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: Rosneft: Ist Treuhandverwaltung rechtens?

22.02.2023 | 13:03 Uhr
War es rechtens, die deutschen Töchter des russischen Rosneft-Konzerns 2022 unter Treuhandverwaltung zu stellen? Über den Eingriff Berlins in den Markt wird in Leipzig verhandelt.
Die deutschen Töchter der des russischen Öl-Konzerns Rosneft stehen unter Treuhandverwaltung. Ob das rechtens ist, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.Quelle: dpa
Der russische Rosneft-Konzern kann wegen der Treuhandverwaltung für zwei seiner Tochterfirmen in Deutschland gegen die Bundesregierung klagen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte am Mittwoch die Forderung des Bundeswirtschaftsministeriums nach einer Abweisung der Klage ab. Die Möglichkeit der Beeinträchtung verschiedener Rechte der Kläger durch das Vorgehen der Bundesregierung komme durchaus in Betracht, sagte die Vorsitzende Richterin Ulla Held-Daab.

Der Vorwurf: Systematisch in Insolvenz treiben

Weiterer Streitpunkt war, ob die Kläger vor der Treuhand-Anordnung formal hätten angehört werden müssen. Die Anwälte des Bundes argumentierten, im Sommer 2022 sei Eile geboten gewesen. Der russische Mutterkonzern hätte systematisch Vermögen abziehen und seine Töchter in die Insolvenz treiben können.
Darauf habe ein Informant Hinweise gegeben, sagte der Anwalt Ulrich Karpenstein, Rechtsvertreter des Bundes. Die Klägervertreter um den Anwalt Bertrand Malmendier ließen das nicht gelten. Nach seinen Worten hatte Rosneft Deutschland 2022 ein "extrem gutes Jahr" und "Kassenbestände von oberhalb einer Milliarde Euro". 
Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben den Energiemarkt in Deutschland kräftig durchgeschüttelt. Die Bundesregierung hatte es plötzlich eilig, die milliardenschweren Ölimporte aus Russland zu kappen.

Worum geht es in dem Verfahren?

Konkret stellte die Bundesregierung die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Diese berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen.

Das russische Mineralölunternehmen Rosneft wurde im September unter Treuhandverwaltung gestellt und steht damit unter staatlicher Kontrolle.

16.09.2022 | 03:05 min
Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland. Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur erklärt:
Unter der Treuhand ist sichergestellt, dass keine Zahlungen der Unternehmen nach Russland erfolgen, es sei denn, dies ist durch den Treuhänder in Einzelfällen autorisiert.
Sprecher der Bundesnetzagentur

Warum übernahm der Bund die Kontrolle?

Im Zuge von EU-Sanktionen sagte Deutschland zu, ab 2023 ganz auf russisches Rohöl zu verzichten. Die Rosneft-Töchter importierten und verarbeiteten aber zum Großteil russisches Öl. Zugleich hatten sie einen erheblichen Marktanteil: Sie hielten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.
Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die Nordostdeutschland mit Benzin, Diesel und anderen Produkten versorgt. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen.
Eine Gesetzänderung hatte die Übernahme möglich gemacht:

Wieso durfte der Bund eingreifen?

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, "wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht".

Quelle: dpa

Wie begründet der Bund die Treuhandlösung?

Rechtlich argumentierte das Ministerium im Bundesanzeiger so: Wegen Unsicherheiten bei den Folgen der EU-Sanktionen hätten Vertragspartner die Zusammenarbeit mit Rosneft eingeschränkt. Mitarbeiter seien dabei abzuwandern. Damit sei der Betrieb kritischer Infrastruktur in Gefahr.
Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter.
Es gibt schon Pläne für das weitere Vorgehen:

Wie könnte es mit Rosneft weiter gehen?

Die Treuhandverwaltung wurde zunächst auf sechs Monate befristet, also bis zum 15. März. Sie dürfte verlängert werden - wenn der Bund in Leipzig gewinnt.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zudem Pläne, die Optionen zum Verkauf von Energieunternehmen in Treuhandverwaltung wie im Fall Rosneft zu erweitern. Derzeit ist dies nur zulässig, wenn es zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist.

Künftig soll ein Verkauf auch "zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit" erlaubt sein. Das könnte auf die Pläne des Bundes für die Rosneft-Töchter hindeuten.

Quelle: dpa

Wie begründet Rosneft die Klage?

Die Kläger führen drei wesentliche Gründe an: Es habe vor der Treuhandlösung keine Anhörung gegeben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Treuhandverwaltung seien nicht gegeben und es fehle eine Rechtsgrundlage für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit dem 1. Januar 2023. Gemeint sind die Lieferungen über die Druschba-Leitung. Diese sind nicht vom EU-Ölembargo gegen Russland erfasst, sondern nur Tankeröl. Deutschland verzichtete per EU-Protokollnotiz zusätzlich auf das Pipeline-Öl.

Warum ist das Verfahren in Leipzig wichtig?

Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer betrat der Bund juristisches Neuland. Zuerst wurde Gazprom Germania unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, dann die
Rosneft-Töchter.
Möglich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Treuhandverwaltung aufhebt - dann wären die deutschen Tochterfirmen wieder unter russischer Kontrolle. Für den Bund wäre das eine herbe Niederlage. Sollte Rosneft vor Gericht scheitern, wäre das eine Bestätigung für Berlin.
Quelle: W. Dewitz, V. Schmitt-Roschmann, dpa

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