Analyse

: SPD-Kanzlerkandidatur: Es lebe der "Jarl"!

von Andreas Huppert
24.05.2024 | 18:46 Uhr
Wenn man so will, ist Olaf Scholz der "Jarl" der SPD, eine Art Wikinger-Anführer. Doch ein "Jarl" ist nicht ewig: Bleibt er es mit Blick auf den Wahlkampf oder wird es Pistorius?
Mitglieder des "Jarl Squad" bei einem Wikinger-Festival. Nicht im Bild: SPD-"Jarl" Olaf Scholz und der mögliche Herausforderer Boris Pistorius.Quelle: dpa/Jane Barlow
Bei den alten Wikingern funktionierte das in etwa so: Die Rangordnung war klar geregelt. Der Stärkste in der Sippe wurde zum Anführer, zum sogenannten "Jarl" ernannt. Eine Art Häuptling, der vorangeht, der Verantwortung übernimmt, der bestimmt: So wird es gemacht! Ein "Jarl" bleibt so lange ein "Jarl", bis ein Herausforderer kommt und den alten "Jarl" besiegt - um dann selber "Jarl" zu sein. Die Sippe hat den neuen Anführer dann klaglos akzeptiert.
Nun wäre es sicherlich völlig unangemessen, die SPD mit den Wikingern zu vergleichen, Olaf Scholz den Titel eines "Jarls" zu geben - und Boris Pistorius als Herausforderer zu bezeichnen. Wir sind ja schließlich im Jahr 2024. Doch irgendwie erinnert mich das Gerücht, das sich da seit einiger Zeit in Berlin hartnäckig hält, ein bisschen an die Häuplingssuche bei den Nordmännern.

Wer wird der nächste SPD-Kanzlerkandidat?

Ein Gerücht, das nämlich besagt: Boris Pistorius, der so beliebte Verteidigungsminister, ein potenter Herausforderer, beerbe den manchmal so glücklos wirkenden Olaf Scholz. Heißt: Zur nächsten Bundestagswahl ist Pistorius Kanzlerkandidat der SPD.
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Die Parteispitze um Lars Klingbeil und Saskia Esken wird nicht müde, zu versichern: alles Blödsinn! Olaf macht das - Basta aus! Das seien doch nur Journalisten-Ideen, völlig ohne Substanz.
Auch bei der Parteibasis, bei den einfachen Mitgliedern, steht Scholz noch hoch im Kurs. Viele schätzen vor allem seine Haltung in Sachen Ukraine-Krieg, nämlich keine Eskalation - und seine Haltung zum Sozialstaat in Sachen Rente und Mindestlohn.

Nach nur mäßigen Erhöhungen in den vergangenen Jahren hat SPD-Generalsekretär Klingbeil eine deutliche Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 14 Euro gefordert.

17.05.2024 | 01:48 min

Umfragen: SPD droht Wahlschlappe bei Bundestagswahl 2025

Doch nehmen wir mal die SPD-Bundestagsfraktion. Dort ist die Gemütslage eine völlig andere. Bei den momentanen Umfrageergebnisse für die Sozialdemokraten, sehen viele in der Fraktion ihren Sitz im Bundestag gefährdet. Vor allem die, die keinen Platz auf der Kandidatenliste ganz vorne haben.
Nur zur Erinnerung: 2021 wurde die SPD mit 25,7 Prozent Wahlgewinner - heute steht sie laut aktuellem ZDF-Politbarometer bei 15 Prozent. Bedeutet: Die Fraktion mit derzeit 207 Frauen und Männern, wird wohl sehr deutlich kleiner.

Die Ampel befindet sich weiterhin in einem Umfragetief. Nur wenige sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Das geht aus dem aktuellen ZDF-Politbarometer hervor.

17.05.2024 | 01:53 min
Hört man sich in der Fraktion um, dann ist das durchaus ein Faktor. Noch sagt es keiner offen, aber klar ist auch, wenn dann einer da ist, der wie Pistorius die Umfrageliste "beliebteste/ beliebtester Politikerin bzw. Politiker" monatelang anführt - das auch noch mit großem Vorsprung -, dann überlegen die, die ihr Bundestagsmandat in Gefahr sehen schon, ob da nicht auch ein Kanzlerkandidat heranwächst.

Europawahl als Stimmungstest für Scholz?

Unter dem Strich geht es für viele SPD-Abgeordneten schlichtweg ums politische Überleben. Die kommende Europawahl ist ein nächster Gradmesser für Kanzler Scholz als Zugpferd. Ziert doch auch sein Konterfei die Wahlplakate. Schneidet die SPD schwach ab, bleibt das auch am Kanzler hängen.
Stürzt die SPD in der Wählergunst weiter ab, gehen dann auch noch die Landtagswahlen, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg für die Sozialdemokraten in die Hose, dann werden die Karten auch in Sachen Kanzlerkandidatur neu gemischt.

Europawahlen, Kommunalwahlen, drei Landtagswahlen - übersteht die Ampel dieses Wahljahr? Oder scheitert sie am Ende an ihren ungelösten inneren Widersprüchen?

04.04.2024 | 63:29 min

Wer wird Kanzlerkandidat? Es lebe der "Jarl"

Klar, der Herausforderer, der muss auch wollen - in diesem Fall Boris Pistorius. Insofern ist in der SPD-Kanzlerkandidatenfrage nur eins klar: nämlich, dass nichts klar ist. Also eigentlich alles wie immer bei den Sozialdemokraten. Denn, mal ehrlich, wer hatte schon damit gerechnet, dass Olaf Scholz erst Kandidat und dann Bundeskanzler wird?
Um es also mit den alten Wikingern zu sagen: Der "Jarl" ist noch lange nicht tot, es lebe der "Jarl".

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