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: Werden junge Frauen linker, Männer rechter?

von Luisa Billmayer
25.02.2024 | 14:14 Uhr
Junge Frauen und Männer driften politisch auseinander - diese Analyse sorgte kürzlich für Schlagzeilen. Werden Männer tatsächlich konservativer und Frauen linker?
Junge Frauen wählen immer linker - während Männer konservativer wählen. Woher kommt das?Quelle: Getty Images/shapecharge
Auf Basis von Umfragen und Wahlergebnissen kommt die britische "Financial Times" zum Ergebnis: Unter den 18- bis 29-Jährigen werden junge Frauen linker, während sich junge Männer in eine konservative Richtung bewegen. Das zeige sich in den USA, im Vereinigten Königreich, in Südkorea - und auch in Deutschland.
Diese Grafik zeigt die "Financial Times"-Analyse für Deutschland:

Vom Traditional zum Modern Gender Gap

Dass Männer und Frauen unterschiedlich wählen, ist nichts Neues. Bis 1980 wählten Frauen bei der Bundestagswahl konservativere Parteien als Männer. Das zeigt eine Studie des Soziologen Ansgar Hudde von der Universität Köln. Zwischen 1980 und 2013 schwankte der Wert dann um die Nulllinie - die ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter definiert. Seit der Bundestagswahl 2017 entscheiden sich Frauen für linkere Parteien.
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Das konservativere Wahlverhalten von Frauen bis in die 1980er-Jahre bezeichnet die Politikwissenschaft als "Traditional Gender Gap". Das umgekehrte Phänomen wird als "Modern Gender Gap" beschrieben. Umfragen zur politischen Einstellung ergaben, dass der moderne Gender-Gap schon seit den 1990ern in Europa bemerkbar ist - auch in Deutschland. Im tatsächlichen Wahlverhalten deutscher Frauen ist der Gap allerdings erst seit der Wahl 2017, und damit im Vergleich zu anderen Ländern relativ spät, zu beobachten.
Simone Abendschön, Politikwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, erklärt die Entwicklung so:
Frauen wählten in der Vergangenheit konservativer, weil für sie Religion und traditionelle Werte wichtig waren. Mit dem Eintritt in den Arbeitsmarkt interessierten sie sich stärker für sozialdemokratische und sozialstaatliche Fragen.
Prof. Simone Abendschön
Bei der Bundestagswahl 2021 waren die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der jüngsten Altersgruppe am größten. Sind die 18- bis 24-Jährigen also in zwei Lager geteilt, wie die "Financial Times"-Analyse ergab? Ein Blick in die konkreten Wahlergebnisse zeigt: 18- bis 24-jährige Frauen stimmten zuletzt mit 28 Prozent am häufigsten für die Grünen. Bei den jungen Männern erzielte die FDP mit 26 Prozent die meisten Stimmen.
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Der große Gender-Gap in der jüngsten Altersgruppe kommt zustande, weil die FDP in der Studie der Uni Köln insgesamt als rechter eingestuft wird als die Grünen. Die Einordnung erfolgt dabei über zwei Skalen: wirtschaftlich links bis rechts und gesellschaftlich progressiv bis traditionell. Dabei ist eindeutig: FDP und Grüne unterscheiden sich stärker in wirtschaftlichen Themen. Auf der gesellschaftlichen Achse stehen sich die Parteien näher.
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Junge Frauen wählen grün, junge Männer die FDP

Am konkreten Beispiel des Gender-Pay-Gaps - also der Tatsache, dass Männer mehr verdienen als Frauen - erklärt der Politikwissenschafter Ansgar Hudde: "Die Grünen sehen den Gender-Pay-Gap vor allem als Folge von Geschlechterdiskriminierung; die FDP sieht ihn eher als Folge davon, dass Frauen im Durchschnitt schlechter bezahlte Berufe wählen oder häufiger in Teilzeit arbeiten."

Gegen den Gender-Pay-Gap - wie Paare ihre Finanzen fair regeln können.

06.03.2023 | 05:55 min
Simone Abendschön sieht in den Wahlergebnissen auch bestätigt, dass für Frauen "postmaterialistische Ideen" wichtiger werden: "Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind tendenziell für Frauen wichtiger. Bei Männern stehen ökonomische Themen stärker im Vordergrund."
Trotz unterschiedlicher Wahlentscheidung in der jüngsten Altersgruppe ist klar: Menschen haben noch viel mehr Eigenschaften als ihr Geschlecht. "Wir sollten Männer und Frauen nicht als homogene Gruppen betrachten", merkt Simone Abendschön an. "Neben dem Geschlecht kann auch Bildung oder der sozioökonomische Status oder eine Verknüpfung dieser Aspekte die Wahlentscheidung beeinflussen."
Redaktion: Kathrin Wolff

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