: Wie russisches Öl nach Deutschland kommt

von Nicola Vitense-Lukat
01.10.2023 | 18:55 Uhr
Westlichen Sanktionen zum Trotz läuft der Handel Öl gegen Geld zwischen Russland und Indien ausgezeichnet. Auf Umwegen kommt russisches Öl so auch nach Deutschland.
Ölförderung in Sibirien, Russland (Archivfoto) Quelle: Reuters
Die letzten roten Teppiche, auf denen vor kurzem die Regierungschefs der G-20-Nationen liefen, sind eingerollt. Bunte Blumentöpfe, die Delhi kurzfristig in ein tropisches Gartenparadies verwandelt hatten, wieder eingelagert und die grünen Zäune, Blickschutz gegen die Armut in der Stadt, abgebaut.
Indien hat sich von seiner besten Seite gezeigt, nicht nur optisch, sondern auch politisch. Ist für den erfolgreichen Gipfel von allen Seiten gelobt worden.

In der Abschlusserklärung des G20-Gipfels bleibt eine direkte Verurteilung Russlands für den Krieg in der Ukraine aus.

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Indien hat politisch an Bedeutung gewonnen

Das Land, jahrzehntelang nur Außenseiter und passiver Zuschauer auf der globalen Weltbühne, hat unter Regierungschef Modi Einlass in die Amtssitze der einflussreichen Staaten der Welt erlangt. Washington, London, Moskau, Berlin, überall wird er mit offenen Armen empfangen, jeder möchte ihn als seinen Freund und Partner.
"Modi ist Pragmatiker", so charakterisiert Harsh Pant, Vizepräsident der Oberserver Research Foundation in Neu-Delhi, den indischen Regierungschef. "Er versucht, überall Partnerschaften und Kooperationen zu schaffen, um Indien bei dem ehrgeizigen Vorhaben, bis 2047 den Status einer Industrienation zu erreichen, voranzutreiben." Wo gute Kontakte bestehen, laufen auch die Geschäfte rund.
Zu Russland haben wir schon seit ewigen Zeiten einen guten Draht. Als niemand Waffen oder neue Technologien nach Indien exportieren wollte, stand Russland auf unserer Seite.
Harsh Pant, Oberserver Research Foundation in Neu-Delhi
Bis heute bezieht Indien über 55 Prozent der Rüstungsimporte von dort.

Indien profitiert von billigem Öl aus Russland

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist ein weiteres Geschäftsfeld zwischen den beiden Ländern kräftig gewachsen - Rohöl. Indien hat seit Februar 2022 den russischen Anteil seiner Rohölimporte von 1,6 Prozent auf 34 Prozent gesteigert.
Während Russland, behindert durch Sanktionen und Preisdeckelungen, neue Absatzmärkte für seine Ölexporte sucht, profitiert das energiehungrige Indien von den billigen Importen des langjährigen Partners.
Indiens Politik wird von wirtschaftlichen Entwicklungen gesteuert, Armut ist weiterhin ein großes Problem. Man kann sich vorstellen, welchen Druck hohe Energiekosten auf die Regierung ausüben.
Harsh Pant, Oberserver Research Foundation in Neu-Delhi
"Dass die Regierung die opportune Chance nutzt, ist verständlich", ergänzt Pant. Riesige Industriekomplexe, Millionen von Verkehrsmitteln, die täglich Menschen und Güter durch das Land transportieren. Gigantische Bedürfnisse in einem Land, in dem über 1,4 Milliarden Menschen leben.

Deutsche Ölproduktimporte aus Indien verzwölffacht

Dringend benötigt werden jedoch auch Devisen, die mit der Petro-Rupie eingenommen werden können. In Raffinerien wird das Rohöl zu Gasölen, Benzin und weiteren Produkten verarbeitet, bevor es auf dem Weltmarkt weiterkauft wird. Auch Deutschland kauft Made-in-India ein.

Massive Sanktionen des Westens gegen Russland umgeht Moskau auch durch schrittreife Öltanker auf der Ostsee.

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Laut des statistischen Bundesamts hat Deutschland in den ersten sieben Monaten des Jahres Mineralölprodukte in Höhe von 451 Millionen Euro aus Indien erworben. Die Menge hat sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzwölffacht.
Dass dabei auch russisches Öl trotz Sanktionen seinen Weg nach Deutschland gefunden hat, ist offensichtlich. Politikexperte Pant analysiert:
Europa kann nicht darüber hinwegsehen, dass raffiniertes russisches Öl über indirekte Wege auf seine Märkte gelangt und Indien darin involviert ist. Aus welchem anderen Grund hält es sich sonst mit seiner Kritik an Indien zurück?
Harsh Pant, Oberserver Research Foundation in Neu-Delhi

Russlands wohl großer Profiteur indischer Ölgeschäfte

Wenig Verständnis für das europäische Unbehagen gegenüber dem russisch-indischen Geschäft zeigt auch K.C. Ramesh, Direktor der stattlichen Öl- und Gasgesellschaft (ONGC):
Wir helfen doch der globalen Wirtschaft, indem wir aus Russland kaufen. Damit öffnen wir Bestände aus den OPEC Staaten, die von anderen Ländern, vor allen Europa, gekauft werden können.
K.C. Ramesh, Direktor der stattlichen Öl- und Gasgesellschaft
Was nach Win-Win-Situation für alle klingt, ist vor allem eines: ein gutes Geschäft für Russland. Nach aktuellen Berichten wird Russland immer spitzfindiger in der Umgehung der Sanktionen und Preisdeckelung.
Die Kyiv School of Economics (KSE) vermutet der Financial Times zufolge, dass die russischen Öleinnahmen dieses Jahr um mindestens 14 Milliarden Euro höher ausfallen könnten - allen Sanktionen zum Trotz.
Nicola Vitense-Lukat ist Autorin im ZDF-Studio Singapur.

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