Analyse

: EU-Gipfel: Tag der Entscheidung

von Ulf Röller
27.06.2024 | 12:57 Uhr
Beim Treffen der EU-Regierungschefs geht es um die zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin. Und um die Ukraine und ein Sicherheitsabkommen mit der EU.

Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten über die Besetzung der obersten Ämter. Italiens Ministerpräsidentin Meloni fühlt sich dabei übergangen. Auch Selenskyj ist in Brüssel.

27.06.2024 | 01:44 min
Timing ist alles in der Politik. Das gilt besonders für Brüssel und Personalfragen. Deshalb lohnt es, beim Gipfel auf die Uhr zu schauen, wann die Ergebnisse verkündet werden: Vor 17 Uhr heute hieße, alles läuft harmonisch. Erst am späten Abend - es gibt Diskussionen. Und es wird noch in den nächsten Tag hinein verhandelt, bedeutet Gefahr oder Streit.
Geht es nach dem Willen der Verhandlungsführer für die EU-Spitzenjobs, dem deutschen Kanzler Scholz für die Sozialdemokraten, dem polnischen Regierungschef Tusk für die Konservativen und dem französischen Präsidenten Macron für die Liberalen, dann soll heute alles ganz schnell gehen. Sie haben sich auf Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin, den Portugiesen António Costa als Ratsvorsitzenden und die Estin Kaja Kallas als EU-Außenbeauftragte geeinigt. Und das bereits verkündet.

Podcast: Global Deep Dive - Außenpolitik anders denken

In der Welt gibt’s nur noch Krisen? Nicht unbedingt. Das beleuchtet der neue ZDF auslandsjournal Podcast von und mit der Internationalen Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf und Publizistin und Journalistin Jagoda Marinić. Zum Beispiel, was uns nach dem Rechtsruck bei der Europawahl Hoffnung geben kann.

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Meloni will EU-Posten für Italien

Eine findet das nicht gut: die italienische Präsidentin Georgia Meloni. Sie hat niemand bei der Besetzung gefragt. Das widerspricht ihrem Selbstverständnis. Sie hält sich für bedeutend. Denn eigentlich fühlen sich die Postfaschistin und ihre Partei als Gewinnerin der Europawahl, sie steht für den Rechtsruck. Deshalb ist sie wütend und teilt dies auch vor dem Gipfel der Weltöffentlichkeit mit und rechnet mit der EU der Etablierten ab. In Europa herrsche eine "Oligarchie", sagte sie zu den Absprachen der anderen.
Quelle: ZDF
Kommt nun Italiens Aufstand: Meloni ist wohl zu schlau dafür. Sie weiß, dass die anderen ihre Zustimmung im Rat nicht brauchen. Am Ende geht es ihr um etwas anders. Nämlich, welche Überraschung, um einen schönen Posten für Italien. Sie fordert für ihr Land einen gewichtigen Posten in der noch zu formenden EU-Kommission. Ein Vizepräsident der Kommission, zuständig für Wirtschaft, Industrie und Finanzen wäre nach ihrem Geschmack. Also brüllt sie nur laut, aber sie wird auf diesem Gipfel nicht zubeißen. Denn sie braucht die anderen und vor allem auch Ursula von der Leyen.

Rechte Parteien sind die Gewinner der Europawahl. Deshalb fordert Italiens Regierungschefin Meloni mehr Mitsprache bei der Verteilung der EU-Spitzenposten. Ulf Röller in Brüssel.

27.06.2024 | 01:07 min

EU-Gipfel und Strategiespiele in Brüssel

Von der Leyen und Meloni verstehen sich eigentlich gut. Aber im Moment vermeiden sie, zusammen zu eng gesehen zu werden. Warum? Von der Leyen braucht eine Mehrheit im Parlament. Die drei Fraktionen in der politischen Mitte des Parlaments, Konservative, Sozialisten und Liberale, haben zusammen 406 Abgeordnete. Die absolute Mehrheit im Europäischen Parlament liegt bei 361. Da es keinen Fraktionszwang gibt, könnte es dennoch eng werden.
Da die Abstimmung geheim ist, könnten auch die Rechtspopulisten der EKR, in der Melonis Leute organisiert sind, für von der Leyen stimmen. Im Gegenzug könnte von der Leyen Melonis Wunsch nach einem mächtigen Kommissar unterstützen. Allerdings dürfte dies offiziell niemand wissen. Wegen der Brandmauer zu den Rechten. Brüsseler Strategiespiele lassen einen schwindlig werden. Ob es so kommt, wir werden es offiziell nie erfahren. Aber darüber spekuliert Brüssel.

Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Migration. 2015 herrschte Willkommenskultur, seitdem schwenkt die EU zu einem härteren Umgang mit Geflüchteten.

16.05.2024 | 45:19 min

Stargast: der ukrainische Präsident Selenskyj

Beim Stargast des Gipfels geht es nicht um Personal und Karriere, es geht um Leben und Tod. Der ukrainische Präsident Selenskyj kommt. Kein Gipfel mehr ohne ihn. Die EU-Regierungschefs wollen sich wohl selbst in die Pflicht nehmen, wollen nicht müde werden, ihre Solidarität mit dem Land zu demonstrieren.
Zwei Dinge wird Selenskyj am Ende des Gipfels mit nach Hause nehmen: Ein Sicherheitsabkommen mit der EU. Europa verpflichtet sich dauerhaft die Ukraine zu unterstützen. Und Geld: 50 Milliarden soll die Ukraine bekommen, finanziert aus den eingefrorenen Zinserträgen des beschlagnahmten russischen Vermögens in Europa. Der G7-Gipfel hat das beschlossen, die EU will dies auch tun.
Das ist der Plan. Und es soll schnell gehen. Daran wird man erkennen - ob es fünf vor 12 ist.
Ulf Röller leitet das ZDF-Studio Brüssel.

Ihor Terekhov ist Bürgermeister von Charkiw. Die ukrainische Stadt ist bedroht wie keine andere. Im Gespräch mit Korrespondentin Katrin Eigendorf verrät er, was ihm Hoffnung gibt.

24.06.2024 | 16:01 min

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