: Wenn "Schlange stehen" zum Beruf wird

von Céline Schuster, New York City
22.06.2024 | 21:20 Uhr
25 Dollar pro Stunde – so viel verdienen die "Same Ole Line Dudes". Teils tagelang warten sie für ihre Kunden in Schlangen. Diese bekommen dann als erste z.B. das neueste Iphone.
People make their way around Times Square during a rainy day in New York City. U.S., May 5, 2024. REUTERS/Eduardo MunozQuelle: Reuters
Robert Samuel sitzt in einem blau-gelben Zelt vor dem Geschäft 260 Sample Sale in New York City. Hier findet um 11:00 Uhr ein Musterverkauf der Mode-Marke L’Agence statt. Er ist der erste in einer immer länger werdenden Schlange. #LINEDUDES steht auf der Cap, die er trägt. Sie ist Merchandise seines Unternehmens "Same Ole Line Dudes", was frei übersetzt so viel heißt wie "die selben, alten 'Schlangen-Steh Typen’".
Vor zwölf Jahren hat er seine Firma gegründet. Das Konzept ist simpel: Die Kunden bezahlen ihn oder seine Mitarbeiter dafür, für sie in einer Warteschlange zu stehen - teils sogar tagelang. Dafür sind die Kunden dann ganz vorne bei Konzerten, ergattern einen Tisch in einem angesagten Restaurant oder können eben als erste bei einem Musterverkauf shoppen.

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Für Musical Tickets vier Tage Schlange stehen

Ungefähr zwei Stunden wartet Robert Samuel für seine heutige Kundin darauf, dass der Laden aufmacht. Im Vergleich zu anderen Aufträgen ist das nicht lange, so Samuel: "Die längste Wartezeit für eine Veranstaltung in New York hatten wir für das Musical Hamilton."
Wir haben bis zu vier Tagen gewartet, damit unsere Kunden die Show mit der Original-Broadway-Besetzung sehen konnten, bevor sie zu Ende ging.
Robert Samuel, Gründer der "Same Ole Line Dudes"
Er wechsle sich bei solchen Wartezeiten jedoch auch mit seinen Kollegen ab. Zwischendrin mal kurz die Schlange zu verlassen, um auf die Toilette zu gehen oder sich etwas zu Essen zu holen, sei kein Problem. Die Line Dudes reden mit den Leuten um sich herum, führen Listen und machen Kameraaufnahmen, um ihren Platz zu sichern.

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Viele Touristen in New York City als Kunden

Viele von Robert Samuels Kunden seien "Stay-at-Home Moms", also Mütter, die zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Oder und Touristen bzw. Personen, die nur zeitweise in der Stadt sind. So auch seine heutige Kundin, Evee. Sie ist zwar gebürtige New Yorkerin, lebt jedoch zeitweise in Kanada oder Griechenland.
Aktuell ist sie für eine Woche in der Metropole. Kurz vor 11:00 Uhr kommt sie vor dem Geschäft an und umarmt Robert Samuel lange zur Begrüßung. Sie arbeiten schon seit zwölf Jahren zusammen. "Robert ist sehr professionell und bietet diesen Service außergewöhnlich gut an", schwärmt sie. Wenn sie in New York City ist, würde sie ihn oder seine Kollegen mindestens einmal die Woche buchen. Normalerweise berechnet Robert Samuel pro Stunde 25 Dollar - Musterverkäufe starten jedoch bei 65 Dollar. Für Evee lohnt sich das:
Ich möchte meine Zeit nicht in der Warteschlange verbringen. Und ich will immer die Erste in der Schlange sein.
Evee, Kundin der "Same Ole Line Dudes"
Dafür Geld zu zahlen, finden viele übertrieben. Robert Samuel hingegen findet es fair: "Wenn man an all die Dinge denkt, für die wir Menschen bezahlen, an all die Dienstleistungen: Wir bezahlen Leute dafür, auf unsere Hunde aufzupassen, wir bezahlen Leute fürs Babysitten, damit sie auf unsere Kinder aufpassen." Für Samuel steht das alles auf einer Stufe mit der Dienstleistung, die er anbietet. "Warum können wir nicht auch Leute dafür bezahlen, dass sie sich anstellen und die Schlange für sie halten?"

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Professionelles Anstehen als Erfolgsmodell in den USA

Mittlerweile würden sie laut Robert Samuel täglich gebucht werden. Die "Same Ole Line Dudes" haben das Anstehen in Amerika professionalisiert. Wenn sie eine Anfrage bekommen, geben sie diese an ihr Team weiter. Wenn einer der "Same Ole Line Dudes" den Auftrag übernimmt, setzt er sich mit dem Kunden in Kontakt. Dann überprüfen und bestätigen sie den Auftrag nochmal gemeinsam. Sobald der "Line Dude" vor Ort ist, schickt er dem Auftraggeber eine SMS mit einem Foto und dem ungefähren Platz in der Schlange. Der Kunde schreibt oder ruft an, wenn er in der Nähe ist. Sobald er ankommt, tauschen sie die Plätze.
So haben es auch Robert Samuel und Evee gemacht. Gut gelaunt steht sie nun mit einer Cola Zero in der einen und einem Zigarillo in der anderen Hand ganz vorne in der Schlange. Evee wartet nicht einmal zehn Minuten, bis das Geschäft auf macht. Ausgeschlafen und entspannt kann sie als eine der ersten bei dem - an sich schon stressigen - Musterverkauf shoppen.
"Sie sind alle Rockstars", sagt Evee. Damit meint sie aber nicht nur die männlichen Mitarbeiter. Robert Samuel und sein Team nennen sich zwar "Line Dudes", doch er stellt klar: "Es war ,Line Dude’, weil es zuerst nur ich war - aber wir diskriminieren niemanden. Wir haben auch einige ,Line Dudettes’, wie sie sich selbst nennen wollen."

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