: Wie China zwischen Hitze und Flut lebt

von Luisa Houben, Peking
30.06.2024 | 08:18 Uhr
Im Norden Chinas herrscht Hitze, im Süden Hochwasser. Aufgrund des Klimawandels häufen sich die Extremwetter-Ereignisse. Wie die Regierung in Peking versucht gegenzusteuern.
Extremwetter wie Überflutungen oder Dürre führen zu Milliardenschäden in China. Wie die Regierung in China in erneuerbare Energien investiert und dem Klimawandel gegensetuern will.Quelle: AP
Die Verzweiflung ist ihr ins Gesicht geschrieben: "Ohne Wasser gibt es kein Essen", sagt Zhang Junying und weint. Sie ist Landwirtin in der chinesischen Provinz Shandong. Seit Wochen hat es dort, im Nordosten Chinas, nicht geregnet. Die Folgen sind trockene Felder und schlechte Aussichten für die diesjährige Mais-Ernte. Sie und viele andere Landwirte stehen vor dem Ruin.
Nicht nur in Shandong, sondern in weiten Teilen im Norden Chinas bestimmt aktuell eine Hitzewelle den Alltag der Menschen. "Es hat hier zwei Monate nicht geregnet", sagt Landwirt Wang Cuiping der Nachrichtenagentur Reuters. Dazu kommen Temperaturen von um die 40 Grad Celsius.

China ist eines der wasserreichsten Länder der Welt, doch 80 Prozent davon liegen im Süden. Der dicht besiedelte Norden ist zu trocken.

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47 Tote im Süden Chinas

Gleichzeitig wird der Süden Chinas von starken Regenfällen heimgesucht. Sie sorgen für Überschwemmungen, Erdrutsche und Schlammlawinen. "Die Hochwassersaison hat dieses Jahr im April begonnen, früher als je zuvor", sagt Jun Ma im Gespräch mit ZDFheute. Es regne "nonstop". Jun Ma ist Direktor des "Institute of Public and Environmental Affairs" in Peking. In der Provinz Guangdong kostete das Hochwasser Mitte Juni mindestens 47 Menschen das Leben.
Es ist normal, dass es in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni im Süden Chinas heftig regnet. Es ist Flut-Saison. Doch dieses Jahr berichtet der staatliche Fernsehsender für die Guangdong Provinz von einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von umgerechnet mehr als einem Meter pro Quadratmeter. Es sei 76 Prozent mehr als sonst gewesen.
Es wurden Bäume umgerissen, Straßen und Häuser zerstört. Allein in zwei Landkreisen ist ein wirtschaftlicher Schaden von mehr als umgerechnet einer halbe Milliarde Euro entstanden.

Mehr Resilienz dank Frühwarnsystemen

Dürren und Fluten kennt China. Doch wegen des Klimawandels häufen sich die Extremwetter. "Das ist eine Herausforderung für China und die ganze Welt," sagt Changhua Wu im Gespräch mit ZDFheute. Sie ist Politikberaterin und spezialisiert auf Chinas Klimaschutz- und Transformationsprozesse.
Das Land sei dabei ein Frühwarnsystem aufzubauen, um Schäden zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. "Natürlich muss auch die Gesellschaft mobilisiert werden", sagt Changhua Wu. Das Bewusstsein für den Klimawandel und seine Konsequenzen werde immer größer.
Auch bei der Regierung, sagt Sonja Peterson vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.
Peking nimmt den Klimawandel durchaus ernst und unternimmt auch erkennbare Anstrengungen, die eigenen Emissionen zu senken.
Sonja Peterson, Kieler Institut für Weltwirtschaft
Dafür spreche, dass Peking eine ganze Reihe an Maßnahmen eingeführt habe, zum Beispiel ein Emissionshandelssystem im Stromsektor. Es soll Unternehmen dazu anregen, Energie zu sparen.
Jedoch soll dieses System teilweise auch zu Stromausfällen beitragen. Einerseits, weil Kraftwerke stillstehen, um Emissionen einzusparen. Andererseits, weil dadurch der Strompreis steigt. Denn durch die Begrenzung der Emissionsmenge und einer Verknappung der Emissionszertifikate, müssen beispielsweise Kraftwerke mehr dafür zahlen.

China investiert in erneuerbare Energien

Gut steht China da, wenn es um erneuerbare Energien geht. Hier werden so viele Solarparks, Windparks und Elektroautos gebaut wie sonst nirgends. 2022 investierte China umgerechnet über 250 Milliarden Euro in erneuerbare Energien. Zum Vergleich: In Europa waren es etwas mehr als 52 Milliarden Euro, in den USA rund 46,6 Milliarden.
China setzt damit auf eine viel gefragte Technologie. Nicht nur, um wettbewerbsfähig zu sein, sagt Wirtschaftsexpertin Peterson. China will selbst bis 2060 klimaneutral sein.
Doch um das selbst gesteckte Klimaziel zu schaffen, brauche es mehr "fundamentalen Wandel", sagt Umweltschützer Jun Ma. "Der Bedarf an Kohle ist weiter sehr hoch, auch weil der Energiebedarf des Landes sehr hoch ist." Besonders die Stahl-, Eisen- und Zementproduktion verlasse sich auf fossile Energie. Energiesicherheit ist ein wichtiger Pfeiler von Pekings Innenpolitik.

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China läuft hinterher

Und so steigen die Emissionswerte weiter, anstatt sich abzusenken. Der Emissions-Peak soll erst in den nächsten Jahren erreicht werden, Präsident Xi sagt vor 2030. Denn: "China sieht nicht die Notwendigkeit voranzugehen." Einerseits weil es sich selbst als Entwicklungsland sähe, andererseits weil sich Peking stark an den USA orientiere. "Und der Westen ist durch die Nutzung fossiler Energien reich geworden", so Peterson.
Die Landwirte Wang Cuiping und Zhang Junying im Norden Chinas haben keine Wahl. Sie müssen jetzt handeln. Um ihre Ernte zu retten, versuchen sie einen seit Jahrzehnten unbenutzten Brunnen zu reaktivieren. In der Hoffnung mit einer Hochdruckwasserpumpe das Grundwasser anzapfen zu können.
Andere haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden: "Es gibt keine Lösung für diesen Wassermangel. Er kann nicht gelöst werden", sagte die 45-jährige Landwirtin Qing Ya. "Die Dürre ist schlimm dieses Jahr. In den letzten Jahren hat es zumindest etwas geregnet. Dieses noch nicht."

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Quelle: mit Material von Reuters und AP

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