: Was wird aus Bolsonaro im Florida-Exil?

von Tobias Käufer
09.01.2023 | 17:31 Uhr
Nach dem gescheiterten Versuch seiner Anhänger Regierungsgebäude in Brasília einzunehmen, rückt Jair Bolsonaro in den Fokus. Wie umgehen mit Brasiliens Ex-Präsident?

Durch seinen "aggressiven Wir-gegen-alle-anderen-Dialog" habe Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro zum Sturm auf den Kongress beigetragen, so ZDF-Korrespondent Christoph Röckerath.

10.01.2023 | 02:56 min
In Brasilien haben die Aufräumarbeiten nach der versuchten Erstürmung des Kongresses, des Präsidentenpalastes und des Obersten Gerichtshofs in Brasília durch Anhänger des abgewählten ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro begonnen. Der hält sich derzeit in Florida auf. Genau das aber stößt mehr und mehr Politikern in den USA bitter auf.
Zumindest die Demokraten, die eine enge Verbindung zum neuen linksgerichteten brasílianischen Präsidenten Lula da Silva (77) unterhalten, wollen den Rechtspopulisten Bolsonaro am liebsten in einem Abschiebeflugzeug Richtung Brasilien sehen.
Bolsonaro sollte kein Zufluchtsort in Florida gewährt werden, wo er sich vor der Verantwortung für seine Verbrechen versteckt. Die USA sollten ihn zurück nach Brasilien schicken.
Joaquin Castro, Abgeordneter aus Texas
Ähnlich äußerte sich die prominente Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, die zum linken Flügel der Demokraten gerechnet wird. Die USA dürften nicht weiter Zufluchtsort für Bolsonaro sein, forderte "AOC" wie sie von ihrer Basis genannt wird. In den USA ist bisher kein Auslieferungsantrag für den früheren Staatschef eingegangen. "Uns hat bis jetzt kein offizielles Gesuch der brasilianischen Regierung bezüglich Bolsonaro erreicht", sagte der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan am Montag bei einem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Mexiko-Stadt. "Sollte ein solcher Antrag gestellt werden, nehmen wir ihn ernst."

Abschiebung ist ein juristischer Prozess

So einfach dürfte das allerdings nicht werden, denn vor einer Abschiebung hat der Betroffene das Recht angehört zu werden. Und Bolsonaro müsste dann eine direkte Verantwortung für die Vorfälle in Brasília nachgewiesen werden. Oder ihm müssten Verstöße gegen das amerikanische Gesetz nachgewiesen werden. Zudem muss zwischen einer politischen und einer juristischen Mitverantwortung unterschieden werden.
Eine politische Mitverantwortung ist entstanden, weil Bolsonaro es unterlassen hat, seine Anhänger davon abzuhalten, die Gebäude zu erstürmen und auch über Stunden schwieg, als der Angriff in Brasília auch in den USA über die Bildschirme flimmerte. Eine strafrechtlich relevante Verantwortung nachzuweisen, dürfte dagegen deutlich schwieriger werden, denn Bolsonaro hat seine Anhänger nie direkt aufgefordert, die Gebäude zu erstürmen.
Der Umgang mit Bolsonaro dürfte auch Einfluss auf die innenpolitische Lage in Florida haben. Hier regiert mit dem republikanischen Gouverneur Ron Desantis ein parteiinterner Gegenspieler von Bolsonaro-Unterstützer Donald Trump.

Untersuchungskommission im Senat

In Brasilien wiederum wächst die Rückendeckung für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (CPI). Im Senat wurden am Montag laut brasílianischen Medienberichten die notwendigen Unterschriften gesammelt, um eine entsprechende Kommission ins Leben zu rufen. Dort hätte Bolsonaro dann auch das Recht, seine Version der Geschichte zu erzählen und gegebenenfalls entlastendes Material vorzubringen. Er warf dem linken Lager vor, 2013 und 2017 selbst versucht zu haben, den Kongress zu erstürmen.
Zuvor hatte eine Gruppe von regierungsnahen Juristen offenbar über eine Anklage gegen Bolsonaro mit dem Ziel nachgedacht, ihm künftige Kandidaturen oder Ämter zu verbieten. Das war allerdings bereits vor den Vorfällen in Brasília.

Asyl in Israel?

Eine dritte Variante wäre, dass Bolsonaro und seine Söhne politisches Asyl in einem Drittland erhalten. Bolsonaro hatte stets enge Verbindungen zum rechtsgerichteten israelischen Staatschef Benjamin Netanjahu, der seit kurzem in Israel wieder an der Spitze einer rechtsgerichteten Regierung steht, die zahlreiche ideologische Schnittstellen mit Bolsonaro hat.
In Israel kam es übrigens zuletzt ebenfalls zu zahlreichen Protesten linker Parteien, gegen die neue Regierung Netanjahu, die sie rundweg ablehnen.
Quelle: mit Material von dpa

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