: Games-Gigant Steam verkauft Terror-Propaganda

von Nils Metzger
20.11.2023 | 17:33 Uhr
Steam, die weltgrößte Plattform für Computerspiele, verkauft ein Spiel, das für Selbstmordattentate wirbt, bei denen man "Zionisten" abschlachten und den Tempelberg erobern soll.
Propaganda für Terrorgruppen: Ein Screenshot aus dem Videospiel "Fursan al-Aqsa". Auf dem Plakat im Hintergrund ist die PFLP-Terroristin Leila Khaled zu sehen.Quelle: Nidal Nijm Games
Um Gnade flehende israelische Soldaten mit einem Schwert enthaupten; "Zionisten" mit einem Panzer überrollen; wie die Hamas bei ihrem Überfall am 7. Oktober mit einem Gleitschirm nach Israel eindringen und sich in einer Militärbasis in die Luft sprengen.
Solche Terror-Propaganda als Videospiel gibt es nicht nur in den dunklen Ecken des Internets, sondern man kann sie ganz offen auf Steam, der weltgrößten Plattform für PC-Gaming, für knapp 15 US-Dollar kaufen. Ein Problem damit hat der US-Milliardenkonzern hinter Steam offenbar nicht.

Videospiel macht Werbung für den Märtyrertod

"Fursan al-Aqsa - die Ritter der al-Aqsa-Moschee" nennt sich der Shooter des brasilianisch-palästinensischen Entwicklers Nidal Nijm. Nach eigenen Angaben will er lediglich die palästinensische Perspektive im Konflikt zeigen. "Dieses Spiel verbreitet keinen Hass gegen Juden", heißt es auf der Steam-Verkaufsseite.

Die Hamas verbreitet in den Sozialen Medien Propaganda-Videos, die den Angriff auf Israel am 7. Oktober verherrlichen.

26.10.2023 | 02:27 min
Tatsächlich leitet das Spiel die Nutzer dazu an, sich islamistischen Terrororganisationen anzuschließen und im Kampf gegen Israel zu sterben. Wird der Spieler getötet, erscheint auf dem Bildschirm ein Ausruf, den man auch auf Beerdigungen von Hamas-Kämpfern hört: "Freue dich, Mutter des Märtyrers! Bereite deinen Sohn vor auf seine Heirat im Himmel." Kurz bevor er sich und eine Gruppe israelischer Soldaten mit einem Sprengstoffgürtel tötet, sagt ein Charakter zur Spielerfigur:
Entweder gewinnen wir, oder wir werden Märtyrer - beides ist ein Sieg!
Dialogzeile aus "Fursan al-Aqsa"
Wer mindestens zehn "Zionisten" mit einem Messer tötet, wird mit dem Steam-Achievement "Schwert Allahs" belohnt. In einer Mission soll man Raketen in Richtung Israel abfeuern, ein anderes Mal verfüttert man einen gefangenen israelischen Kommandeur an einen Hai. Eine Animation zeigt schließlich, wie man vor einem Leichenberg israelischer Soldaten auf dem Tempelberg in Jerusalem betet, dazu wird aus dem Koran rezitiert: "Kämpft gegen sie! Allah wird sie durch eure Hände strafen (…)."

Die Hamas ist eine der reichsten Terrorgruppen weltweit und hat hunderte Millionen Dollar angehäuft, auch über Hilfe aus Katar und Iran, so Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler.

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Mehr Aufmerksamkeit seit Hamas-Überfall auf Israel

Präzise Verkaufszahlen veröffentlicht Steam nicht, ein Verkaufsschlager war das Spiel bislang nicht. Im Vergleich mit bekannten Serien wie Call of Duty ist es amateurhaft produziert. Doch liest man die Fankommentare der vergangenen Wochen auf Steam, erlaubt es offenbar manchen Gamern, ihre persönlichen Terror-Fantasien auszuleben.
"Gibt es Gleitschirme im Spiel? Ich will wissen, wie realistisch es ist, bevor ich es kaufe", fragt ein Nutzer am 9. Oktober, zwei Tage nachdem die Hamas mit eben solchen Gleitschirmen Israel überfallen hatte. Ein anderer Spieler mit Wehrmacht-Soldaten im Profilbild antwortet: "Ja, und sie sind sehr realistisch und cool." Spielentwickler Nijm reagiert darauf mit einem lachenden Smiley.
ZDFheute Infografik
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Seit April 2022 ist das Spiel offiziell auf Steam erhältlich, ein Drittel der knapp 300 Nutzerrezensionen kamen in den letzten 30 Tagen hinzu. Sie sind zu 98 Prozent positiv. "Mögen die Zionisten untergehen." Oder:
Das erste Spiel, das nicht nur westliche Propaganda ist und echte Helden darstellt.
Nutzerbewertung auf Steam für "Fursan al-Aqsa"

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Steam verdient an jedem verkauften Spiel

Für Gamer ist Steam wie Amazon und Facebook in einem - hier gibt es Spiele zu kaufen und dazu das soziale Netzwerk, in dem man gemeinsam mit Freunden zocken und sich über Spiele austauschen kann. Bis zu 33 Millionen Menschen sind jeden Tag auf Steam aktiv und spülten 2022 fast 8,8 Milliarden US-Dollar in die Kassen von Valve, dem US-Konzern hinter der Plattform. Von jedem verkauften Spiel gehen 20 bis 30 Prozent des Erlöses an Valve - auch an diesem Werbespiel für Terrorgruppen verdient das Unternehmen also. Auf eine umfangreiche ZDF-Anfrage reagierte Valve nicht.
Die meisten Gamer wollen einfach nur ihrem Hobby nachgehen, doch Steam hat laut Experten seit Langem auch ein Problem mit seinem laxen Umgang mit Extremismus auf der Plattform. Rechtsextremistische und sogar den Nationalsozialismus verherrlichende Inhalte können dort oft ohne Konsequenzen verbreitet werden. Die 2020 in Deutschland verbotene Gruppe "Nordadler" etwa hatte sich laut ZDFheute-Recherchen auch auf Steam vernetzt und ihre Ideologie dort offen zur Schau gestellt.

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"Vor allem in den Bereichen, die von Nutzer*innen mitgestaltet werden, sehen wir seit Jahren Unmengen an menschenverachtenden Inhalten", sagt Mick Prinz, der bei der Amadeu-Antonio-Stiftung zu Extremismus im Gaming-Bereich forscht. Explizite Gewaltvideos gegen Jüd*innen könnten auf Steam mit nur wenigen Klicks gefunden werden, so Prinz.
Antisemitismus ist schon lange ein Problem auf der Plattform. Seit dem 7.Oktober hat sich die Diffamierung jüdischen Lebens und eine Delegitimierung Israels aber potenziert.
Mick Prinz, Amadeu-Antonio-Stiftung

Entwickler dankt Steam, dass sie sein Spiel weiter anbieten

Auf ZDF-Anfrage hin bestreitet Entwickler Nidal Nijm, dass sein Spiel antisemitische und terroristische Inhalte verbreite. Gegen das israelische Militär zu sein, habe nichts mit einer Ablehnung der jüdischen Religion zu tun, teilt er mit. "Ich sehe den palästinensischen Widerstand nicht als Terrorismus an. Ich betrachte die israelischen Soldaten als die größten Terroristen der ganzen Welt." Bereits am 10. Oktober hatte er auf seiner Steam-Seite eine Stellungnahme veröffentlicht:
Ihr wisst alle, dass viele pro-israelische Gruppen mein Spiel um jeden Preis verbieten wollen. (…) Ich danke Steam und Valve, dass sie nicht einknicken unter dem Druck dieser Gruppen, die mein Recht auf freie Meinungsäußerung und Kreativität zensieren möchten.
Nidal Nijm, Spieleentwickler
"Ja, ich unterstütze den palästinensischen Kampf gegen Israel, aber ich unterstütze keine spezifische politische Gruppe. (…) Mit vielen Dingen, die ich gerade sehe, bin ich nicht einverstanden (…), insbesondere dem Töten von Zivilisten auf beiden Seiten." Diese Distanzierung vom jüngsten Terrorangriff der Hamas könnte womöglich nur eine Schutzbehauptung sein, um nicht von Steam gesperrt zu werden.
Auf dem offiziellen Social-Media-Kanal des Spiels schrieb Nijm am 11. November: "Wann immer wir Zionisten töten, haben wir ein moralisches Recht dazu." Gegenüber dem ZDF rechtfertigt sich Nijm, auch diese Aussage habe sich auf "israelische Soldaten" bezogen. "Sie verdienen es, ohne Gnade getötet zu werden", sagt Nijm. Dass Hamas-Terroristen wie in seinem Spiel mit Paraglidern angeflogen kamen, habe ihn "gefreut", denn "es hat zu vielen lustigen Memes über mein Spiel geführt", so Nijm ohne jedes Mitgefühl für die Opfer.

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Steam hat das Spiel im Blick, verkauft es aber weiter

Welche Inhalte das Spiel verbreitet, dürfte Steam bewusst sein. Für Kunden aus Deutschland hat Valve es offiziell aus dem Verkauf genommen - "in Folge einer Aufforderung deutscher Behörden", teilt Nijm mit. "Dieses Produkt steht in Ihrem Land derzeit nicht zur Verfügung", heißt es auf der Shop-Seite. Doch diese Beschränkung lässt sich mit minimalem technischen Aufwand umgehen. Außerhalb Deutschlands ist der Titel frei erhältlich.
"Vor allem für Betroffene und jene, die sich mit den Terrorvideos der letzten Wochen beschäftigen mussten, ist kaum zu ertragen, dass so ein Propaganda-Spiel auf Steam erhältlich ist", sagt Experte Prinz. Es gehe hier auch nicht um eine vermeintliche Killerspieldebatte - Spiele könnten ernste Themen aufbereiten und auch Gräueltaten von Kriegen thematisieren. "Dieses Spiel gehört auf keinen Fall in diese Kategorie", so Prinz. Es sei durchzogen von menschenverachtenden Darstellungen und Antisemitismus.
Was wir hier sehen, ist Glorifizierung von Terrorismus, die weder auf Steam, noch auf sonst einer Seite angeboten werden sollte.
Mick Prinz, Amadeu-Antonio-Stiftung

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