: Wenn Knibbeln und Zupfen zum Zwang wird

von Corinna Klee
03.09.2024 | 06:48 Uhr
Knibbeln, zupfen, kratzen - bis Narben entstehen. Wer unter Skin Picking leidet, kann damit nicht aufhören. Welche Ursachen die Störung hat und wie man sie sich abgewöhnt.

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Skin Picking Disorder gehört zu den sogenannten körperbezogenen repetitiven Verhaltensstörungen. Sie äußert sich durch ein unkontrollierbares Bedürfnis, an der eigenen Haut zu manipulieren - unbewusst und bewusst.
Die Störung kann sich auf verschiedene Arten äußern, etwa durch das Aufkratzen von Pickeln oder Hautunreinheiten, das Entfernen von Krusten oder das Zupfen an kleinen Hautunebenheiten. Betroffene verbringen oft Stunden damit.

Lästige Pickel im Gesicht tauchen meistens dann auf, wenn man sie gar nicht gebrauchen kann. Warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?

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Häufig sei die Haut so beeinträchtigt, dass die Betroffenen stark darunter leiden, erklärt Christina Gallinat. Sie leitet die Sprechstunde für körperbezogene repetitive Verhaltensweisen am Universitätsklinikum Heidelberg. Besondere Angst hätten Betroffene vor den Fragen anderer. Dann müssten sie zugeben, dass sie das selbst waren.
Da entstehen große Scham- und Schuldgefühle.
Dr. Christina Gallinat, Psychologin
Skin Picking führe deswegen häufig nicht nur zu körperlichen, sondern auch zu emotionalen und sozialen Problemen, so die Expertin weiter.

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Was sind die Ursachen von Skin Picking?

Bis zu drei Prozent der deutschen Bevölkerung sind irgendwann in ihrem Leben von Skin Picking betroffen. Es gibt noch kein Erklärungsmodell, wie es zu der Störung kommt. Man gehe aber davon aus, dass biologische, psychische und soziale Faktoren zusammenspielen, sagt Gallinat.
Erste Zwillingsstudien zeigen, dass die Vererbung eine größere Rolle spielt als das soziale Lernen.
Dr. Christina Gallinat, Universitätsklinikum Heidelberg
Man sehe, dass innerhalb einer Familie Skin Picking oder andere körperbezogene, repetitive Verhaltensweisen wie Nägelkauen oder Haare ausreißen häufiger vorkämen, so die Expertin. Studien zeigen zudem, dass Personen mit einer Skin Picking Störung verstärkt Schwierigkeiten in der Regulation von Emotionen haben. Auch Stress, Angst oder Langeweile können das Verhalten auslösen oder verstärken.

Wie Skin Picking diagnostiziert wird

Psychologen nutzen spezifische Kriterien zur Diagnose. Dazu gehört die Erhebung einer Anamnese, bei der auch die Häufigkeit und Intensität des Zupfens, die Auslöser und die damit verbundenen Emotionen erfragt werden. Ein wichtiges Kriterium ist, dass das Verhalten wiederholt auftritt und Betroffene nicht in der Lage sind, dieses zu kontrollieren - obwohl es zu sichtbaren Schäden führt. Die Betroffenen leiden stark unter dem Kontrollverlust.

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Skin Picking sei kein selbstverletzendes Verhalten, obwohl man sich selbst verletzt. Der Unterschied liege vor allem in der Automatisierung, erklärt Psychologin Gallinat.
Der Körper hat sehr gut gelernt, die Haut mit den Fingern abzuscannen. Das Kratzen beginnt oft unbewusst.
Dr. Christina Gallinat, Psychologin
Oft merken es die Betroffenen erst, wenn vielleicht schon die Finger blutig oder größere Wunden entstanden sind.

Skin Picking abgewöhnen

Eine der wirksamsten Behandlungsformen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Sie zielt darauf ab, das automatische Verhalten zu erkennen und durch alternative Handlungen zu ersetzen. Dabei werden Betroffene angeleitet, ihre Auslöser zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um das Verhalten zu unterbrechen. Daneben können zum Beispiel Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen helfen, den Drang zu reduzieren.

Selbsthilfestrategien gegen Skin Picking

Neben professioneller Hilfe können auch Selbsthilfestrategien unterstützen. Häufig tritt Skin Picking im Badezimmer auf, wenn man Hautunebenheiten im Spiegel findet. Das Badezimmer ist deswegen ein Ort, an dem man viel verändern kann. So kann man beispielsweise das Licht dimmen oder den Spiegel zeitweise verdecken, um ein Stück weit Kontrolle zurückzugewinnen.

Passiert das Skin Picking auf der Couch oder am Schreibtisch, kann man dünne Baumwollhandschuhe tragen. Die Fingerkuppen erspüren dann Hautunebenheiten nicht mehr. Die Expertin empfiehlt außerdem, die Hände mit sogenannten Fidget Toys zu beschäftigen - Spielzeug wie Igelbälle oder kleine Akupressur-Ringe.

Ist Skin Picking heilbar?

Skin Picking ist eine ernstzunehmende psychische Störung, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen kann. Viele machen das schon seit ihrer Kindheit oder Pubertät, sagt Psychologin Gallinat. Von heute auf morgen heilen lasse sich die Erkrankung daher nicht.
Es gibt immer Möglichkeiten, das Verhalten zu verbessern oder ganz loszuwerden. Aber das braucht Geduld, Beharrlichkeit und Zeit.
Dr. Christina Gallinat, Universitätsklinikum Heidelberg
Mit der richtigen Unterstützung und Therapie ist es aber möglich, das Verhalten zu kontrollieren und langfristig in den Griff zu bekommen.

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Quelle: ZDF
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