jacob Ross, Experte für französische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

Neuwahlen - das war Präsident Macrons Antwort auf die deutliche Niederlage seiner Liberalen bei der Europawahl. Steht nun ein folgenschwerer Sieg der Rechtspopulisten bevor?

27.06.2024 | 02:35 min

Worst Case: Was passiert, wenn Macrons Partei verliert?

Gewinnt eine andere Partei bei den kommenden Wahlen, dürfte das die Verabschiedung von Gesetzen für die Regierung von Macron erschweren. "Das Worst-Case-Szenario ist, dass RN mit einigen Verbündeten die absolute Mehrheit gewinnt und dann ein Anrecht auf den Posten des Premierministers hätte", sagt Frankreich-Experte Ross.
Bei der so genannten "Kohabitation" könnte dann zum Beispiel Jordan Bardella, Schützling der Rechtspopulistin Marine Le Pen, Premierminister werden. Präsident Macron wäre vor allem innenpolitisch auf die Unterstützung des rechten Lagers angewiesen.

"Dann muss man natürlich sehen, dass Le Pen ja seit Jahren versucht, sich selber als eine moderate Kraft darzustellen", so Theo Koll, moma-Politikexperte, die Abgrenzung zur AfD kam da gerade recht.

28.06.2024 | 05:19 min
Eine solche Konstellation hat es in der Vergangenheit zwar schon einmal gegeben, aber nicht zwischen zwei ideologisch so weit entfernten Parteien. "Es ist schwierig vorherzusehen, was es in einzelnen Politikfeldern für Folgen hat", so Ross.

Noch am Abend des 9. Juni kündigte Präsident Macron eine Neuwahl des Parlaments an. Und eben diese Wahl könnte Frankreich in ein politisches Chaos stürzen.

25.06.2024 | 14:47 min

Wie läuft die Wahl ab?

Insgesamt gibt es 577 Sitze - einen pro Wahlkreis. Derjenige Kandidat gewinnt, der die absolute Mehrheit (50 Prozent) der Stimmen auf sich vereinigen kann. Außerdem müssen die abgegebenen Stimmen mindestens 25 Prozent der registrierten Wahlberechtigten entsprechen. Dazu zählen auch die Nichtwähler.
In den wenigsten Fällen tritt dieses Szenario jedoch ein, dann folgt ein zweiter Wahlgang. Hier stehen automatisch der Erst- und der Zweitplatzierte zur Wahl, sowie alle, die mindestens 12,5 Prozent aller Wahlberechtigten für sich gewinnen konnten.
Zum Sieg im zweiten Wahlgang genügt die relative Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gewinnt der oder die Ältere.

Frankreichs Präsident Macron liebt große Gesten, Bundeskanzler Scholz bedachte Worte. Krieg, Rechtsruck und Inflation spalten Europa. Können diese Männer die EU retten?

07.05.2024 | 15:36 min

Wie realistisch ist eine "Kohabitation" mit dem RN?

Ganz ausschließen kann Frankreich-Experte Ross einen Sieg für Macron nicht: "Es gibt durchaus Leute, die sagen, dass es nochmal eine Dynamik geben könnte, dass viele gemäßigte Wähler in der zweiten Wahlrunde doch sagen sie sprechen sich für die Mitte aus."
Wahrscheinlicher sei es jedoch, dass keines der Lager eine absolute Mehrheit erzielen kann. Dann hätte Macron nichts gewonnen, die Situation bliebe die gleiche, nur mit wesentlich weniger Mandaten in der Nationalversammlung als bisher. "Aber Fakt ist, dass mit Sicherheit dann eine große Instabilität in Frankreich herrschen würde."

Der Chef der konservativen Republikaner hat sich als erster Vorsitzender einer traditionellen Partei für ein Bündnis mit den Rechtspopulisten des Rassemblement National ausgesprochen.

12.06.2024 | 02:30 min

Wofür ist die Nationalversammlung zuständig?

Als Legislative ist die Nationalversammlung gemeinsam mit dem Senat für die Vorlage und Ausarbeitung neuer Gesetze zuständig. Bei Uneinigkeit hat die Nationalversammlung das letzte Wort. Außerdem kann sie im Krisenfall mit einer absoluten Mehrheit die Regierung durch ein Misstrauensvotum stürzen.

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