: Lisa Paus und die verflixten 5.000

von Kristina Hofmann
02.04.2024 | 15:38 Uhr
Die Ampel-Koalition streitet wieder über die Kindergrundsicherung. Zum x-ten Mal. Die FDP findet die von Ministerin Paus geplanten 5.000 neuen Stellen zur Umsetzung "absurd".

Neuer Zoff ums Dauersorgenkind: Familienministerin Paus will für die Kindergrundsicherung 5.000 Behördenstellen schaffen. Die FDP ist strikt dagegen. Scheitert das Ampel-Projekt?

03.04.2024 | 01:34 min
Monatelang hatte die Ampel gestritten, bis sie sich im September auf einen Gesetzentwurf zur geplanten Kindergrundsicherung ab 2025 geeinigt hatte. Und nun geht offenbar alles wieder von vorne los. Damals wie heute geht es immer im Kern um dasselbe: um die Finanzierung. Diesmal sind es die 5.000 neue Stellen, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) für nötig hält.

Die Ampel-Koalition streitet weiter über die geplante Kindergrundsicherung. Besonders bei der Schaffung einer neuen Behörde sind sich die Parteien uneinig.

03.04.2024 | 01:32 min
Dabei war bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfes im Kabinett noch von geschätzt 2.000 Stellen die Rede, Paus war von den früher geplanten 5.000 neuen Stellen offenbar schon abgerückt. Jetzt bringt sie diese selbst wieder ins Spiel - und die FDP damit gegen sich auf.
"Absurd" findet Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, den Vorschlag, wie er der Deutschen Presseagentur sagte:
Warum das Familienministerium gerade jetzt die ebenso alte wie absurde Forderung nach 5.000 neuen Stellen wiederholt hat, erscheint rätselhaft.
Johannes Vogel, FDP
Auch FDP-Parteichef Christian Lindner hatte am Osterwochenende Paus Pläne kritisiert und als "verstörend" bezeichnet. Vize-Fraktionschef Christoph Meyer warf ihr im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP eine "illusorische Forderung" vor, die nicht umsetzbar sei. 5.000 neue Stellen, das sei "vollkommen realitätsfern".

Lange hat die Bundesregierung über ihre Finanzierung und Ausgestaltung gestritten, nun soll die Kindergrundsicherung kommen und ab 2025 Verbesserungen für viele Familien bringen.

19.09.2023 | 05:35 min

Ministerin Paus: Bringschuld des Staates

Paus hatte im Interview mit der "Rheinischen Post" die 5.000 zusätzlichen Jobs für die neuen Familienservice-Stellen mit "Bürokratieentlastung" verteidigt. Bislang müssten die Antragstellenden die Last tragen und "von Pontius zu Pilatus" rennen, um finanzielle Unterstützung für ihre Familien zu bekommen.
Mit den 5.000 Stellen wollen wir von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus, Grüne
Paus zufolge werde es durch die neue Kindergrundsicherung "deutlich mehr Anträge" geben. "Die Kindergrundsicherung kann, wenn sie alle erreicht, die die finanzielle Unterstützung brauchen, bis zu 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche erreichen."
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Aktuelle Haushaltsberatungen als Grundrauschen

Die Kindergrundsicherung gilt als das zentrale soziale Projekt der Ampel-Koalition. Jedenfalls für die Grünen und die SPD ist es das. Für die Liberalen war es vor allem ein Digitalisierungs- und Entbürokratisierungsprojekt. Von Beginn an gab es Streit um die Finanzierung.

14,2 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in Armut, wie der Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands zeigt. Laut Bericht ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen.

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Erst hatte Paus zwölf Milliarden für das Projekt gefordert, dann neun, dann sechs, am Ende hat sie 2,4 Milliarden Euro bekommen. Also in etwa so viel, wie Finanzminister Lindner von Beginn an angeboten hatte. Öffentliche Briefe waren geschrieben worden, auch vom Kanzler. Erst hatten die Grünen mit einem Boykott der Abstimmung über den Haushalt gedroht, dann hatte Paus Lindners Wachstumschancengesetz blockiert.
Viele Details des Gesetzes sind bis heute offen. Ministerin Paus will künftig staatliche Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Kinderbürgergeld in einem Garantie- und einem Zusatzbetrag bündeln. Es soll über zentrale Stellen innerhalb der Bundesagentur für Arbeit zum Teil ohne extra Antrag ausgezahlt werden. Damit sollen mehr Familien als jetzt erreicht werden und Kinderarmut "wirksam und grundlegend" bekämpft werden, wie es Paus Ende September bei der Verabschiedung im Kabinett gesagt hatte.

Ab 2025 sollen staatliche Leistungen für Kinder gebündelt und damit Antragswege vereinfacht werden. Als zentrale Anlaufstelle soll ein "Familienservice" geschaffen werden.

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Mit einem Komplett-Start ab 2025 rechnete aber auch Paus damals nicht: Ab Januar, rechnete sie vor, könnten 47 Prozent der Anspruchsberechtigten erreicht werden. Erst 2028 dann 80 Prozent - allerdings seien sechs Milliarden statt der veranschlagten 2,4 Milliarden Euro nötig.
Vielleicht ein Grund, warum der Streit um die Kindergrundsicherung wieder aufbricht: Derzeit verhandelt die Bundesregierung über den Haushalt 2025 und die mittelfristige Finanzplanung. Bis Mitte April sind die Ministerien aufgefordert, Sparvorschläge einzureichen.

Warnung der SPD-Linke an FDP

Trotz der Bedenken der FDP wollen die Grünen an der Kindergrundsicherung festhalten. Die SPD speckt allerdings die Erwartungen inzwischen ab: Die Kindergrundsicherung könne nicht vor Mitte 2025 eingeführt werden, sagte Vize-Fraktionschef Sönke Rix der "Rheinischen Post": "Die Verhandlungen laufen und brauchen ihre Zeit."
Wir sollten nichts übers Knie brechen.
Sönke Rix, SPD
Allerdings kommen aus der SPD-Linken auch Warnungen an die FDP zur Koalitionsdisziplin. Die Kindergrundsicherung sei gemeinsam in der Koalition verabredet worden, sagte Tim Klüssendorf, Sprecher der Parlamentarischen Linken, der FAZ: "Wenn einzelne Akteure aus den Reihen der FDP die Sinnhaftigkeit der gesamten Verhandlungen in Frage stellen, entspricht das nicht den Vereinbarungen und auch nicht den Erwartungen der Familien in unserem Land", sagte er.
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Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, hatte der Koalition bereits Anfang Januar geraten: "Kommt zu Potte." Die Behörde brauche mindestens ein Jahr, um die IT-Systeme umzustellen. "Wenn die Bundesregierung die Kindergrundsicherung in dieser Legislatur noch umsetzen will, dann muss ich leider sagen: Die Uhr tickt und zwar ganz laut", hatte Nahles gesagt.
Die Familienministerin möchte übrigens zu der ganzen Diskussion nichts sagen. Der Gesetzentwurf befinde sich im parlamentarischen Verfahren im Bundestag. Nun seien die Abgeordneten verantwortlich. Das Ministerium bittet "um Verständnis, dass wir uns daher aktuell nicht äußern".

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