: Ein Land zwischen Freude und Bangen

26.11.2023 | 20:11 Uhr
Ohad, Raz, Aviv: Drei Kinder - drei Geiseln, die glücklich wieder zuhause sind. Ohads Tante erzählt: "Sie wurden zumindest nicht gefoltert". Viele andere Familien bangen weiter.

Während die einen glücklich Angehörige in die Arme schließen können, bleibt für andere Familien weiter die Ungewissheit.

25.11.2023 | 01:37 min
Diese Szene ging um die Welt: Der neunjährige Ohad rennt im Krankenhaus auf seinen Vater zu und fällt ihm in die Arme. Dieser hält ihn ganz fest und küsst ihn auf den Hals. In weiteren Aufnahmen sitzt der Junge umringt von Freunden und isst ein Eis. Ohad war mit seiner Mutter und seiner Großmutter am Freitag freigekommen. Der Großvater des Jungen verblieb in den Händen der Terroristen.

Geiseln berichten Details der Gefangenschaft

Die freigelassenen Geiseln können nun auch erstmals berichten, wie es ihnen in der Hamas-Gefangenschaft ergangen ist.
So erzählen Angehörige im Fernsehen über die Situation vor Ort. "Es gab Tage, an denen es keine Vorräte gab, also aßen sie nur Fladenbrot. In den letzten Tagen aßen sie nur noch sehr wenig Reis", sagt eine Verwandte von Ohad dem Sender "Channel 12". Und weiter:
Sie wurden nicht gefoltert, aber es gab Tage, an denen sie kaum etwas zu essen hatten.
Verwandte von Ohad

Emotionales Wiedersehen einer Familie

Auch Raz ist endlich wieder bei ihrer Familie: Sieben Wochen lang war die vierjährige Deutsche in den Händen von Terroristen der Hamas. Nun sitzt das Mädchen eng umschlungen mit ihrem Vater, ihrer Mutter und zweijährigen Schwester auf einem Krankenhausbett in Israel.
"Ich habe geträumt, dass ich nach Hause komme", sagt sie zu ihrem Vater Joni. Er erwidert: "Jetzt ist dein Traum wahrgeworden." Mitarbeiter der Klinik dokumentierten das emotionale Wiedersehen.

Die dritte Geisel-Gruppe wurde freigelassen. Aber wie geht es weiter?

26.11.2023 | 01:10 min
Zusammen mit ihrer Mutter Doron und Schwester Aviv war Raz bei dem Massaker der Islamisten am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt worden. Am Wochenende konnte ihr Vater sie endlich wieder in den Armen halten. Als die drei bei einem Besuch der Oma im Grenzgebiet entführt wurden, war er mehr als hundert Kilometer entfernt. Durch ein Video, das später im Gazastreifen verbreitet wurde, erfuhr er von der Geiselnahme. Nun hat das Bangen um das Leben seiner Liebsten erstmal ein Ende.

Noch 200 Menschen im Gazastreifen gefangen

Raz, Doron und Aviv gehören - wie Ohad - zu den Dutzenden Geiseln, die am Wochenende als Teil eines Abkommens zwischen Israel und der Hamas freigelassen wurden. Etwa 200 weitere Verschleppte werden im Gazastreifen weiter festgehalten.
"Ich bin glücklich, dass ich meine Familie zurückhabe", sagt Vater Joni in einer Videobotschaft.
Aber ich feiere nicht, ich werde nicht feiern, bis die letzte der Geiseln nach Hause zurückgekehrt ist.
Joni, Familienvater
Ob die restlichen Geiseln noch am Leben sind oder unter welchen Bedingungen sie vor Ort sind, ist unklar. "Es gibt noch Menschen mit gebrochenem Herzen", sagt Joni mit Blick auf die vielen Familien, die noch immer auf ein Lebenszeichen ihrer Angehörigen hoffen.

Hoffen auf Verlängerung der Waffenruhe

In den kommenden Tagen könnten weitere Geiseln im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Häftlinge freikommen. Eine von Katar vermittelte Vereinbarung sieht eine mögliche Verlängerung der aktuell viertägigen auf bis zu zehn Tage vor. Im Gegenzug erwartet Israel die Freilassung von bis zu 80 Entführten. Ob eine Verlängerung zustande kommt, ist ungewiss. Die Verhandlungen sind langwierig und schwierig.
Wie wackelig das Abkommen ist, zeigte sich am Wochenende. Überraschend stoppte die Hamas am Samstag in letzter Minute zwischenzeitlich die Übergabe von rund 20 Geiseln. Israel erfülle nicht ausreichend seinen Teil des Abkommens, hieß es. Das Land wies dies zurück. Nach Vermittlungen Katars kamen die Geiseln schlussendlich Stunden später frei.

Diesmal ging es ohne Zwischenfälle: 14 israelische und drei ausländische Geiseln wurden von der Hamas freigelassen.

26.11.2023 | 01:28 min

Armeesprecher: Psychologische Kriegsführung der Hamas

Für Angehörige waren es schreckliche Stunden der Ungewissheit. Israels Militärsprecher sprach von psychologischer Kriegsführung der Hamas. "Nichts ist geschehen, sobald es nicht geschehen ist", sagt er zu den Freilassungen und warnte davor, der Hamas zu trauen.
Unklar ist auch, was die Geiselnahme auf lange Sicht mit den Menschen gemacht hat. Über mehrere Tage sollen die Rückkehrer erstmal zur Behandlung im Krankenhaus bleiben. Dort haben sich spezielle Teams auch auf den Umgang mit Kindern vorbereitet. Ärzten zufolge geht es ihnen bisher körperlich gut.
ZDFheute Infografik
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"Es liegen noch schwierige Tage vor mir"

Aber auch Joni weiß, dass dies täuschen kann. "Es liegen noch schwierige Tage vor mir", sagt Joni. Er sei entschlossen, seiner Familie zu helfen, "sich von dem schrecklichen Trauma und dem Verlust, den wir erlitten haben, zu erholen - für die Zukunft meiner Töchter und meiner Frau".
Jonis Frau verlor bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober ihre Mutter, seine beiden Töchter ihre Oma. Sie gehört zu den rund 1.200 Menschen, die an dem Tag von Terroristen ermordet wurde. Ihr Partner wird noch immer im Gazastreifen vermutet. Ob die Kinder und Jonis Frau vor ihrer Freilassung von dem Tod wussten, ist unklar - auch wie viele Informationen sie im Gazastreifen über das Massaker erhalten haben. Öffentlich wollten sie zunächst nicht auftreten.
Quelle: Christina Storz, dpa

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