: Gysi und Bartsch allein auf weiter Flur

von Dorthe Ferber
26.06.2024 | 19:19 Uhr
Die Linke im freien Fall: Bei der Europawahl schaffte sie 2,7 Prozent, bei den bevorstehenden Landtagswahlen muss sie das Schlimmste fürchten. Prominente Köpfe wenden sich ab.
Die Linke ist in der Krise. Das zeigt sich auch beim Aderlass bei den Partei-Promis.Quelle: dpa
Die Linke ist nach der Europawahl in einer existenziellen Krise. Die Partei, die einst im Osten besonders stark war, könnte in Sachsen aus dem Landtag fliegen, in Brandenburg den Einzug nur knapp schaffen und in Thüringen ihren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) entmachtet sehen.
BSW hatte bei der Europawahl zweistellig abgeschnitten. Janine Wissler und Martin Schirdewan an der Parteispitze der Linken agieren bislang glanz- und glücklos und stehen massiv in der Kritik.

In Sachsen und weiteren Bundesländern wird in wenigen Monaten ein neuer Landtag gewählt. Umso interessanter ist der Erfolg der AfD und des BSW bei der Europawahl.

10.06.2024 | 01:31 min

Lötzsch will nicht mehr kandidieren

Gesine Lötzsch, eine der drei direkt gewählten Abgeordneten, die der Partei überhaupt erst den Einzug in den Bundestag verschafft hat, hat die Nase voll. Ihre Ankündigung, nächstes Jahr nicht für den Bundestag kandidieren zu wollen, gleicht einer Abrechnung mit der Parteiführung um Wissler und Schirdewan: Ein Grund für das katastrophale Ergebnis bei der Europawahl sei deren Strategie gewesen.
Die Auswahl der ehemaligen Seenotretterin und Umwelt-Aktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin habe sich als Fehler erwiesen. In der Vergangenheit habe man mit den Themen Soziale Gerechtigkeit und Frieden Wahlen gewonnen, inzwischen habe sie den Eindruck gewonnen, der Parteivorstand verzichte auf Stammwähler zugunsten neuer Wählerschichten - das Ergebnis liege auf dem Tisch.

Vor der Europawahl verteidigte Spitzenkandidat Martin Schirdewan das Recht auf Asyl. Er verurteilte Flüchtlingslager an den europäischen Außengrenzen als "zivilisatorischen Gau".

31.05.2024 | 05:29 min
"Geringschätzung" und "Arroganz" der Parteiführung kritisiert Gerhard Trabert, der als Parteiloser für die Linke bei der Europawahl auf dem vierten Platz den Einzug ins EU-Parlament verfehlte: "Ich war oft davor, meine Kandidatur niederzulegen." Er hätte das Thema soziale Gerechtigkeit am besten kommunizieren können, stattdessen sei der Wahlkampf immer stärker auf das Spitzenduo Rackete/Schirdewan reduziert worden.

Linke konnte BSW nichts entgegensetzen

Die Linken-Wähler im Osten scheinen aber gesellschaftspolitisch nicht so progressiv wie die Strategie der Parteispitze. Das EU-Wahlergebnis zeigt: Schirdewan und Wissler sind gescheitert mit ihrem Versuch, mit den Themen Migration und Minderheitenrechte dem Erfolg des BSW etwas entgegenzusetzen.
Wissler erklärt nur, Debatten über die inhaltliche, strategische und auch personelle Aufstellung der Partei würden zunächst intern geführt, es gehe nun um die bevorstehenden Wahlkämpfe.
Unterdessen geht der Aderlass bei den Partei-Promis weiter: Jan Korte, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Fraktionsgeschäftsführer der Linken, will ebenfalls nächstes Jahr nicht mehr kandidieren. Zu seinen Gründen möchte er sich auf Anfrage von ZDFheute nicht äußern.

Zugpferde Bartsch und Gysi sollen es richten

Katja Kipping, ehemalige Linken-Vorsitzende und bis zum vergangenen Jahr noch Sozialsenatorin im Land Berlin, soll Berichten zufolge zum Paritätischen Gesamtverband wechseln. Die letzten Wahlkampfhoffnungen ruhen nun auf den erprobten Zugpferden Dietmar Bartsch und Gregor Gysi. Letzterer ist bei seiner "Osttour" 76 Jahre alt.
Wissler und Schirdewan wissen: Personaldebatten um die Parteispitze sind mit Rücksicht auf die Wahlen im Osten erstmal vertagt. Die Linke dürfte danach weiter geschwächt sein. Im Oktober soll dann ein Parteitag über die Aufstellung für die Bundestagswahl entscheiden. Wenn sich dann nichts ändere, sagt ein Genosse mit Galgenhumor, könne man auch gleich zum Amtsgericht gehen und den Laden dicht machen.

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