: Moskau will ukrainische Luftabwehr schwächen

von Christian Mölling, András Rácz
31.05.2023 | 21:26 Uhr
Neue Welle von Drohnenangriffen; die meisten Drohnen wurden von der Flugabwehr abgeschossen, herabfallende Trümmer verursachen Schäden.
Quelle: Reuters
Nach einer fast dreimonatigen Pause hat Russland wieder Drohnen- und Raketenangriffe auf Kiew und mehrere andere ukrainische Städte durchgeführt. Am Wochenende feuerte Russland insgesamt 59 Drohnen aus iranischer Produktion auf die ukrainische Hauptstadt ab. Nach Angaben der ukrainischen Regierung war das der größte Drohnenangriff auf Kiew seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Bei dem jüngsten Angriff in der Nacht auf Dienstag schoss Russland nochmal etwa 31 Drohnen ab.

Russland will Luftverteidigung überlasten

Nach ukrainischen Angaben funktioniert die Flugabwehr sehr gut gegen die von Russland eingesetzten Angriffsdrohnen Shaheed 131 und 136. Am Dienstag sollen 29 der 31 Drohnen abgeschossen worden sein, am Sonntag waren es laut Kiew 58 von 59. Die ukrainischen Angaben zu diesen Zahlen lassen sich jedoch nicht verifizieren.
Auch Russland ist Ziel von Drohnenangriffen geworden.
Die wahrscheinlichen Motive hinter den erneuten russischen Angriffen auf Kiew sind vielfältig. Ein Element ist wahrscheinlich, sich an der Ukraine für den Überfall in Belgorod zu rächen, um der russischen Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass ein Angriff auf russisches Territorium nicht ungestraft bleibt.

Luftabwehr Kiews soll überlastet werden

Wichtiger dürften jedoch die militärischen Gründe sein. Erstens zielen die Drohnenangriffe teilweise darauf ab, die Kiewer Luftabwehr zu überlasten und die ukrainischen Bestände an Luftabwehrraketen zu erschöpfen. Russland hat in letzter Zeit billige Drohnen aus iranischer Produktion eingesetzt, allerdings in großer Zahl.

"Wir müssen unsere Gebiete und unsere Menschen befreien und diesen Krieg gewinnen", erklärt der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev. Die "Ukraine wird dazu beitragen, dass jeder im euroatlantischen Raum sich sicherer fühlt“.

31.05.2023 | 05:49 min
Zweitens stellten die Drohnenangriffe bei früheren Angriffen nur die erste Angriffswelle dar, mit der die ukrainische Luftabwehr dazu gebracht werden sollte, ihre Stellungen preiszugeben und die Drohnen abzuschießen.
Danach folgte eine zweite Angriffswelle, die mit fortschrittlicheren Präzisionswaffen durchgeführt wurde und oft entweder auf die Luftabwehrsysteme selbst (so wurde eine der ukrainischen Patriot-Batterien beschädigt) oder auf Ziele von hoher militärischer Bedeutung abzielte.

Luftabwehr in Frontgebieten soll geschwächt werden

Drittens versucht Russland mit dem Angriff auf die Hauptstadt wahrscheinlich, die Ukraine zu zwingen, mehr ihrer modernen Luftabwehrwaffen auf Kiew zu richten und damit die Luftverteidigung in den Frontgebieten zu schwächen. Unter diesem Gesichtspunkt können die Drohnenangriffe auch als russische Präventivmaßnahme im Vorfeld der bevorstehenden ukrainischen Gegenoffensive betrachtet werden.

Die Angst vor Krieg und Krise ist zurück. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind Lebensmittelknappheit oder Stromausfall zu realen Bedrohungsszenarien geworden.

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Schäden und Tote durch Trümmer

Bei dieser neuen Angriffswelle sind durch die von abgeschossenen Drohnen herabfallenden Trümmerteile erhebliche Schäden verursacht worden, vor allem an Privathäusern und auf der Straße geparkten Autos. Bei dem Angriff am Dienstag wurde ein Mensch getötet, zwei weitere wurden verletzt.

Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Das ist immer noch weit weniger schlimm als die Situation in den süd- und ostukrainischen Städten, die häufig angegriffen werden, wie Saporischschja, Cherson oder Charkiw. Für Kiewer Verhältnisse stellen diese Angriffe jedoch ein seit langem nicht mehr gesehenes und daher beunruhigendes Phänomen dar.

Am Sonntag wird gekämpft und gebetet – in Kiew und im Süden der Ukraine. Aus dem Feuerkessel um Mariupol gibt es kein Entkommen. An der Grenze zum Nato-Land Polen rückt die Bedrohung heran: Das russische Militär zerstört eine ukrainische Militärbasis

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Die Häufigkeit der Angriffe und die Gefahr haben dazu geführt, dass die Bevölkerung von Kiew die Luftangriffswarnungen wieder ernster nimmt. Während im März und April kaum jemand die Luftschutzbunker aufsuchte, sobald die Sirenen ertönten, tun dies jetzt viel mehr Menschen.
Die ukrainischen Behörden versuchen, die Bevölkerung zu ermutigen, die Schutzräume aufzusuchen, auch indem sie weithin bekannt machen, dass die bei dem Angriff getötete Person starb, als sie den Angriff von ihrem Balkon aus beobachtete.
Unterdessen hält die ukrainische Regierung eine strenge Informationssperre in Bezug auf mögliche Schäden an Zielen von militärischer Bedeutung aufrecht. Diese Treffer werden in der Regel überhaupt nicht veröffentlicht, es sei denn, ihr Ergebnis ist so eklatant offensichtlich, wie die massive Explosion des getroffenen ukrainischen Waffendepots in Chmelnizkij am 14. Mai.
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