Analyse

: Wie sich Israel weltweit isoliert

von Michael Bewerunge, Tel Aviv
24.05.2024 | 15:34 Uhr
Israel verliert durch die Kriegsführung in Gaza weltweit an Sympathien und eine Lösung des Konflikts rückt immer weiter in die Ferne.

Israels Premier Netanjahu steht wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen unter Druck. Kritiker bemängeln auch, seine Regierung habe keinen Plan für eine Nachkriegsordnung in Gaza.

22.05.2024 | 07:04 min
Die Kritik an Israel wegen der Kriegsführung in Gaza wächst, international und innenpolitisch. Seit Wochen protestieren Regierungsgegner, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag beantragt Haftbefehle gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Galant. Eigene Minister stellen der Regierung ein Ultimatum, und jetzt erkennen mit Spanien, Norwegen und Irland drei europäische Staaten einen palästinensischen Staat an.

"Stolz darauf, dass er sich für Israel geopfert hat"

Israels Gesellschaft ist tief verwundet, in Trauer um die Opfer des Hamas-Terrors, in Sorge um die noch immer verschleppten Geiseln und im Gedenken an gefallene Soldaten. Hunderttausende würdigten vergangene Woche die Toten. Seit dem 7. Oktober sind 632 Soldaten gefallen. Mehr als in den vergangenen zehn Jahren zusammen.

Nach der Anordnung des IGH bliebe für Netanjahu neben Berlin „vor allem Washington als Partner“, so Luc Walpot aus Tel Aviv. Israel werde den Forderungen "sicher nicht folgen".

24.05.2024 | 02:12 min
Am Grab von Ilay Levy trauert die Familie um ihren Sohn, der mit 24 Jahren beim Häuserkampf in Chan Yunis, im Süden des Gazastreifens, getötet wurde. Sein Vater Raanan Levy findet nur schwer Worte. "Aber wir sind stolz darauf, dass er sich für den Staat Israel geopfert hat", sagt er. Raanan Levy will, dass Israel den Kampf gegen die Terrororganisation fortsetzt.
Es kann nicht so weitergehen, dass die Hamas uns bedroht und nochmal so ein Massaker wie am 7. Oktober anrichtet.
Raanan Levy, Vater von Ilay
So ein Ereignis dürfe sich nicht wiederholen. Doch längst nicht alle Israelis denken so. Als Verteidigungsminister Galant einen Kranz niederlegt, halten Angehörige Schilder in die Höhe. "Ihr Blut klebt an Deinen Händen", steht darauf. Auch Premierminister Netanjahu wird an diesem Tag hart angegangen. "Er hat meine Kinder getötet", rufen ihm aufgebrachte Angehörige entgegen.

Israel wird vom Internationalen Gerichtshof verpflichtet, den Einsatz in Rafah sofort zu beenden. Der IGH beurteilt die humanitäre Lage als desaströs und sieht Handlungsbedarf.

24.05.2024 | 01:52 min

Wie friedensfähig ist Israel?

Der Richtungsstreit um die Kriegsführung in Gaza zerreißt das Land. Die Regierung schäumt. Außenminister Israel Katz verkündet, die Anerkennung eines palästinensischen Staates käme einer Belohnung für den Terror der Hamas gleich und will die Botschafter aus Spanien, Irland und Norwegen zurückrufen. Ein palästinensischer Staat werde in kürzester Zeit zu einem Terrorstaat unter iranischer Führung heranwachsen, so Katz. Auch könne es nicht sein, dass von außen entschieden werde, was doch die Sache von Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern sei.
Das mag zum Teil so stimmen, doch wird dabei Israels eigene Friedensunfähigkeit ausgeblendet. Seit gut einem Jahrzehnt vermeidet Premierminister Netanjahu Kontakte zur palästinensischen Seite. In den vergangenen Jahren hat er jegliches Gespräch, zu welchem Zweck auch immer, verweigert. Stattdessen hat er die Siedlungen im Westjordanland immer weiter ausgebaut. Netanjahu scheint jedes Interesse an einem Friedensprozess verloren zu haben, von einem palästinensischen Staatsgebilde ganz zu schweigen. Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 hat zu einer weiteren Polarisierung innerhalb seiner Regierung geführt.

Keinen Plan für die Zukunft des Gazastreifens

Ebenso lange hat die Regierung ausgeblendet, dass der Unmut über die israelische Verweigerungspolitik international immer stärker zugenommen hat, zuletzt auch unter den engsten Verbündeten. Mit der Kriegsführung in Gaza hat Israel weitere Sympathien weltweit verspielt, und verweigert nun schon seit Monaten einen Plan für eine Nachkriegsordnung in Gaza. Die muss ja nicht gleich in eine Zwei-Staaten-Lösung münden. Sie ist aber Voraussetzung für einen Neuanfang im israelisch-palästinensischen Verhältnis.
Mit einer reinen Blockade-Haltung wird der palästinensische Terror nicht besiegt werden. Die Ignoranz israelischer Politik, die jahrelang die Augen vor den Konsequenzen des eigenen Handels verschlossen hat, fällt Israel nun vor die Füße.
Michael Bewerunge leitet das ZDF-Studio in Tel Aviv

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