: Wer braucht denn noch Wahlplakate?

von Christiane Hübscher
21.04.2024 | 12:56 Uhr
Wenige Sekunden entscheiden darüber, ob uns ein Wahlplakat anspricht. Viele Motive überzeugen nicht, dennoch geben Parteien weiter viel Geld für klassische Großplakatierung aus.
Vielerorts in Deutschland haben die Parteien begonnen, Plakate für die Europawahl anzubringen. (Collage von drei Plakaten)Quelle: picture alliance / Eibner-Pressefoto
Jetzt beginnt überall wieder das große Kleben. Hunderttausende Wahlplakate werden sich an Laternenpfählen drängeln oder im Großformat an der Ausfallstraße stehen.
Am 9. Juni ist Europawahl, 400 Millionen Menschen sind EU-weit zur Wahl aufgerufen. Gleichzeitig finden in acht Bundesländern Kommunalwahlen statt. Aber wer guckt noch auf Wahlplakate?

"Ich glaube, dass junge Menschen ab sechzehn Jahren dazu befähigt werden können, eine gute Wahl zu treffen", so Tillmann Friedrich (Die Linke), Sprecher des Europäischen Jugendevents, zur Europawahl 2024.

19.04.2024 | 05:46 min

Plakate sollen an den Wahltermin erinnern

"Das klassische Wahlplakat ist extrem wichtig, um den Leuten klar zu machen, hallo, da ist eine Wahl", sagt die FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die schon im Januar ihr zentrales Wahlkampfmotiv sehr gezielt in die sozialen Medien gab: Es zeigt die Verteidigungsexpertin mit hochgestelltem Mantelkragen mit der Headline "Eurofighterin". "Wir haben oft darüber diskutiert, ob das eigentlich noch nötig ist in der virtuellen Welt", so Strack-Zimmermann gegenüber ZDFheute.
Wahlplakat zur Europawahl von FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-ZimmermannQuelle: facebook.com/marie-agnes-strack-zimmermann
Wir haben festgestellt: Erst wenn die Plakate rauskommen, registriert ein Großteil der Menschen, dass eine Wahl ansteht.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP

Auf dem Parteitag der FDP im Januar wurde Marie-Agnes Strack-Zimmermann zur Spitzenkandidatin für die Europawahl gewählt.

28.01.2024 | 01:34 min

Forscher Brettschneider zu Plakaten der Linkspartei

Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim forscht seit Jahren zur Wirkung von Wahlplakaten und gibt ihr Recht:
Das Plakat bleibt das Wahlkampfinstrument Nummer eins, mit der größten Reichweite über verschiedene Bevölkerungsgruppen hinweg.
Frank Brettschneider, Universität Hohenheim
Besonders oft negativ aufgefallen seien Brettschneider immer wieder Plakate der Linkspartei. "Das hat gar nichts mit dem politischen Inhalt zu tun", versichert er. "Aber die Linke hat oft völlig überfrachtete Textplakate, man sieht fast nur Schrift und wenn die dann noch in Großbuchstaben hingeknallt wird, in aggressiven Farben, dann funktioniert das gar nicht."

Die konservative Parteienfamilie EVP hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin für die Europawahl nominiert.

07.03.2024 | 02:35 min

Wissenschaftlich erforscht: Der Bild-Überlegenheitseffekt

Brettschneider zeigt seinen Studienteilnehmern verschiedene Wahlplakate auf dem Bildschirm und misst auf die Zehntelsekunde genau, welche Stellen wie lange und in welcher Reihenfolge angeschaut werden. Er lässt die Motive bewerten und fragt die Teilnehmer zwei Wochen später noch mal, woran sie sich erinnern. "An Textplakate erinnert sich keiner", so der Kommunikationsprofessor.
Bilder werden schneller betrachtet und länger fixiert als Textpassagen und deutlich besser erinnert.
Frank Brettschneider, Universität Hohenheim
Dazu am besten wenig Schrift, die aber kontrastreich ist, so dass man sie auch bei Schmuddelwetter im Vorbeifahren aus dem Auto noch lesen kann. Fertig ist die Gebrauchsanleitung für ein gutes Wahlplakat.
Allerdings seien die meisten Plakate schlecht gemacht, urteilt Brettschneider. Als ein Positivbeispiel nennt er das von Joschka Fischer 2002: "Außen Minister, innen grün." Wunderbar subtil sei das gewesen, "einfach ein tolles Wortspiel."

Die SPD hat Katarina Barley als Spitzenkandidatin für die Europawahl im Juni festgelegt.

28.01.2024 | 01:32 min

Können Plakate Wahlen entscheiden?

Die Motive hätten eher eine indirekte Wirkung, indem Wähler an die wichtigsten Themen der einzelnen Parteien erinnert werden, wie zum Beispiel SPD und Soziales, Union und Sicherheit, Grüne und Umwelt, erklärt Brettschneider.
Niemand sieht ein Plakat und denkt, tolle Position, diese Partei wähle ich.
Frank Brettschneider, Universität Hohenheim
Die Grünen aber verlassen diesmal das gewohnte Themenspektrum, wenn sie in der zweiten Welle ab 9. Mai zwei weitere Plakate ausrollen: Annalena Baerbock mit dem Slogan "Europas Freiheit verteidigen" und Robert Habeck mit "Wohlstand erneuern". Ob das funktionieren wird? Brettschneider bezweifelt es.

Auf dem Bundesparteitag im November debattierten die Grünen unter anderem um das Programm für die Europawahl.

26.11.2023 | 01:21 min
Das klingt für mich fast ein bisschen rechtfertigend, hinterherschiebend, erklärend, aber dafür ist der Wahlkampf nicht geeignet.
Frank Brettschneider, Universität Hohenheim
Damit könne man maximal ein paar der eigenen Anhänger erreichen, aber die Wechselwähler, die man eigentlich erreichen müsse, die könnten mit der Message nicht viel anfangen. Und überhaupt: Wieso plakatiert man Baerbock und Habeck, wo doch beide bei der Europawahl gar nicht antreten?

Zwischen dem 6. und dem 9. Juni 2024 finden die Wahlen zum neuen EU-Parlament statt. 720 Abgeordnete werden die Interessen der europäischen Bürger vertreten.

17.04.2024 | 00:49 min

Klassische Plakate oder Social-Media-Wahlkampf?

Alle Parteien stecken viel Geld in den Europawahlkampf, nicht alle wollen gegenüber ZDFheute sagen wieviel genau. Ausnahmen: FDP (3,3 Millionen Euro Gesamtbudget) und Linke (3,9 Millionen Euro). Die Grünen haben ihr Budget im Vergleich zum letzten Europawahlkampf sogar verdoppelt auf nun 7,6 Millionen Euro.
Die AfD macht keine Angaben, verrät nur, was das meist gezeigte Plakat sein wird ("Unser Land zuerst"). Die Kosten für Plakatwerbung und Soziale Medien "halten sich in etwa die Waage, wobei der Anteil für Werbung in den sozialen Medien überwiegt", so ein AfD-Sprecher.
Bei der Linken ist es andersherum, sie wird nach eigenen Angaben über eine Million Euro für Plakatwerbung ausgeben und nur 450.000 Euro für Online-Werbung.
Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.

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