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: Wie geht es für Netanjahu nun weiter?

21.05.2024 | 16:17 Uhr
Nach dem Antrag des Chefanklägers könnte der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu erlassen. Was würde das bedeuten? Fragen und Antworten.

Die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs im Zusammenhang mit dem Gazakrieg haben ein weltweites Echo ausgelöst.

21.05.2024 | 01:45 min
Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Gallant sowie gegen drei Hamas-Führer wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt. Israel zeigte sich empört. Wie geht es nun weiter? Wichtige Fragen und Antworten.

"Hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt", kritisiert CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.

21.05.2024 | 04:37 min

Wie lange dauert es bis zu einer Entscheidung über den Antrag in Den Haag?

Der Antrag des Chefanklägers Karim Khan geht an eine Kammer des IStGH mit drei Richtern: Den Vorsitz hat die Richterin Iulia Motoc aus Rumänien, dazu kommen die mexikanischen Richterin Maria del Socorro Flores Liera und die Richterin Reine Alapini-Gansou aus Benin.
Es gibt keine Frist, innerhalb derer die Richter entscheiden müssen, ob sie einen Haftbefehl erlassen. In früheren Fällen haben die Richter zwischen einem Monat und mehreren Monaten für eine Entscheidung gebraucht.

US-Präsident Biden hat sich schützend hinter Israels Regierungschef Netanjahu gestellt. Zuvor waren Anträge auf Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gestellt worden.

21.05.2024 | 00:23 min

Was kann Israel tun?

Israel könnte das Verfahren zumindest aufhalten, indem es selbst Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen aufnehmen würde - darauf weist auch der Chefankläger hin. Israel ist kein Vertragsstaat des IStGH.
Khan warnte, dass eine Verweisung von Fällen an die nationalen Behörden nur dann möglich sei, "wenn diese unabhängige und unparteiische Gerichtsverfahren einleiten, die Verdächtige nicht schützen und keine Täuschung darstellen".

Bei aller Israel-Solidarität - käme es zu einem Haftbefehl gegen Premier Netanjahu, müsste er bei einem EU-Besuch "verhaftet und überstellt werden", so ZDF-Korrespondent Florian Neuhann.

20.05.2024 | 01:23 min

Wie könnte ein Haftbefehl konkret aussehen?

Wenn die Richter zu dem Schluss kommen, dass es "vernünftige Gründe" für die Annahme gibt, dass Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sind, stellen sie einen Haftbefehl aus.
Der Haftbefehl muss den Namen der Person sowie die spezifischen Verbrechen enthalten, für die eine Verhaftung beantragt wird. Die Richter können die Haftbefehlsanträge aber auch ändern oder nur Teile des Antrags der Staatsanwaltschaft bewilligen.

Was ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH)?

Quelle: dpa
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist ein unabhängiger Gerichtshof mit Sitz in Den Haag, Niederlande. Seit 2003 hat er die Aufgabe, besonders schwere Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression zu verfolgen. Der IStGH soll dazu beitragen, das humanitäre Völkerrecht und das internationale Völkerstrafrecht wirksamer durchzusetzen und gravierende Lücken bei der Strafverfolgung zu schließen.

Der Gerichtshof wird nur dann tätig, wenn die nationalen Strafverfolgungsbehörden nicht willens oder nicht in der Lage sind, entsprechende Verbrechen zu verfolgen. Einige Staaten äußern Bedenken hinsichtlich möglicher Eingriffe in ihre eigene staatliche Souveränität. Die USA, Russland und China erkennen die Legitimität des Gerichtshofs nicht an. Auch Israel erkennt das Gericht nicht an, die palästinensischen Gebiete sind aber Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln. Deutschland spricht sich für eine universelle Anerkennung des IStGH aus.

Was ist der Unterschied zum IGH?

Der IStGH kann nur gegen Personen ermitteln, nicht gegen Staaten. Das ist auch der wesentliche Unterschied zum Internationalen Gerichtshof (IGH). Dieser hat zwar ebenfalls seinen Sitz im niederländischen Den Haag. Allerdings werden vor dem IGH Konflikte zwischen Staaten verhandelt. Darüber hinaus ist der IGH – im Gegensatz zum IStGH – Teil der Vereinten Nationen.

Können Netanjahu und Hamas-Chef Sinwar noch reisen?

Ja, das können sie. Weder die Beantragung eines Haftbefehls noch der Erlass eines IStGH-Haftbefehls schränkt die Reisefreiheit einer Person ein. Sobald jedoch ein Haftbefehl ausgestellt wurde, besteht die Gefahr, dass sie verhaftet werden, wenn sie in einen IStGH-Unterzeichnerstaat reisen, was ihre Entscheidungsfindung beeinflussen kann.
Russlands Präsident Wladimir Putin, gegen den ein internationaler Haftbefehl bereits vorliegt, ist unter anderem deshalb nicht zu den G20-Gipfeln ins Ausland gereist. Politikern oder Diplomaten ist es nicht untersagt, Personen zu treffen, gegen die ein IStGH-Haftbefehl vorliegt. Politisch gesehen könnte dies jedoch ein schlechtes Bild abgeben.

Der Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ist groß. Forderungen zur Befreiung der Geiseln und kritische Stimmen innerhalb der Regierung werden immer lauter.

19.05.2024 | 01:44 min

Droht Netanjahu nach dem Erlass des Haftbefehls eine Festnahme?

Das Gründungsstatut des IStGH verpflichtet alle 124 Unterzeichnerstaaten des IStGH, jede Person, gegen die ein IStGH-Haftbefehl vorliegt, festzunehmen und auszuliefern, wenn sie ihr Hoheitsgebiet betritt. Allerdings kann der Gerichtshof eine Verhaftung nicht erzwingen.
Die Sanktion für die Nichtverhaftung einer Person ist die Rücküberweisung an die Versammlung der IStGH-Mitgliedsstaaten und schließlich die Überweisung an den UN-Sicherheitsrat. Nach den Regeln des Gerichtshofs kann der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, die eine Untersuchung oder eine Strafverfolgung für ein Jahr aussetzen oder aufschieben würde - mit der Möglichkeit, dies auf unbegrenzte Zeit zu verlängern.

Gibt es Rückwirkung auf andere Verfahren?

Sollten die Richter zu dem Schluss kommen, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Netanjahu und Gallant im Gazastreifen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, könnte dies die Forderungen nach einem Waffenembargo in anderen Ländern verstärken.

Wie steht Deutschland zu den Anträgen?

Die Bundesregierung begrüßt die beantragten Haftbefehle gegen die Hamas-Anführer. Eine Regierungssprecherin teilt ZDFheute mit: "Angesichts der Gräueltaten des 7. Oktober, der andauernden Geiselhaft vieler Menschen und der ja weiterhin stattfindenden Angriffe der Hamas auf Israel ist dies nur folgerichtig."
In Bezug auf die beantragten Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant sagt die Sprecherin deutlich: "Die Bundesregierung weist jeden Anschein von Vergleichbarkeit auf das Entschiedenste zurück." Ein Richtergremium werde in den nächsten Wochen darüber entscheiden, ob Haftbefehle ausgestellt werden. "Dies gilt es abzuwarten."
Die Bundesregierung habe stets betont, "dass Israel das Recht hat, sich im Einklang mit dem Völkerrecht gegen die mörderischen Angriffe der Hamas zu verteidigen", so die Sprecherin weiter. "Vor diesem Hintergrund wiegen die Vorwürfe des Chefanklägers schwer und müssen belegt werden. Deutschland geht davon aus, dass dabei maßgeblich berücksichtigt wird, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat mit einer starken, unabhängigen Justiz ist."
Quelle: Reuters

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