: Merz schließt Baustellen - und öffnet neue

von Kristina Hofmann
12.07.2023 | 16:50 Uhr
Linnemann statt Czaja: Mit der Auswechslung des CDU-Generalssekretärs holt sich Parteichef Merz jemand an die Seite, der ist wie er. Laut, bollernd. Das hat strategische Gründe.

heute journal

12.07.2023 | 03:06 min
Für seine Verhältnisse hält sich Carsten Linnemann zurück. Nur einmal rutscht ihm die Hans-Dampf-Manier raus, für die der gerade frisch ernannte CDU-Generalsekretär bekannt ist. Er müsse jetzt "hart arbeiten". Also "richtig, richtig", schiebt er hinter her. Und dann noch einmal: "Ich muss jetzt an die Arbeit." Ein Gedanke, ein Satz, das ist nicht die Sache Linnemanns.
Und doch beschreibt dieser kleine Ausbruch am Mittwoch bei der Pressekonferenz vermutlich ganz gut, was der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz von seinem neuen Generalsekretär erwartet: Dampf machen, arbeiten, Profil zeigen. Und ein bisschen sein wie er selbst.

Linnemann verspricht "CDU pur"

Am Mittwoch hatten der Parteivorstand Linnemann in seiner neuen Funktion bestätigt, was am Vortag bekannt geworden war. "Einstimmig", wie Merz in der anschließenden Pressekonferenz sagte, "ohne Enthaltung". Linnemanns Vorgänger, Mario Czaja, war auch dabei. Er durfte aufzählen, was er in den vergangenen 18 Monaten seit der verlorenen Bundestagswahl alles geleistet hat. Das sagte er aber, wie er nun einmal ist: eher leise, eher diplomatisch, eher zurückhaltend.
Linnemann wird neuer CDU-Generalsekretär:

Der Chef der CDU Friedrich Merz schlägt Carsten Linnemann als neuen Generalsekretär der Partei vor. Der Vorgänger Mario Czaja muss dafür den Posten räumen.

12.07.2023 | 02:41 min
Also so, wie Linnemann nicht ist. Der sagte zwar artig, dass seine Wahl ein "Vertrauensvorschuss" sei. Um dann gleich loszulegen, was er inhaltlich angehen will: Die Aktivrente, dass diejenigen, die angeblich arbeiten können und es nicht tun, wieder arbeiten und den "funktionierenden Staat", den "funktionierenden Rechtsstaat". "CDU pur", nennt Linnemann das:
Wir müssen die Verzweiflungskultur ablegen. Dann werden wir auch wieder erfolgreich sein.
Carsten Linnemann, designierter CDU-Generalsekretär

Merz will "herausragende Rolle" für Czaja

Die CDU führt seit Monaten stabil in den Umfragen und liegt bei knapp 30 Prozent. Allerdings gibt es in Unmut in der Partei, weil die Schwäche und der Streit der Ampel-Koalition eher die AfD als die CDU stärkt. Das Eingeständnis, dass er bei seiner Wahl im Januar 2022 mit Czaja den Falschen zum Generalsekretär ernannt hatte, gab Merz, wenn überhaupt, nur ganz am Rande zu:
Das ist eine Personal- und keine Richtungsentscheidung. Und dabei bleibt’s auch.
Friedrich Merz, CDU-Parteichef
Tatsächlich hatte Merz etwas Mühe, den Personalwechsel zu erklären. Weil Linnemann auch das neue CDU-Grundsatzprogramm federführend erarbeite, könne er besser die aktuelle Politik miteinander "verzahnen", so Merz. Im Übrigen habe er mit Czaja gut zusammengearbeitet. Sein Dank an ihn sei "von Herzen ausgesprochen". An seiner Mimik konnte man die Herzlichkeit allerdings nicht ablesen.
Aber Merz betont, dass Czaja in der Partei oder in der Fraktion künftig eine "herausragende Rolle" in der Gesundheits- und Sozialpolitik bekommt. Vielleicht sogar einen Ausschussvorsitz im Bundestag? Das wolle man "nächste Woche", so Merz, besprechen.

Neue Baustellen für den Parteivorsitzenden

Linnemann war schon als Generalsekretär im Gespräch, als Merz im Januar 2022 Vorsitzender wurde. Beide verstehen sich gut. Beide sind sich ähnlich. Beide hauen gerne mal einen raus, können besser Stammtisch als das politisch-diplomatische Florett.
Weil aber beide aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen kommen, Merz aus dem Sauerland und Linnemann aus Paderborn, bestanden die anderen Landesverbände auf einen Ostdeutschen wie Czaja.
Um sein Versprechen, Frauen zu fördern, wenigstens halbwegs einzuhalten, kreierte Merz das Amt der stellvertretenden Generalsekretärin. Allerdings dürfte Christina Stampp selbst knapp ein Jahr nach Amtseinführung nur Partei-Insidern bekannt sein.
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Proporz der Landesverbände, Mann oder Frau - all das habe - laut Merz - jetzt keine Rolle gespielt, der Wechsel habe "strategische und inhaltliche Gründe". Also doch mehr als eine Personalentscheidung? Fakt ist, dass Merz sich mit Linnemann zwei bis drei Baustellen einhandelt: Er muss die ostdeutschen Landesverbände zufrieden stellen. Wird Czaja nicht durch einen Ostdeutschen ersetzt, wäre im Parteivorstand Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der einzige.

Sozialer Parteiflügel muckt auf

Bereits jetzt muckt der soziale Parteiflügel. Mit Merz und Linnemann in Spitzenpositionen bekommt der Wirtschaftsflügel ein Übergewicht. Und: Frauen sind sie offensichtlich auch nicht. All das könnte für Merz auch noch zum Problem werden.
Vielleicht ist das alles eingepreist für einen anderen, vielleicht entscheidenden Vorteil: Merz baut seine Machtbasis in der Partei damit aus. Auch wenn über die Kanzlerkandidatur erst im nächsten Jahr entschieden werden soll: Dass sich ein Merz-Gefolgsmann in einer Spitzenposition für die innerparteilichen Konkurrenten Hendrik Wüst oder Daniel Günther ausspricht, das scheint schwer vorstellbar.
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Spahn: "Er brennt für die CDU"

Momentan scheint die Personalie Teile der Partei zu beruhigen. Thüringens Landeschef Mario Voigt sagte, Linnemann sei ein "überzeugender Vorschlag". Die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke aus Brandenburg, die während der Corona-Pandemie oft die Linie des Konrad-Adenauer-Hauses kritisierte, sagte im Deutschlandfunk: Es sei "ein Beben" durch die ganze Partei gegangen, vor Erleichterung. Jens Spahn sagte, Linnemann "brennt" für die CDU, "das spürt man".
Die Vertretung der Landesverbände sei "weiterhin sichergestellt", so Spahn. Die des Landesverbandes Nordrhein-Westfalens bestimmt. Aber aus dem kommt Spahn ja auch.

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