: Klimaschutzgesetz: Der Gegenwind ist grün

von Kristina Hofmann
21.06.2023 | 17:36 Uhr
Mehr Klimaschutz statt weniger, das erhofft sich die Ampel-Regierung vom neuen Klimaschutzgesetz. Doch ausgerechnet Umweltverbände laufen Sturm. Das ist gefährlich für die Grünen.

Die Reform des Klimaschutzgesetzes sieht vor, dass künftig alle Sektoren gemeinsam die Klimaziele erreichen müssen. Dieser Kompromiss erntet viel Kritik.

21.06.2023 | 01:44 min
Die Liste der Kritiker-Verbände ist lang. Und für die Grünen unangenehm bis gefährlich. Greenpeace, Nabu, BUND, WWF, Deutscher Naturschutzring, Fairtrade Deutschland. Und so weiter. 41 Vereine und Verbände, die den Grünen in der Bundesregierung eigentlich zugeneigt sind. Doch für das neue Klimaschutzgesetz, das die Ampel-Koalition heute im Kabinett verabschiedet hat, gilt das nicht.
Mit diesem Gesetz, sagen sie, "gefährdet die Bundesregierung Deutschlands klimapolitische Glaubwürdigkeit in Europa und weltweit". Und:
Darüber hinaus wird die politisch, wirtschaftlich und nicht zuletzt verfassungsrechtlich gebotene Transformation hin zur Treibhausgasneutralität verzögert und zulasten jüngerer Generation in die Zukunft verschoben.
Gemeinsame Forderungen zur Klimaschutz-Novelle
Also genau das, was durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verhindert werden sollte. Die Verbände setzen jetzt auf die Diskussion im Bundestag. Und auf Änderungen. Ihr Hauptproblem: Die Aufhebung der verbindlichen Ziele für bestimmte Sektoren, wie den Verkehr zum Beispiel.

Wissing kommt um Sofortprogramm drumherum

Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes hebt die Ampel-Regierung die bisherigen Sektorenziele auf. Entscheidend ist nun die Gesamtbilanz, ob jährlich bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Ausstoß 1990 verringert werden. Erreicht ein Bereich nicht die jährliche Reduktion von ein bis zwei Prozent, kann das woanders ausgeglichen werden.
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Bislang musste jeder Bereich für sich eine bestimmte Anzahl von Tonnen CO2 reduzieren und darüber Rechenschaft ablegen. Gelang das nicht, sollten die Ressorts ein Sonderprogramm auflegen. Das hätte zum Beispiel Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bis 15. Juli tun müssen. Weil nun ein neues Gesetz kommt, müsste er das erst in zwei Jahren, sollte er bis dahin die Ziele wieder nicht erreichen und Maßnahmen wie etwa ein Tempolimit ablehnen.
Derzeit sieht es so aus:
  • 2022 wurden insgesamt etwa 746 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. 2030 liegt die erlaubte Jahresemissionsgesamtmenge bei 440 Millionen Tonnen.
  • Im Verkehr wurden 2022 rund neun Millionen Tonnen CO2 zu viel verbraucht.
  • Ohne weitere Beschlüsse würde das Ziel einer Projektion zufolge um etwa 200 Millionen Tonnen verfehlt.

In Bonn gehen wichtige Klimaverhandlungen zu Ende. Bei den halbjährigen Zwischenverhandlungen werden die entscheidenden Vorarbeiten für die große UN-Weltklimakonferenz geleistet.

15.06.2023 | 02:22 min

Habeck: Jeder bleibt politisch verantwortlich

Für Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne), aus dessen Wirtschafts- und Klimaministerium die Gesetzesnovelle stammt, sind die Chancen, die Klimaziele zu erreichen, nun höher. Schon allein deswegen, weil sie zusammen mit der FDP ausgehandelt wurden:
Wenn man es gemeinsam richtig findet, sollte man sich auch gemeinsam daranhalten.
Robert Habeck (Grüne)
Vorher habe sich schlicht niemand an das Gesetz gehalten. Es sei aber klar, so Habeck, dass zwar die Gesamtbilanz zähle, "politisch" bleibe aber jede Ministerin, jeder Minister verantwortlich. "Es bleibt transparent, welcher Sektor die Ziele erfüllt und welcher nicht", so am Mittwoch auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Eingebunden ist das Gesetz in ein Klimaschutzprogramm, zu dem beispielsweise das umstrittene Gebäudeenergie-Gesetz gehört. Aber auch, wie Verkehrsminister Wissing betont, das Deutschlandticket, der Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Förderung der Elektromobilität, die Investitionen in Bahn und Schiene. Dass er nun nicht mehr allein für das mögliche Reißen der Klimaschutzziele verantwortlich ist, findet er richtig:
Das Klimaschutzgesetz bringt eine Verbesserung, weil es die Aufgabe wieder zurückbringt, wo sie hingehört, nämlich in die Hände der gesamten Gesellschaft
Volker Wissing (FDP)

Umwelthilfe spricht von "Rechtsbruch"

Die Kritiker des Gesetzes sehen das anders: "Ein Wegfall der Ressortverantwortlichkeit könnte als Deckmantel für politische Untätigkeit gerade in den Bereichen dienen, in denen besonders dringender Handlungsbedarf besteht", heißt es in der Stellungnahme der Verbände. Die Deutsche Umwelthilfe spricht von einem "angekündigten Rechtsbruch", weil das Pariser Klimaschutzabkommen nicht eingehalten werden könne.
Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte der Deutschen Presseagentur, Habeck sei der FDP zu weit entgegengekommen:
Mit diesem angekündigten Rechtsbruch will sich offensichtlich Vizekanzler Habeck einen schlanken Fuß machen.
Jürgen Resch (Deutsche Umwelthilfe)
Andreas Jung (CDU), klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, bezweifelt in der ARD, dass die einzelnen Ressorts überhaupt "Tauschpartner finden", damit die Gesamtbilanz stimmt. Mit der Aufhebung der Einzelverantwortung schwäche die Ampel das Klimaschutzgesetz und damit das Erbe der Großen Koalition aus Union und SPD. Das sei das "Herzstück" gewesen, so Jung.

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