Interview

: Haben die Grünen nachgegeben, Herr Habeck?

29.03.2023 | 20:01 Uhr
Nach den Koalitionsverhandlungen hagelt es Kritik gegen die Grünen. Im Interview wehrt sich Klimaschutzminister Habeck gegen die Vorwürfe und verteidigt die Ergebnisse.
Rund 30 Stunden haben SPD, Grüne und FDP verhandelt. Das Ergebnis der Koalition wird unterschiedlich bewertet. Den Grünen wird vorgeworfen, dass sie sich mit ihren Vorstellungen kaum durchsetzen konnten. Im heute journal Interview mit Moderatorin Marietta Slomka verteidigt Robert Habeck die Beschlüsse.
Sehen Sie im Video das vollständige Interview oder lesen Sie es hier in Auszügen
ZDF: Wenn man sich die Spielaufstellung am Tag danach ansieht: SPD und FDP super zufrieden. Die Grünen haben ihren Anhängern wieder jede Menge zu erklären. Irgendwie doof für Sie oder?
Robert Habeck: Naja, wir sind halt eine diskussionsfreudige Partei mit Anhängern, die sehr neugierig sind.
ZDF: Die sind nicht nur neugierig, von denen sind im Moment ziemlich viele ziemlich sauer. Zumindest sind die Kommentare von Grünen-nahen Organisationen heute ziemlich vernichtend.
Habeck: Also, die sind jedenfalls nicht sauer auf die Grünen.
ZDF: Sie sind sauer darauf, dass nicht mehr erreicht wurde.
Habeck: Das liegt aber nicht daran, dass die Grünen nicht hart für mehr gekämpft haben, sondern dass wir am Ende eine Lösung finden mussten für die ganzen verhakten Probleme. Und die ist gefunden worden.
Es ist eine Lösung, wo natürlich auch Punkte drin sind, die jetzt nicht meinen Applaus finden. Das wird die andere Seite, wenn ich so reden darf, genauso sehen. Aber es sind eben auch ein paar ganz gute Sachen dabei.

Nach der Einigung im Koalitionsausschuss lässt Robert Habeck durchblicken, bei welchen Punkten seine Grünen die größten Schmerzen hatten. Trotzdem zeigt er sich zufrieden.

29.03.2023 | 76:37 min
ZDF: Aber wenn ich heute Abend hier Herrn Wissing sitzen hätte, dann würde es mir ehrlich gesagt schwer fallen, ihn zu fragen, was denn die schlimmste Kröte war, die er schlucken musste, weil ich sehe eigentlich keine.
Habeck: Ich will die gefundenen Ergebnisse nicht vergleichen mit den Ausgangsforderungen, aber die Formulierung zu den Autobahnen beispielsweise sagt ja, dass die Länder, in denen die Autobahnen sind, zustimmen müssen.
Das heißt also, die Länder entscheiden in Wahrheit darüber, ob die Autobahnen beschleunigt, geplant oder gebaut werden. Und das ist doch ein ganz gutes Raster zu schauen, ob dieser Abwägungsprozess, der beschleunigt werden soll, sinnvoll ist oder nicht sinnvoll ist.
Mir geht es gar nicht darum, dass hier irgendjemand Kröten schlucken muss.
Robert Habeck, Klimaschutzminister
Ich finde das eine falsche Aufrechnerei. Die eigentliche Bedeutung von diesem Koalitionsausschuss - und deswegen hat er ja auch so ungewöhnlich lange und vielleicht auch ärgerlich lange gedauert - ist, dass wir an sehr vielen Stellen blockiert waren, dass viele Gesetze, die eigentlich entscheidungsreif sind, nicht entschieden werden konnten, weil alles irgendwie miteinander verknüpft werden wurde. Und das ist aufgelöst worden oder hoffentlich aufgelöst worden.
ZDF: Aber sie hat diese Blockaden, von denen Sie sprechen, dann zum Teil jetzt dadurch gelöst, dass die Grünen nachgegeben haben. Es wird Ihre Anhänger nicht versöhnen, wenn durch neue Autobahnabschnitte Verbrennermotoren mit 200 Sachen rattern und links und rechts stehen ein paar Solarpanele. Das ist kein Trost.
Habeck: Wenn man den Koalitionsvertrag kennt, dann relativiert sich vieles, was Sie an Vorwürfen oder als unterstellte Vorwürfe in unsere Parteireihen reingespiegelt haben. Aber selbst wenn es so wäre, dass die Grünen nachgegeben hätten, was ich an vielen Stellen anders bewerten würde, selbst wenn es so wäre, wäre das so schlimm?
Ist es nicht vielmehr so, dass irgendjemand mal einen halben Schritt auf die anderen zugehen müsste? Und ist es nicht vielmehr so, dass man vielleicht sogar fast stolz darauf sein kann, dass wir die Kraft haben, eine Regierung wieder mit zum Arbeiten zu bringen?
Das Interview führte heute journal Moderatorin Marietta Slomka.
Quelle: ZDF

Mehr zum Koalitionsausschuss