: Sterbende würdevoll begleiten

von Sabrina Zimmermann
06.06.2024 | 07:04 Uhr
Wenn Familienmitglieder oder Freunde schwer erkranken und sterben, macht uns das hilflos. Im Letzte-Hilfe-Kurs lernen Angehörige eine würdevolle Sterbebegleitung.

Mit 88 Jahren entscheidet sich Wolfgang bewusst, auf Essen und Trinken zu verzichten und zu sterben. Seine Familie begleitet ihn dabei.

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Ein sogenannter Letzte-Hilfe-Kurs lehrt Basiswissen, Orientierung und praktische Handgriffe. In der Regel dauern die Kurse drei bis vier Stunden und beschäftigen sich mit Fragen rund um Vorsorge, Pflege und den Tod.
Ziel der Letzte-Hilfe-Kurse ist es, die Teilnehmenden dazu zu befähigen, Menschen aus ihrer Familie oder im Freundeskreis im Sterbeprozess würdevoll zu begleiten und auf die Wünsche der Sterbenden einzugehen. Dazu gehört auch, den Interessierten Unsicherheiten oder die Angst zu nehmen, etwas falsch zu machen.

Sterbefasten, also der bewusste Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, ist nicht verboten. Palliativmediziner Dr. Martin Neukirchen erklärt, worauf Angehörige vorbereitet sein müssen und inwieweit man beim Sterbefasten Unterstützung bekommt.

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Was lernt man im Letzte-Hilfe-Kurs?

Der Letzte-Hilfe-Kurs ist in vier Module unterteilt. Der erste Teil befasst sich mit dem Sterben als Teil des Lebens. Dabei wird erklärt, an welchen Veränderungen sich erkennen lässt, dass sich ein Mensch dem Lebensende nähert. Beispielsweise zieht sich die Person zurück und hat immer weniger Energie. Da Sterben ein individueller Prozess ist, können die Anzeichen stark variieren.
Ein weiterer Punkt, der thematisiert wird, ist die Vorsorge. Es geht um Fragen wie: Wird ein ambulanter Hospizdienst benötigt? Gibt es eine Vorsorgevollmacht, eine Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung? Sind die finanziellen Fragen geklärt? Anschließend lehrt die Kursleitung praktische Handgriffe. Im Fokus steht unter anderem die Mundhygiene. Bei Schwerkranken kann es zu Mundtrockenheit kommen, weshalb eine regelmäßige und gute Mundhygiene von besonderer Relevanz ist. Es gibt praktische Tipps, wie die Mundpflege vorgenommen werden kann.

Da keine Vorsorgevollmacht vorlag, steht Gerhard Weißenberger als ehrenamtlicher Betreuer seiner Frau in vielen Bereichen unter Beobachtung des Betreuungsgerichts.

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Im letzten Teil des Kurses geht es um den Tod. Es wird besprochen, wie Betroffene nach dem Eintreten des Todes vorgehen können. Hierzu gehört die Versorgung des Verstorbenen, die Bestattung und Trauer.

Letzte-Hilfe-Kurs ist für jeden offen

An einem Letzte-Hilfe-Kurs kann jeder teilnehmen. In der Regel findet ein Kurs ab sechs Teilnehmern statt. Maximal 20 Interessierte werden in einem Kurs aufgenommen. Der Kurs werde gerne von Angehörigen schwer kranker Patientinnen und Patienten besucht, erzählt Hildegard Höller, leitende Koordinatorin Hospizgruppe Ingelheim e. V..
Der Kurs eignet sich für alle Menschen, die sich der Endlichkeit des menschlichen Lebens stellen wollen, können oder auch müssen.
Hildegard Höller, Leitende Koordinatorin Hospizgruppe Ingelheim e. V.
Doch auch Hinterbliebene suchten Rat und Hilfe, um sich im Nachhinein das Erlebte zu erklären, so Höller.

Warum der Letzte-Hilfe-Kurs wichtig ist

Laut einer Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands von 2022 möchte jeder Zweite zu Hause sterben. In der Realität sterben knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland im Krankenhaus. Für Hildegard Höller ist deshalb ein Besuch des Letzte-Hilfe-Kurses wichtig. Ihrer Meinung nach haben die Menschen verlernt, mit dem Sterbeprozess umzugehen. Vielmehr sei man gewohnt, dass Menschen im Krankhaus sterben - dort, wo Profis unterwegs seien.
Das Vertrauen, dass jeder Mensch auch zu Hause einen Sterbeprozess begleiten kann, ist verloren gegangen.
Hildegard Höller, Leitende Koordinatorin Hospizgruppe Ingelheim e. V.
Doch nicht nur Wissen und praktische Handgriffe liefern Letzte-Hilfe-Kurse. Auch auf emotionaler Ebene kann der Kurs weiterhelfen. Oft besuchen Menschen den Kurs, deren Angehörige im Sterben liegen. Dabei spüren sie eine Verantwortung, die Kraft der sterbenden Person aufrechtzuerhalten. Nach dem Kurs wird klar, dass sich in der Sterbephase alles ändert: Das Essen wird unwichtiger, die Kraft geht zurück. Viele Angehörige tragen dann ein Schuldgefühl in sich, etwas falsch zu machen, weil die Lebenslust der Person weniger wird. Nach dem Kurs lässt sich das besser verstehen und die Schuldgefühle können sich auflösen. "Es klären sich so im Nachhinein Schuldgefühle, Ungereimtheiten und Überforderungssituationen", erläutert Höller. Der Kurs helfe, die Angst vor dem "Falschmachen" zu verlieren.
Kursangebote gibt es in ganz Deutschland. Ein Kurs kostet maximal 20 Euro. Eine Teilnahmebescheinigung wird am Ende ausgehändigt.
Sabrina Zimmermann ist Redakteurin des ZDF-Magazins WISO.

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