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: So viele Mitglieder haben Verdi und EVG

von Kathrin Wolff
24.03.2023 | 19:18 Uhr
Die Gewerkschaften verlieren seit Jahrzehnten Mitglieder. In Arbeitskämpfen gewinnen sie wieder welche dazu, Verdi aktuell besonders viele. Ein Überblick.
Wollen die Gewerkschaften mit spektakulärem Streik Mitglieder gewinnen? Das werfen ihnen Kritiker angesichts der aktuellen Welle an Ausständen vor. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, mahnte im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in Deutschland nicht radikalisieren.
Tatsache ist: Die Gewerkschaften verlieren seit Jahrzehnten Mitglieder - und Arbeitskämpfe helfen, neue zu gewinnen. Dass das der Grund für Streiks sei, weisen die Arbeitnehmervertreter aber zurück. Ein Blick auf die Lage bei Verdi und EVG, die am Montag mit einem großen Verkehrsstreik Deutschland lahmlegen wollen:

Verdi: 70.000 neue Mitglieder seit Jahresbeginn

Verdi steht für Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft. Zu ihr schlossen sich 2001 fünf Einzelgewerkschaften zusammen. Damals kam Verdi noch auf 2,81 Millionen Mitglieder. Ende 2022 waren es noch 1,86 Millionen. Ein Minus von fast einer Million beziehungsweise einem Drittel der Mitglieder. Dennoch ist Verdi damit die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland, nach der IG Metall.
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Zuletzt ging es nach Verdi-Angaben mit den Mitgliederzahlen wieder aufwärts. "Genau genommen sind es bis heute über 70.000 neue Mitglieder, die wir gewonnen haben seit Anfang diesen Jahres", sagt Verdi-Chef Frank Werneke im ZDFheute-Interview. Man gewinne in Tarifverhandlungen immer Mitglieder, "aber in der Größenordnung hat es das seit Menschengedenken nicht mehr gegeben".
Lesen Sie hier das ganze Interview mit Verdi-Chef Werneke:

EVG: "Tarifauseinandersetzungen sorgen für Mitgliederzuwächse"

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG entstand 2010 aus einer Fusion von Transnet und GDBA. Damals hatte sie 232.000 Mitglieder, Ende 2022 waren es noch 185.000. Diese Zahlen seien noch aktuell, sagt EVG-Sprecher Uwe Reitz. "In der Regel sorgen Tarifauseinandersetzungen immer für Mitgliederzuwächse. Das ist aber nicht der Grund, diese zu führen. Es geht darum, die Interessen der Mitglieder gut zu vertreten."
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Warum verlieren die Gewerkschaften langfristig so viele Mitglieder?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Gewerkschaften waren einst "Gewinner des Industriekapitalismus", ihre Stärken die "produzierenden Großbetriebe und die männlichen Facharbeiter", so der Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel. Doch die sozialen Milieus haben seit den 1970er Jahren stark an Bedeutung verloren, die Arbeitswelt hat sich verändert, es gibt viel weniger Flächentarifverträge als früher.
In der "neuen Industrie-, Dienstleistungs- und Wissensökonomie bei den mit IT-Technik ausgerüsteten Schreibtischen, in kleinen betrieblichen Einheiten und in einer weiblicher werdenden Arbeitsgesellschaft" sei es für die Gewerkschaften "kompliziert, erfolgreich zu sein", analysierte Schroeder bereits 2014.
5,64 Millionen Gewerkschaftsmitglieder verzeichnete der Deutsche Gewerkschaftsbund Ende 2022 insgesamt - davon zwei Drittel männlich. Wie der Geschlechter-Anteil ist, hängt aber auch stark von der Branche ab, die die Gewerkschaft vertritt.
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Auch die Corona-Pandemie machte es den Gewerkschaften schwer, neue Mitglieder zu gewinnen, da viele Beschäftigten im Homeoffice arbeiteten. Dazu kommt die Alterung der Gesellschaft. So erklärte Verdi-Chef Werneke den Mitgliederrückgang im Jahr 2022 einerseits damit, dass die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gingen. Andererseits spielten Inflation und sinkende Kaufkraft eine "signifikante Rolle", sagte er im Februar: "Es gibt Betriebe im Niedriglohnbereich, da haben wir innerhalb eines Jahres ein Viertel unserer Mitglieder verloren."
Wo Tarifabschlüsse 2022 die Inflation ausgleichen konnten und wo nicht, erfahren Sie hier:

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