: Russland-Gipfel ohne Russland

von Andreas Kynast
14.06.2024 | 21:29 Uhr
Die erste Friedenskonferenz in der Schweiz findet ohne den Aggressor statt. Zur zweiten wollte die Ukraine "einen Vertreter Russlands" einladen. Aber dann sprach Präsident Putin.

Vertreter aus 92 Staaten nehmen an einer Friedenskonferenz für die Ukraine teil. Über die Erwartungen an das Treffen berichtet Andreas Kynast.

15.06.2024 | 00:54 min
Mit der Schweiz ist es aus. "Sie passt nicht zu uns", zieht Russlands Außenminister Sergej Lawrow den diplomatischen Schlussstrich. "Die Schweiz ist nicht mehr neutral, sondern offen feindselig", erklärt Lawrow und bezeichnet den Friedensgipfel als "List des Westens", als "Treffen von Waffenlieferanten" und als "Frucht einer kranken Einbildung".

Russische Staatsmedien kritisieren Gipfel

Auch die russischen Staatsmedien sind nicht mehr gut auf den Alpenstaat zu sprechen, seit feststeht, dass der "Globale Gipfel zum Frieden in der Ukraine" an diesem Wochenende in der Nähe von Luzern stattfindet.

In der Schweiz beraten heute Vertreter von 92 Staaten über den Ukraine-Krieg. Konkret geht es um erste Schritte eines Friedensprozesses. Russland und China nehmen nicht teil.

15.06.2024 | 00:25 min
Im ersten Kanal des russischen Staatsfernsehen nennt die Moderatorin die Konferenz einen "Ball der Satanisten". Die Schweiz habe sich "an die Spitze der Dämonen" gestellt und überhaupt: Was sei das nur für ein Land? Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd sei "von Natur aus unansehnlich", teilt die Sprecherin den Zuschauern mit und die männlichen Gäste der Sendung geben ihr recht: "Alle Frauen in der Schweiz sind nicht besonders ansehnlich."

Russland forderte zum Boykott des Treffens auf

In den vergangenen Monaten hat Russland so gut wie alles versucht, um die von der Ukraine angeregte und von der Schweiz ausgerichtete "Konferenz zum Frieden" zu torpedieren. Erst hat Außenminister Lawrow vor allem asiatische und afrikanische Regierungen aufgefordert, nicht teilzunehmen. Und dann - sprach Wladimir Putin.

Kremlchef Putin hat Bedingungen für ein Ende der russischen Angriffe gegen die Ukraine gestellt. Er fordert unter anderem, dass die Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichtet.

14.06.2024 | 00:21 min
Die ersten Gäste der Schweizer Konferenz saßen bereits in ihren Regierungsfliegern, als in Moskau Russlands Präsident plötzlich die Worte "Waffenstillstand" und "Verhandlungen" in den Mund nahm. Obwohl Putin in seinem Fernsehauftritt keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen ließ und obwohl seine Forderungen alles andere als neu waren, erzielten sie durchschlagende Wirkung.

Putins Ultimatum löst Diskussionen aus

Wo gerade die ersten Diskussionen über die praktischen, aber kleinteiligen Vorschläge der Ukraine begonnen hatten, piepten die Eilmeldungen und klingelten die Handys. In allen Delegationen entstand Beratungsbedarf: Soll Putin eine Antwort bekommen? Wie wird sie lauten? Und wird es der Konferenz gelingen, sie gemeinsam zu formulieren?

Putins Bedingungen für einen Waffenstillstand

  • die Ukraine soll aus den vier von Russland annektierten Gebieten abziehen
  • die Ukraine soll ihre Pläne für einen Nato-Beitritt aufgeben
  • die Ukraine darf nicht über Atomwaffen verfügen
  • die militärische Macht der Ukraine soll Beschränkt werden
  • der Schutz der Interessen der russischsprachigen Bevölkerung des Landes soll gewahrt sein.
Dass unter den bis zu 90 Delegationen, die sich ab Samstag auf den Bürgenstock zurückziehen wollen, sowohl Freunde der Ukraine als auch Freunde Russlands vertreten sind, galt eigentlich als das größte Plus des Treffens. Nun droht die Gefahr, dass von dem Gipfel nicht das gewünschte Signal der Einigkeit ausgeht, sondern eine Dokumentation der Spaltung. Auf der einen Seite die Länder, die Putin nachgeben wollen. Auf der anderen die, die zum Völkerrecht stehen.

Ukraine stellt keine Maximalforderungen

Die Ukraine hat sich vom Friedensgipfel ein beispielloses Gruppenbild der Unterstützung erhofft. Siebzig, vielleicht achtzig Präsidenten, Vizepräsidenten, Ministerpräsidenten, aus allen Teilen der Welt - Seite an Seite mit der ukrainischen Regierung. Vor allem um unentschiedene Staaten hat Kiew gekämpft und ist dabei sogar davon abgerückt, ihren Zehn-Punkte-Friedensplan zur Grundlage des Treffens zu erklären.
Nur vier Punkte sollen auf dem Bürgenstock noch auf dem Konferenztisch liegen: keine Atomdrohungen, keine Behinderung des Handels mit Nahrungsmitteln, der Schutz nuklearer Einrichtungen und das Bekenntnis zur UN-Charta. Eine detailreiche, aber im Prinzip unumstrittene Agenda. Das müsste, so die Hoffnung, jedes Land unterschreiben können. Sogar Russland, das nicht eingeladen ist.

Der russische Präsident Putin präsentiert seine Bedingungen für ein Ende des Krieges mit der Ukraine. Wie die Vorschläge zu deuten sind, erklärt ZDF-Korrespondent Armin Coerper.

14.06.2024 | 02:08 min

Russland sollte zum zweiten Treffen kommen

So gern die Schweiz eine Delegation aus Moskau am Konferenztisch gesehen hätte: Weder war Russland bereit zu kommen, noch wollte die Ukraine den Aggressor-Staat dabeihaben.
Für Aufsehen sorgte deshalb der Vorschlag von Andrij Jermak, dem Chef des ukrainischen Präsidialbüros. In einer Videoschalte aus Berlin übermittelte der engste Mitarbeiter Selenskyjs am Mittwoch den Wunsch, den in der Schweiz erarbeiteten Friedensplan beim nächsten Mal auch Russland vorzustellen.
Wir suchen nach der Möglichkeit, auf dem zweiten Gipfel einen Vertreter Russlands einzuladen.
Andrij Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialbüros
Aber was Russland von den Vorschlägen, die die Konferenz erst noch beschließen soll, hält, ist nun bereits am Vortag klar: Nichts.

Putin lehnt Kompromiss ab

In seinem Fernsehauftritt hat Präsident Putin deutlich gemacht, dass für ihn Verhandlungen nur in Frage kommen, wenn die Ukraine zusätzlich zu den eroberten Regionen auch alle weiteren Gebiete aushändigt, auf die Russland Anspruch erhebt. Insgesamt verlangt Putin vier Teile der Ukraine - fünf, wenn man die Krim dazuzählt. Von einem russischen Truppenrückzug ist nicht die Rede, im Gegenteil: Russland fordert, dass der ukrainischen Armee weitreichende Beschränkungen auferlegt werden.

Militärexperte Marcus Keupp zum russischen Angriff auf die Krim.

01.02.2024 | 16:29 min
Damit ist vor Beginn des Schweizer Friedensgipfels eine diplomatische Lösung nicht näher, sondern in noch weitere Ferne gerückt. Dass Russlands wichtigster Verbündeter, China, dem Treffen fernbleibt, kommt zu allen schlechten Nachrichten dazu.

Richtet Saudi-Arabien den nächsten Gipfel aus?

Welches Land bereit ist, eine Folgekonferenz auszurichten, gehört zu den zu den lösenden Fragen der Alpenkonferenz. Nach den Erfahrungen, die die Schweiz mit der russischen Reaktion gemacht hat, dürfte die Zahl der Bewerber überschaubar sein.
Vor allem auf Saudi-Arabien werden sich die Blicke richten. Ausgerechnet dem autoritären Königreich ist es bisher als einzigem Staat gelungen, China zu einer Ukraine-Konferenz zu locken. Aber auch die Türkei kommt in Frage. Dort haben die Ukraine und Russland schon einmal direkte Verhandlungen geführt. Die Gefahr, ein zweites Mal zu scheitern, müsste die Regierung in Ankara aber eingehen.
Andreas Kynast ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudiio Berlin.
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