Analyse

: Xi in Europa: Welche Ziele China verfolgt

von Elisabeth Schmidt, Peking
06.05.2024 | 13:28 Uhr
Zum ersten Mal seit fünf Jahren reist Xi in die EU. Neben einer Bilderbuch-Tour in den Pyrenäen sind von ihm aber auch scharfe Töne Richtung Brüssel und die Nato zu erwarten.

Frankreichs Präsident Macron und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen diskutieren mit Chinas Staatschef über die Handelsbeziehungen und den Ukraine-Krieg.

06.05.2024 | 02:45 min
In China sind die Bilder von Emmanuel Macrons Besuch noch lebhaft in Erinnerung: April 2023, der französische Präsident zu Gast im südchinesischen Guangzhou, umworben und geehrt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping mit einer traditionellen Teezeremonie. Fast ein Jahr später findet jetzt der Gegenbesuch statt. Auf dem Programm steht auch eine Reise zum Col du Tourmalet in den Pyrenäen, einer der berühmtesten Anstiege der Tour de France.
In der Nähe des Bergpasses lebten Macrons Großeltern, die ihm sehr nahestanden. Französische Medien mutmaßen, Macron wolle sich auf diese Weise bei Xi revanchieren. Denn auch Chinas Staatschef hatte in Guangzhou persönliche Erinnerungen geteilt - sein Vater war dort Provinzgouverneur gewesen.

Scholz und Xi wollen sich um Frieden in der Ukraine bemühen, den kleinsten gemeinsamen Nenner. Während Deutschland De-Risking anstrebe, möchte China mehr Kooperation.

16.04.2024 | 02:29 min

Was will Xi in Frankreich erreichen?

Vor 60 Jahren nahm Frankreich als erstes westliches Land diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik auf. Daran erinnert Xi in einer vorab veröffentlichten Rede und betont fast schon überschwänglich, "Frankreich übt eine Faszination auf uns Chinesen aus". Er nennt französische Philosophen, Schriftsteller und Künstler.
Die beiden Staaten kooperieren beim Wiederaufbau der Notre Dame in Paris und bei der Konservierung der weltberühmten Terrakotta-Armee in Xi’an. Xi ziele darauf ab, "eine stabile Beziehung mit Europa in einer turbulenten Welt aufzubauen", erläutert Abigaël Vasselier vom Mercator Institut for China Studies. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der anhaltenden Spannungen der Volksrepublik mit den USA.
China braucht Europa.
Abigaël Vasselier, Mercator Institut for China Studies

Die Reise des Kanzlers nach China sollte eigentlich einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt haben. Doch die iranischen Angriffe auf Israel zwingen Scholz zur Krisendiplomatie.

14.04.2024 | 03:59 min

Strafzölle und Ukraine-Krieg

Doch auch die Beziehungen zur EU sind angespannt. Dabei wird es sicher auch beim gemeinsamen Treffen von Xi, Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Paris gehen. Frankreich war Treiber der EU-Untersuchungen zu unfairen Wettbewerbspraktiken gegen zahlreiche chinesische Exportgüter, unter anderem Elektroautos. Einen weiteren Handelskrieg will Xi mit Blick auf die angeschlagene Wirtschaft im eigenen Land auf jeden Fall vermeiden. Er werde außerdem versuchen, der europäischen Meinung entgegenzuwirken, Chinas Unterstützung für Xis "guten Freund" Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine müsse Konsequenzen haben.
Paris wird Chinas Unterstützung für Russland in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.
Abigaël Vasselier, Mercator Institut for China Studies

Xi Jinping und Wladimir Putin sind Partner, die voneinander profitieren. Seit den westlichen Sanktionen gegen Russland liefert Peking einige Güter, die Russlands Militär helfen.

16.04.2024 | 01:25 min

Besuch in Serbien und Ungarn

Auf seiner sechstägigen Reise trifft Xi am 7. Mai in Serbien ein. Der Tag hat hohe Symbolkraft: Vor genau 25 Jahren wurde dort die chinesische Botschaft von Nato-Jets bombardiert. Dies könne ein Fingerzeig sein, dass Xi eine Nato-Osterweiterung ablehne, sagt Vasselier.
Von Mittwoch an wird Ungarns Präsident Viktor Orban laut der China-Forscherin vor allem versuchen, die guten Beziehungen zum hohen Gast aus Peking als Druckmittel gegenüber der EU zu verwenden. Für Xi ist Ungarn, das auch Teil von Pekings "Neuer Seidenstraße" ist, ein wichtiger Verbündeter und Tor zum Wirtschaftsraum EU. Ungarn ist weltweit der drittgrößte Produzent von Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos, mit Hilfe der Chinesen. Der chinesischen Firma CATL versprach die Regierung in Budapest bereits 800 Millionen Euro Infrastruktur- und Steuererleichterungen, wenn das Unternehmen weiter in Ungarn investiert.

VW sieht sich in China mit unangenehmen Vorwürfen konfrontiert: Auf einer Teststrecke in der Provinz Xinjiang soll es möglicherweise zu Zwangsarbeit von Uiguren gekommen sein.

24.04.2024 | 01:47 min

Was hat Xi Europa anzubieten?

In seiner Rede gibt sich Xi optimistisch: China werde sich "sogar noch weiter der Welt öffnen" und sich für "den Weltfrieden und Stabilität" einsetzen. Doch China werde Europa unterm Strich nur wenig entgegenkommen, analysiert Vasselier: "Ich sehe Xi nicht mehr als einen Wohlfühlmoment anbieten." Aus europäischer Sicht sei es dann ein erfolgreicher Besuch, wenn zumindest einstimmige Botschaften von Seiten der EU an die chinesische Staatsführung weitergegeben würden. Trotz Bilderbuch-Optik dürfte es an scharfen Worten hinter den Kulissen nicht fehlen.
Elisabeth Schmidt ist Korrespondentin im Studio Peking.

Thema

Mehr zu Xi Jinping