Interview

: Linnemann fordert Mentalitätswandel

von Stefanie Reulmann
17.03.2024 | 21:46 Uhr
CDU-Generalsekretär Linnemann fordert "das komplette System vom Kopf auf die Füße" zu stellen. Sozialleistungen dürfte nur bekommen, wer "wirklich hilfebedürftig" sei, sagt er.

Linnemann fordert einen Mentalitätswandel beim Bürgergeld. Es könne nicht sein, "dass jemand Sozialleistungen erhält, nicht arbeiten geht, und andere sollen das für ihn bezahlen".

17.03.2024 | 05:14 min
Die CDU hat den Wahlkampf eröffnet. Morgen will sie ein Konzept vorstellen, das im Fall einer Regierungsübernahme nach der nächsten Bundestagswahl eine radikale Reform des Bürgergeldes vorsieht. Auch der Name soll geändert werden. "Neue Grundsicherung" soll es dann heißen. Zu sehr suggeriere der Begriff Bürgergeld, dass es jedem zustehe, heißt es in dem Papier.

System "vom Kopf auf die Füße stellen"

Auch inhaltlich will die Partei einiges verändern. Generalsekretär Linnemann ist Co-Autor dieses Konzepts und betont am Abend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt", seine Partei zeige dann "ein Konzept, was durchführbar ist, und wir werden zeigen als CDU, was wir besser machen als die Ampel". So weit zum Wahlkampf.
Seinerzeit hat die Union der Einführung des Bürgergeldes zugestimmt. Allerdings, so Linnemann, habe sich herausgestellt, dass es trotz einiger Verbesserungen nicht weit genug gehe. Nun müsse man "das komplette System vom Kopf auf die Füße stellen" und das Prinzip "fördern und fordern" wieder einführen.

Milliardenlöcher im Haushalt und stetig steigende Sozialausgaben: Deshalb fordert die Union die Abschaffung des Bürgergelds und die Einführung einer neuen Grundsicherung.

17.03.2024 | 03:59 min
Wer arbeiten könne, müsse das auch tun. "Es kann nicht so funktionieren, dass jemand Sozialleistungen erhält, nicht arbeiten geht, und andere sollen das für ihn bezahlen", sagt Linnemann. Am jetzigen System kritisiert er, dass derjenige, der eine zumutbare Arbeit nicht annehme, häufig keine Folgen fürchten müsse.

CDU gegen Unterstützung für "Totalverweigerer"

Das soll sich nach dem Willen der CDU komplett ändern. "Wenn jemand ein Jobangebot bekommt, und er ist Totalverweigerer, dann gehen wir davon aus, dass er nicht bedürftig ist. Das ist das Neue", sagt Linnemann. Diese Auffassung vertrete auch das Bundesverfassungsgericht. Das sei man den Menschen schuldig, die arbeiten gingen und "mit ihren Steuern und Beiträgen das Sozialsystem überhaupt erst möglich machen".
Auch Wohnungswechsel bei zu großen Wohnungen sollen möglich und Vermögensprüfungen wieder eingeführt werden.

Was ist das Bürgergeld?

Das Bürgergeld ist die Sozialleistung, die früher als Arbeitslosengeld II oder umgangssprachlich Hartz IV bezeichnet wurde. Es ist eine Grundsicherung für Arbeitssuchende, soll also Menschen den Lebensunterhalt sichern, die arbeiten können, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales definiert das Bürgergeld als "Leistung des Sozialstaats zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums".

Wie viel Bürgergeld gibt es monatlich?

  • Seit Anfang 2023 erhalten Alleinstehende 502 Euro pro Monat - ab Anfang 2024 sollen es 563 Euro sein.
  • Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene erhalten bisher 451 Euro - künftig 506 Euro.
  • Für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre fließen 420 Euro - künftig sollen es 471 sein.
  • 348 Euro erhalten Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres - künftig sollen es 390 Euro sein.
  • Für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres fließen derzeit 318 Euro - ab 2024 dann 357 Euro.

Was ist der Unterschied zum Arbeitslosengeld?

Arbeitslosengeld I steht Menschen zu, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und arbeitslos werden. Es wird maximal 24 Monate ausgezahlt - danach folgt das Bürgergeld. Anders als beim Bürgergeld ist die Höhe des Arbeitslosengelds abhängig vom vorherigen Einkommen.

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Laut Bundesagentur für Arbeit erhalten Menschen Bürgergeld, wenn sie erwerbsfähig und leistungsberechtigt sind und damit mindestens folgende Bedingungen erfüllen:

  • Sie sind mindestens 15 Jahre alt und haben die Altersgrenze für Rente noch nicht erreicht.
  • Sie wohnen in Deutschland und haben hier ihren Lebensmittelpunkt.
  • Sie können mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten.
  • Sie oder Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft sind hilfebedürftig.

Hilfebedürftig bedeutet, dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt und sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Erwerbsfähig bedeutet, dass keine Krankheit oder Behinderung sie hindert, eine Arbeit aufzunehmen. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld erhalten, wenn die Person mit einer erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

Was gilt für Menschen, die Asyl suchen?

Asylbewerber*innen und Geduldete bekommen in der ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Erst nach anderhalb Jahren steht ihnen Bürgergeld zu. Laut neuem Asylbeschluss soll sich das aber ändern: Künftig sollen sie erst nach 36 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben.

Eine Ausnahme wurde für Menschen aus der Ukraine getroffen, die vor Russlands Krieg geflüchtet sind: Sie zählen nicht als Asylbewerber und haben nach der Flucht Anspruch auf eine Grundsicherung - also auch das Bürgergeld.

Das Bürgergeld "steht nur den Menschen zu, die wirklich hilfebedürftig sind", sagt Linnemann und betont die staatliche Verantwortung für die Bedürftigen im Land. "Wir müssen doch viel stärker noch für die Menschen da sein, die nicht arbeiten können, weil sie vielleicht aus gesundheitlichen Gründen beeinträchtigt sind", sagt er. Es gebe 1,8 Millionen Erwerbsgeminderte in Deutschland. Die Menschen, "die Unterstützung brauchen, die kriegen die", sagt er und räumt ein, dass sie wahrscheinlich sogar "noch mehr" bräuchten.

Nach einem Sieg bei der nächsten Bundestagswahl würden die Christdemokraten den Sozialstaat radikal reformieren. Sanktionen sollen schneller und einfacher durchgesetzt werden.

18.03.2024 | 01:32 min

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Carsten Linnemann

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